Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln, am Spielfeldrand
analyse

Abstieg aus der Bundesliga Die Lage beim 1. FC Köln ist verheerend - und selbst verschuldet

Stand: 19.05.2024 11:48 Uhr

Nach dem hochverdienten Abstieg des 1. FC Köln fällt die Bestandsaufnahme übel aus für die sportliche Leitung. Sie hat den Klub in eine bedrohliche Lage manövriert.

Der Kölner Kader, so viel war schon lange vor der vernichtenden 1:4-Niederlage in Heidenheim klar, war nicht bundesligatauglich. Der Abstieg war deshalb folgerichtig und überfällig - schließlich hatten die zwei Last-Minute-Siege gegen den VfL Bochum und Union Berlin den Untergang nur künstlich verlängert.

Eine Teilschuld tragen die Spieler, von denen nur ganz wenige Normalform erreichten, sowie die Trainer Steffen Baumgart und Timo Schultz. Aber die Hauptverantwortung liegt in der Führungsetage um Sport-Geschäftsführer Christian Keller.

Königstransfer Adamyan enttäuscht

Kellers strikter Sparkurs mag nachvollziehbar gewesen sein angesichts der geerbten schwierigen finanziellen Lage. Aber der Kurs scheiterte, weil die wenigen Zugänge, die sich Keller leistete, überwiegend enttäuschten.

In Kellers erster Transferperiode sollte Sargis Adamyan der Königstransfer sein, die beiden Ex-Regensburger kannten sich aus erfolgreichen Zeiten beim SSV Jahn. Das brachte Adamyan einen komfortablen Vierjahresvertrag beim FC ein, aber er erfüllte die Erwartungen zu keinem Zeitpunkt.

Hector und Skhiri nicht ersetzt

Zur neuen Saison verursachten die Abgänge von Jonas Hector und Ellyes Skhiri, den einzigen beiden Kölnern mit gehobenem Bundesliganiveau, ein riesiges Problem. An ihrer Seite waren andere Spieler aufgeblüht, etwa Florian Kainz, Dejan Ljubicic oder Linton Maina. Alle scheiterten an der Aufgabe, ohne Hector und Skhiri mehr Verantwortung zu übernehmen.

Weil dem Kader die Stützen fehlten, misslang auch, was zuvor unter Baumgart noch funktioniert hatte: ehemals gute Spieler holen, die zuletzt geschwächelt hatten, namentlich Davie Selke und Luca Waldschmidt. Zusammengerührt mit Verletzungspech kamen am Ende nur 28 eigene Saisontore heraus, das ist desaströser Liga-Minuswert.

Abgang von Leistungsträgern droht

Nach dem Abstieg ist zu vermuten, dass Leistungsträger wie Marvin Schwäbe oder Jeff Chabot Ausstiegsklauseln nutzen oder ihren Verkauf anstreben. Zugänge werden lediglich Spieler sein, die aktuell verliehen sind. Niemand darunter hat bisher Bundesliganiveau nachgewiesen.

Die Transfersperre fällt dem FC nun mit allem Gewicht auf die Füße - und sie hätte wohl verhindert werden können. Zwar fand der sanktionierte Transfer von Jugendspieler Jaka Cuber-Potocnik vor Kellers Zeit statt, aber die durchgesickerten Details werfen Fragen auf. Offenbar glaubten die FC-Verantwortlichen zu lange und zu blauäugig an einen Sieg vor Gericht und verpassten dadurch die Chance, sich außergerichtlich mit dem slowenischen Klub NK Olimpija zu einigen.

Fehler bei Transfersperre nicht aufgearbeitet

Neben Keller steht hier auch das Präsidium um Werner Wolf in der Verantwortung. Statt die Vorgänge deutlich zu hinterfragen und auch eigene Fehler zu benennen, stärkte das Präsidium Keller demonstrativ den Rücken, auch für die zweite Liga. Nun dürften auch für Wolf und Kollegen unangenehme Zeiten anbrechen, eine Opposition um Ex-Spieler Dieter Prestin hat sich schon formiert.

Werner Wolf, Präsident des 1. FC Köln

Werner Wolf, Präsident des 1. FC Köln

Was bleibt, ist der Funke Hoffnung, dass der FC in der zweiten Liga erfolgreich auf junge Spieler setzt, womöglich unter einem neuen Trainer - Schultz' Vertrag läuft aus. Im Winter, wenn Transfers wieder möglich sind, könnte der FC klug nachlegen. Und vielleicht schafft ja sogar der 18 Jahre junge Potocnik den Durchbruch - es wäre eine verrückte Wendung.

Eher Abstiegskampf als Aufstiegsträume

Wahrscheinlicher aber ist, dass der finanziell weiter angeschlagene FC vor einer erneut schwierigen Saison steht. Der Blick wird eher nach unten als nach oben gehen müssen. Die Fans, die in dieser Saison viel Geduld hatten, dürften kritischer werden. Und solange die Fehlerkette der vergangenen Jahre nicht transparent aufgearbeitet ist, wird auch das Umfeld nicht zur Ruhe kommen.

Daniel Günther, Sportschau, 18.05.2024 17:27 Uhr