Die ukrainische Hochspringerin Jaroslawa Mahutschich

Nach Kriegsbeginn geflüchtet Ukrainerin Mahutschich springt um mehr als WM-Gold

Stand: 19.07.2022 13:06 Uhr

Jaroslawa Mahutschich ist die Goldfavoritin im Hochsprung bei der WM in Eugene. Die Ukrainerin ist nach Beginn des russischen Angriffskriegs aus ihrer Heimat geflüchtet. Seitdem springt die 20-Jährige nicht mehr nur um Medaillen, sondern für ein ganzes Volk, das dunkle Zeiten durchmacht.

Von Matthias Heidrich

Als die ersten Bomben auf Dnipro fallen, sitzt Jaroslawa Mahutschich mit ihrer Familie in einem Keller und fürchtet um ihr Leben. Seit dem 24. Februar ist die Welt der ukrainischen Ausnahme-Hochspringerin und die ihrer Landsleute eine andere. Terrorisiert durch Wladimir Putins Bomben geht es für die Ukrainer nun jeden Tag um Leben und Tod.

Im Keller Schutz vor Putins Bomben gesucht

Noch im Keller beschließt Mahutschich zu fliehen. Mitte März steigt sie mit einem Freund und ihrer Trainerin in ein Auto, um ihr Heimatland zu verlassen. Das Ziel: Belgrad, wo die Hallen-Weltmeisterschaften stattfinden. Begleitet von "Explosionen, Bränden und Luftschutzsirenen" schlagen sie sich aus Dnipro im Südosten der Ukraine bis in die serbische Hauptstadt durch.

Schon 100 Leistungssportler sind im Krieg getötet worden, aber ich glaube, dass wir gewinnen und unser altes Leben wiederbekommen. Trotzdem werden wir uns immer an diese schlimmen Zeiten erinnern.
Jaroslawa Mahutschich

Hallen-Weltmeisterin direkt nach der Flucht

60 Stunden Fahrtzeit, mehr als 2.000 Kilometer und kaum Schlaf stecken der 20-Jährigen in den Knochen, als sie in Belgrad ankommt. An ein geregeltes Hochsprung-Training ist erst recht nicht zu denken. Doch Mahutschich gewinnt, wird mit 2,02 m Hallen-Weltmeisterin und widmet ihren Titel den Menschen in der Heimat. "Nach meiner Goldmedaille haben mir viele geschrieben und sich bedankt, dass sie in dieser dunklen Zeit mal wieder lächeln konnten", berichtet die Hochspringerin vier Monate später in Eugene.

"Im Wettkampf müssen wir unsere Emotionen ausschalten"

Der Krieg in der Ukraine ist bei diesen Leichtathletik-Weltmeisterschaften an der Westküste der USA über 9.000 Kilometer weit weg - und doch immer präsent für Mahutschich und die mehr als 20 ukrainischen Sportlerinnen und Sportler, die in Eugene starten. Sie alle müssen zurzeit einen Spagat hinlegen - zwischen den Sorgen um ihre Lieben in der Heimat und dem Funktionieren im Wettkampf.

"Es ist für alle ukrainischen Sportler kompliziert", sagt Mahutschich, die jetzt oft in Deutschland ist, weil ihr Sponsor sie nach Herzogenaurach geholt hat. "Aber im Wettkampf müssen wir unsere Emotionen ausschalten." Wahrscheinlich leichter gesagt als getan.

Der Olmypia-Dritten von Tokio hilft es, dass sie dabei derzeit keine russischen Konkurrentinnen neben sich hat. Der Weltverband World Athletics hatte schon nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine reagiert und Russland sowie Belarus von den Welttitelkämpfen ausgeschlossen. Mahutschich begrüßte die Entscheidung mit drastischen Worten: "Ich möchte im Stadion keine Mörder sehen. Eine Menge russischer Sportler unterstützen den Krieg."

Russische Weltmeisterin Lassizkene darf nicht dabei sein

So wird im WM-Finale am Mittwoch (2.40 Uhr MESZ/im Liveticker bei sportschau.de) die dreimalige Weltmeisterin Marija Lassizkene aus Russland nicht dabei sein. "Vor dem 24. Februar hatten wir eine gute Beziehung, wir haben miteinander gesprochen", sagt Mahutschich in Bezug auf den Tag, an dem Russland in die Ukraine einmarschierte: "Aber dieser Tag hat alles verändert."

Ich will hier so hoch wie möglich springen - für mein ukrainisches Volk.
Jaroslawa Mahutschich

Nicht nur in der Beziehung der beiden Hochspringerinnen. Für Mahutschich sind die Auftritte auf internationaler Bühne nun mehr als Sport, vielmehr eine Mission. "Ich will hier so hoch wie möglich springen - für mein ukrainisches Volk", sagt sie, die nun immer mit blau-gelb geschminkten Augenlidern antritt - den Nationalfarben der Ukraine.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:20 Uhr