Matej Mohoric
Tourreporter

Etappensieger in Poligny Mohoric und das Seelenleben eines Radprofis

Stand: 21.07.2023 22:42 Uhr

Matej Mohric gewinnt die 19. Etappe der Tour de France und kämpft danach mit den Tränen. Anschließend gibt er Einblicke in das Seelenleben eines Radprofis.

Von Michael Ostermann, Poligny

Der Sieger des Tages wurde von seinen Gefühlen überwältigt. Auch eine gute Stunde nachdem Matej Mohoric mit einem hauchdünnen Vorsprung vor Kasper Asgren als Erster ins Ziel der 19. Etappe der Tour de France in Poligny gekommen war, kämpfte der Slowene noch mit den Tränen. Ein Kampf, den er mal gewann, mal nicht.

"Es ist brutal, ein professioneller Radfahrer zu sein"

Es kam viel zusammen in diesen Momenten nach seinem Etappensieg: Die Trauer um seinen Teamkollegen Gino Mäder, der bei der Tour de Suisse im Juni zu Tode gestürzt war. Die Freude über den eigenen Sieg, der bereits der dritte Erfolg für sein Team Bahrain-Victorious bei dieser Tour war. Aber vor allem das schiere Dasein als Radprofi mit allem, was dazu gehört.

"Dieser Sieg bedeutet mir viel", sagte Mohoric also mit den Tränen kämpfend. "Es ist schwierig und brutal, ein professioneller Radfahrer zu sein. Man leidet sehr viel in der Vorbereitung, man opfert einen Teil seines Lebens, seine Familie und tut alles, um bereit zu sein. Und dann, nach ein paar Tagen, stellt man fest, dass alle anderen auch so unfassbar stark sind, dass man kaum das Hinterrad halten kann."

19. Etappe - die Zusammenfassung

Sportschau, 21.07.2023 17:30 Uhr

Matej Mohoric, 28, aus Katj in Slowenien ist ein erfolgreicher Radprofi. In Poligny konnte er bereits zum dritten Mal einen Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt bejubeln, nachdem er schon 2021 zwei Touretappen gewonnen hatte. Im vergangenen Jahr siegte er beim großen Klassiker Mailand-Sanremo. In seinen Palmarès sind zudem je ein Etappensieg beim Giro d'Italia und bei der Spanien-Rundfahrt sowie der Gesamtsieg bei der Deutschland-Tour 2018 verzeichnet.

Frühjahrsklassiker im französischen Sommer

Doch in Poligny hatte er nun das dringende Bedürfnis, über das Leid, die Schmerzen und den mentalen Stress zu sprechen, den sein Beruf mit sich bringt. "Wir quälen uns jeden Tag gegenseitig", sagte Mohoric. "Man geht durch so viel Schmerz, aber keiner gibt auf, weil es die Tour ist und man es bis Paris schaffen will." 150 Fahrer hätten es verdient, eine Etappe zu gewinnen, damit sie eine Belohnung für all das Leiden erhielten. Aber das sei eben nicht möglich. "Und gerade in der dritten Woche, wenn alle müde sind, kommt es vor allem auf den mentalen Aspekt an", erklärte Mohoric.

19. Etappe - die Siegerehrung

Sportschau, 21.07.2023 17:30 Uhr

Das galt auch für diesen Tag, an dem es aussah, als werde ein belgischer Frühjahrsklassiker mitten im französischen Sommer ausgetragen. Rund 57 Kilometer dauerte es, bis sich eine zunächst neunköpfige Ausreißergruppe gebildet hatte, die dann später noch Zuwachs bekam. Unter anderem mit Mohoric "als unser Ass im Ärmel", wie dessen Teamkollege Nikias Arndt es später formulierte.

Die Attacke von Kasper Asgren und Ben O'Connor am Côte d'Ivory, einem Anstieg der dritten Kategorie rund 30 Kilometer vor dem Ziel, habe er unter großen Schmerzen nur mit der puren Kraft seines Willens mitgehen können, sagte Mohoric. Weil er gewusst habe, dass dies der entscheidende Moment sei. Es war dann eben auch dieses Trio, das den Rest des Weges gemeinsam zurücklegte und den Tagessieg unter sich ausmachte.

Emotional nach dem Rennen, Analytiker auf dem Rad

Das Gespür für solche Momente ist eine entscheidende Eigenschaft in Ausreißergruppen. Und so emotional Mohoric nach dem Rennen auch war, so berechnend ist er, wenn er auf dem Rad sitzt. "Ich versuche, die Situation zu bewerten, als würde ich sie im Rückblick betrachten", erklärte Mohoric in Poligny. "Und dann treffe ich die beste Entscheidung."

Im Finale der 19. Etappe war das Rechenspiel schnell erledigt. O'Connor würde einen Kilometer vor dem Ziel eine Attacke versuchen müssen. Was er auch tat, denn der Australier war der schwächste Sprinter des Trios. Asgren und Mohoric waren also vorbereitet darauf und konterten.

Damit war der Etappensieg nur noch eine Frage zwischen den beiden. Und Mohoric wusste, "dass er im Training von 100 Sprints 100 gegen Kasper verlieren würde". Deshalb wartete er so lange, wie er konnte, am Hinterrad des Dänen, um erst im letzten Moment vorbeizuziehen - um wenige Millimeter. "Das sind die Spiele, die wir spielen, und dabei kämpfen wir uns durch die Schmerzen, weil wir es sind, die das wollen", sagte Mohoric. "Ich bin gerne ein Radprofi."