Cole Palmer

Gleichauf mit Erling Haaland Cole Palmer - von Guardiola aussortiert, bei Chelsea brillant

Stand: 19.04.2024 08:15 Uhr

Bei Manchester City wurde Cole Palmer nicht gebraucht, beim FC Chelsea ist er in einer chaotischen Saison der mit Abstand beste Spieler. Im direkten Duell könnte er seinem Heimatklub zeigen, dass sein Verkauf ein Fehler war.

Von Hendrik Buchheister

Mittlerweile versuchen sogar die Mitspieler, ihn am Toreschießen zu hindern. 4:0 führte der FC Chelsea in der Premier-League-Partie gegen den FC Everton am Montag (15.04.2024), als es nach rund einer Stunde Elfmeter gab. Cole Palmer ist etatmäßiger Schütze des Klubs aus dem Südwesten Londons, doch weil er schon dreimal getroffen hatte und das Spiel entschieden war, nahm sich Noni Madueke den Ball.

Eine Diskussion zwischen ihm und Palmer begann, mehrere Mitspieler schalteten sich ein. Die Chelsea-Profis stritten um die Ausführung des Strafstoßes wie Kinder im Sandkasten um eine Schaufel. Am Ende setzte sich Palmer durch. Er trat zum Elfmeter an und schoss sein 20. Saisontor. Damit führt er die Torjäger-Liste der Premier League an, zusammen mit Erling Haaland von Manchester City.

Unter Guardiola kaum Einsätze - trotzdem fast 50 Millionen Euro Ablöse

Allerspätestens mit dem Viererpack gegen Everton (Endstand 6:0) hat sich Palmer, 21 Jahre jung, als einer der aktuell aufregendsten Spieler der englischen Hochglanz-Liga etabliert. Zu rechnen war damit nicht: Im Sommer wechselte er von seinem Jugendverein Manchester City zu Chelsea, weil er unter Trainer Pep Guardiola keine Aussicht auf regelmäßige Einsätze hatte. Zu groß war die Konkurrenz beim Triple-Sieger der vergangenen Saison.

Obwohl Palmer vor seinem Wechsel gerade mal rund 500 Minuten Premier-League-Erfahrung hatte, zahlte Chelsea für seine Dienste umgerechnet fast 50 Millionen Euro. Die englische Öffentlichkeit reagierte verwundert aber nicht überrascht auf den Transfer – die US-amerikanischen Chelsea-Eigentümer um Todd Boehly haben sich in kürzester Zeit den Ruf erarbeitet, wahllos enorme Summen für vergleichsweise unerprobte Profis auszugeben.

Schlüsselrolle in Chelseas neu zusammengebauter Mannschaft

Wie prächtig sich Palmer an der Stamford Bridge machen würde, konnten nicht einmal Fachleute erwarten. Er hat direkt eine Schlüsselrolle bei Chelsea eingenommen und ist in dieser Saison die mit Abstand positivste Erscheinung in einer jungen und fast komplett neu zusammengestellten Mannschaft, deren Leistungen so schwankend sind wie das englische Wetter im April.

Die Londoner sind Tabellenneunter, haben aber die Chance, die Spielzeit im FA Cup mit einer Trophäe zu veredeln. An diesem Samstag (20.04.2024) trifft die Mannschaft im Halbfinale des Wettbewerbs auf jenen Verein, der den Verkauf Cole Palmers möglicherweise mittlerweile bereut – auf Manchester City. Einen so zuverlässigen Elfmeterschütze wie den offensiven Mittelfeldspieler jedenfalls hätte Pep Guardiola im Elfmeterschießen zuletzt im Champions-League-Viertelfinale gegen Real Madrid gut gebrauchen können.

Talent für das Unerwartete

Was vor allem an Palmer beeindruckt: seine spielerische Leichtigkeit und das Talent für das Unerwartete. "Das Tunneln ist sein Freund, der Pass mit dem Außenrist ein Standard, und er hat eine Reihe anderer Tricks, die er einsetzen kann, wenn sie passen", schrieb gerade der "Guardian" über Palmer. Was damit gemeint ist, ließ sich bei seinem Viererpack gegen Everton besichtigen: Vor seinem ersten Treffer tunnelte er einen Gegenspieler und gab den Ball mit der Hacke weiter, bei seinem dritten Treffer fing er einen unsauberen Pass von Evertons englischem Nationaltorwart Jordan Pickford ab und hob den Ball aus rund 30 Metern ins Netz. Palmer ist ein Spieler für kleine Tricks und große Überraschungen.

Außerdem verfügt er über eine beachtliche Nervenstärke für einen 21 Jahre alten Profi, der gerade erst dabei ist, sich in der Premier League zu etablieren. Neunmal trat er in dieser Saison zum Elfmeter an, neunmal traf er – nur Chelsea-Legende Frank Lampard schoss mehr Tore per Strafstoß in einer Spielzeit. Seinen Status als Mann für den Schuss vom Punkt verteidigt Palmer mit der ihm eigenen Klarheit. "Andere Spieler wollten schießen. Aber ich bin der Elfmeterschütze. Also habe ich mir den Ball genommen und geschossen", sagte er über den Streit zuletzt im Everton-Spiel.

Spielt "Cool Palmer" auch bei der EM?

Seine Ruhe hat ihm den Spitznamen "Cool Palmer" eingebracht. Tore feiert er, indem er die Arme verschränkt und mit den Händen die Oberarme reibt – so, als würde er frieren. Möglicherweise wird es diese Geste auch bei der EM in Deutschland zu sehen geben. Im November debütierte Palmer in der englischen Nationalmannschaft. Er ergänzt das ohnehin schon große Angebot an Offensivspielern, das Englands Trainer Gareth Southgate zur Verfügung hat.

Vor der EM will Palmer aber erstmal die nationalen Wettbewerbe bestmöglich zu Ende spielen. In der Premier League hat Chelsea noch Chancen auf den Einzug ins internationale Geschäft, im FA Cup sind es noch zwei Spiele bis zum Titel. Im Halbfinale gegen Manchester City wird Cole Palmer besonders im Blickpunkt stehen. Und klar ist: Sollte es Elfmeter für Chelsea geben, würde der Mann schießen, der im Sommer beim Triple-Sieger für überflüssig befunden wurde. Chelsea-Trainer Mauricio Pochettino stellte nach dem Sieg gegen Everton klar, dass Palmer der Elfmeterschütze ist. Egal, bei welchem Spielstand.