Olympia 2026 Mailand-Cortina d'Ampezzo Winterspiele ohne Bobbahn in Italien

Stand: 17.10.2023 10:24 Uhr

Bei den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo werden die Bob- und Schlittenrennen nicht in Italien stattfinden. Italiens-Olympia-Organisatoren hatten lange am Plan einer neuen Bobbahn festgehalten, obwohl der Bau wohl zur nächsten olympischen Investitionsruine geworden wäre.

Nach den Retorten-Events von Pyeongchang und Peking kehren die Olympischen Winterspiele 2026 an einen geschichtsträchtigen Ort zurück: Cortina d'Ampezzo, gemeinsam mit Mailand in drei Jahren Olympia-Gastgeber, hat schon einmal Winterspiele ausgerichtet, im Jahr 1956. Der berühmte Skiort in den Dolomiten diente auch schon als Filmkulisse: Claudia Cardinale kurvte bei "Pink Panther" ebenso die Hänge von Cortina hinunter wie Roger Moore als James Bond "In tödlicher Mission".

Auch was das populäre Thema Nachhaltigkeit angeht, sollen die Winterspiele von 2026 wieder zurück zu den Wurzeln. Viele Wettkampfstätten sind schon vorhanden oder sollen nur temporär genutzt werden.

Aus für Bobbahn in Cortina d'Ampezzo

Was es allerdings nicht gibt in Nord-Italien, ist eine moderne, wettkampftaugliche Bobbahn: Der alte Olympia-Eiskanal in Cortina d'Ampezzo wurde schon vor Jahren stillgelegt. Das italienische Bewerbungskonzept für die Winterspiele sah zunächst vor, die Natureisbahn "Eugenio Monti" neu zu bauen.

Die Pläne für das Millionenprojekt wurden jedoch, wie am Montag (16.10.2023) berichtet wurde, von Italiens Organisatoren offiziell begraben. Giovanni Malago, der Präsident des italienischen Olympischen Komitees CONI, teilte auf dem IOC-Kongress in Mumbai mit, dass nach einem alternativen Standort für die Wettbewerbe im Bob, Rodeln und Skeleton gesucht werde, der wohl im Ausland liegen wird.

Vorausgegangen war ein jahrelanger politischer Streit in der Region, der zuletzt auch Italiens Regierung erreichte. Erst Ende September hatten in Cortina d'Ampezzo rund 1.000 Menschen, Vertreter von Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen und der lokalen Politik gegen das vorgesehene Mammut-Projekt mit der neuen Bobbahn protestiert. Auch der Provinzrat von Belluno, zuständig für die Gemeinde Cortina, hatte die Regierung in Rom per Beschluss aufgefordert, nach alternativen Standorten zu suchen.

Neben den ökologischen Bedenken - für den Neubau hätten unter anderem Waldgebiete an der Stadtgrenze abgeholzt werden müssen - befürchteten die "Ampezzini" ein Millionengrab für ihre Gemeinde: Eine Bürgervertreterin taxierte allein die Unterhaltskosten für die Bahn auf 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Die Schätzung der Gesamtkosten für den Neubau war zuletzt nochmals nach oben korrigiert worden, von 81 Millionen auf 124 Millionen Euro.

Olympia-Organisatoren hielten lange am Cortina-Neubau fest

Die rechtsgerichtete Regionalregierung von Venetien hatte dennoch lange an den Neubauplänen für Cortina festgehalten, ebenso wie die olympische Infrastrukturgesellschaft Simico, die alle Aufträge rund um die Spiele vergibt.

Die Zeitung "Nord Est Economia" zitierte aus einem Dokument von Simico, wonach es keine Alternative zum Neubau in Cortina gäbe: Mögliche Ausweich-Standorte, etwa die Bahn der Spiele von Turin 2006, seien entweder zu teuer oder nicht zu realisieren, hieß es von den Olympia-Bauherren. Den immensen Kosten für den Neubau in Cortina stellten sie zu erwartende Einnahmen gegenüber, auch aus dem touristischen Betrieb der Bahn.

Nur Absagen für Cortina-Neubau, auch von Großkonzernen

Das größte Problem für die Olympia-Organisatoren war aber: Es fand sich bei der offiziellen Ausschreibung im Juli kein Bauunternehmen, das das Cortina-Projekt stemmen wollte. Die zwei größten italienischen Baukonzerne, die im Anschluss von der Simico direkt eingeladen wurden, winkten ebenfalls ab. Auch weil die Uhr bis zu den Spielen tickt: Im November 2024 hätte schon eine erste Bauabnahme erfolgen sollen, ein Jahr darauf die ersten Testfahrten.

Angesichts des wachsenden politischen Drucks landete die Entscheidung zuletzt bei der Zentralregierung in Rom, die das Olympia-Komitee am Wochenende anwies, die Pläne für Cortina nicht fortzuführen und stattdessen "nachhaltige Optionen" in Betracht zu ziehen. Sprich: Die Bob- und Schlitten-Wettbewerbe sollen 2026 auf einer bereits bestehenden Bahn ausgetragen werden.

Dafür kommt eigentlich nur das Ausland in Frage: Die Olympiabahn in Cesana bei Turin rottet seit den Spielen vor sich hin, weitestgehend ungenutzt, eine Sanierung gilt als zu teuer. Eine mögliche Alternative in den Alpen wäre das schweizerische Sankt Moritz, die Natur-Eisbahn in Graubünden gilt aber aufgrund der Witterungsbedingungen als zu unsicher.

Vom deutschen Bob- und Schlittenverband BSD gab es die Mitteilung, dass Bahnen in Deutschland "kein Thema" für die Winterspiele 2026 seien. Am Dienstagmorgen brachte sich aber überraschend Oberhof als möglicher Ausweichstandort, zumindest für die Rodelwettbewerbe, ins Spiel.

Bobbahn Innsbruck-Igls als Favorit

Als aussichtsreichster Kandidat gilt deshalb die Eisbahn in Innsbruck-Igls. Dort hatten sich Lokalpolitiker bereits vor der Entscheidung gegen den Cortina-Neubau bei Italiens-Olympia-Organisatoren als Ausweichstandort angeboten. Die Bahn in Tirol soll ab dem kommenden Februar, nach den letzten Weltcup-Rennen der Saison, ohnehin renoviert werden. Sie wäre damit auf dem neusten Stand und stünde auch für die olympischen Spiele 2026 bereit. Für eine Miete von zwölf Millionen Euro, wie es in österreichischen Medienberichten hieß.

Österreichs Olympia-Komitee ÖOC bekräftigte am Montag das Angebot, dass Innsbruck für die Olympia-Wettbewerbe 2026 bereit stünde. Das ÖOC stehe "sehr gerne für direkte Gespräche" mit den italienischen Organisatoren zur Verfügung, um die Möglichkeit einer Ausrichtung "im Detail zu diskutieren", teilte ÖOC-Präsident Karl Stoss mit und gab sich aufgrund der Brisanz des Themas diplomatisch zurückhaltend: "Schnellschüsse sind nicht gefragt, Seriosität ist das oberste Gebot."

Innsbruck wäre auch verkehrstechnisch die einzig sinnvolle Lösung, sagt Kaspar Schuler von CIPRA International, einer der zahlreichen Umweltorganisationen, die von Beginn Kritik am Neubau der Bahn in Cortina äußerten. "Innsbruck ist direkt an Mailand und die anderen Wettkampforte angebunden, über die Brenner-Autobahn und über eine Zugverbindung."

IOC erlaubt olympische Wettkämpfe im Ausland

Auch das Internationale Olympische Komitee würde sich nicht gegen einen möglichen Umzug nach Innsbruck sperren. Das IOC hat sich einem nachhaltigeren Kurs verschrieben - gezwungenermaßen, nachdem der über Jahre betriebene Gigantismus, mit zerstörten Landschaften und teuren, ungenutzten Investitionsruinen, die oft von den Spielen zurück blieben, in westlichen Ländern nicht mehr vermittelbar ist. Vor allem bei den Winterspielen sprangen zuletzt reihenweise mögliche Ausrichter ab.

Das IOC hat deshalb die sogenannte "New Norm" für Olympia-Bewerbungen in seiner Charta festgeschrieben. Demnach sollen für die Wettkämpfe nach Möglichkeit bereits bestehende Anlagen genutzt werden. Sie können, so die Empfehlung des IOC, auch außerhalb der Gastgeberstadt liegen, ausdrücklich sogar im Ausland.

Schon bei der Olympia-Bewerbung von Mailand-Cortina hatte die Evaluierungskommission des IOC Bedenken hinsichtlich der Pläne für die alte Bobbahn geäußert. Allerdings sprachen die IOC-Inspektoren dabei nur von einer "Renovierung" ("Refurbishment"). Das Reizwort "Neubau" einer Anlage - also etwas, das laut Charta eigentlich nicht mehr erwünscht ist - wurde bewusst vermieden.

Auch während der Hängepartie um die Bobbahn in Cortina hielt sich das IOC bedeckt und überließ die Verantwortung den italienischen Organisatoren. Eine Anfrage der Sportschau, welche Empfehlung das IOC für die Austragung der Bob- und Schlittenwettbewerbe hat, blieb unbeantwortet.

Dass Italiens Olympia-Organisatoren überhaupt so lange am umstrittenen Neubau einer Bobanlage festhielten, war wohl auch eine Frage des drohenden Gesichtsverlusts. Als erste Ausrichternation der olympischen Geschichte sieht sich Italien gezwungen, Wettbewerbe ins Ausland zu verlegen, weil sie die versprochenen Sportstätten nicht vorweisen kann. Dies wurde bei der nationalistischen Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni offenbar als Blamage aufgefasst.

Wilde Spekulationen - Bobwettbewerbe 2026 in Peking?

Inzwischen gilt jedoch auch der Plan B mit Innsbruck nicht mehr als sicher. Der dort anstehende Umbau könnte womöglich auch länger dauern als vorgesehen, berichtete "Corriere della Sera". In italienischen Medien wurde zwischendurch sogar über Pläne spekuliert, die Bob- und Schlittenwettbewerbe 2026 in Peking stattfinden zu lassen, auf der Bahn der vergangenen Winterspiele.

Die Vorstellung, Teams und Equipment für eine Handvoll Wettbewerbe ins Flugzeug nach China zu setzen, würde allerdings die Nachhaltigkeitsversprechen des IOC ad absurdum führen. Die Kalkulation für die Gesamtkosten der Spiele, ursprünglich 1,8 Milliarden Euro, wurde von der italienischen Regierung zuletzt in jedem Fall noch einmal nach oben korrigiert, auf nun 3,6 Milliarden Euro.

Offener Brief setzt FIS-Präsidenten unter Druck

Sven Strowick, Sportschau, 12.02.2023 19:15 Uhr