Amnesty International kritisiert die FIFA

Menschenrechtsverletzungen Kritik an FIFA - Bericht zu Katar immer noch nicht veröffentlicht

Stand: 16.05.2024 12:50 Uhr

Die FIFA beschloss vor mehr als einem Jahr eine Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der WM in Katar - Amnesty International kritisiert nun, dass der Bericht bislang nicht veröffentlicht worden ist.

Beim FIFA-Kongress im März 2023 in Ruandas Hauptstadt Kigali hatte der Weltverband angekündigt, eine Untersuchung mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen bei der WM in Katar einzuleiten.

Michael Llamas vom Fußballverband aus Gibraltar ist Vorsitzender des FIFA-Unterausschusses für Menschenrechte und soziale Verantwortung. Er sagte damals: "Der FIFA-Unterausschuss wird eine Bewertung des menschenrechtlichen Erbes des Turniers vornehmen, die auch für die Planung künftiger FIFA-Turniere von Nutzen sein wird."

Mehr als ein Jahr ist vergangen, ein Bericht wurde nicht veröffentlicht. Obwohl Lllamas in Interviews von einer Veröffentlichung noch im Dezember 2023 gesprochen hatte. Im Vorfeld des FIFA-Kongress 2024 am Freitag (17.05.2024) in der thailändischen Hauptstadt Bangkok fordert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, dass die FIFA den Bericht "unverzüglich veröffentlichen und darauf reagieren sollte", auch wenn der Inhalt "eine unangenehme Lektüre für die FIFA sein mag". Amnesty erneuerte die Forderung nach Entschädigungszahlungen für die Arbeiter und die Hinterbliebenen.

WM der Schande - Die Toten

Benjamin Best, Robert Kempe, Jochen Leufgens, Katar - WM der Schande (Staffel 1), 07.10.2022 11:15 Uhr

Amnesty: Ergebnisse liegen seit Monaten vor

Amnesty schreibt, dass der FIFA die Ergebnisse des Berichts seit fünf Monaten vorlägen. "Diese Verzögerung verlängert nur das Leid der Familien, die geliebte Menschen verloren haben, und der Arbeiter, die misshandelt wurden - während die FIFA ihren Flaggschiff-Wettbewerb durchführte", sagte Steve Cockburn, Leiter der Abteilung Arbeitsrechte und Sport bei Amnesty International.

Auf Anfrage der Sportschau teilte ein FIFA-Sprecher mit: "Der Bericht wird derzeit von Interessengruppen geprüft und diskutiert. Die Ergebnisse werden zu gegebener Zeit veröffentlicht, sobald der Überprüfungsprozess abgeschlossen ist." Der Weltverband verwies erneut darauf, dass im Bereich der Arbeitsrechte in Katar große Fortschritte erzielt worden seien.

Arbeiter am Lusail Stadium, Austragungsort des WM-Finales 2022 in Katar

Arbeiter am Lusail Stadium, Austragungsort des WM-Finales 2022 in Katar

Zahlreiche Vorwürfe gegen Katar und die FIFA

Amnesty und andere Menschenrechtsorganisationen kritisieren hingegen, dass die Fertigstellung der Infrastruktur für die WM bei zahlreichen Gastarbeitern zu Verletzungen oder zum Tod geführt habe.

Hinzu kämen unrechtmäßige Vermittlungsgebühren für Arbeiter, ungezahlte Löhne, beschlagnahmte Reisepässe, Einschüchterung, unwürdige Unterkünfte und schlechte Arbeitsbedingungen mit langen Arbeitszeiten. "Hunderttausende Gastarbeiter haben bei der Durchführung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar schweres Leid erlitten", schreibt Amnesty.

Immer wieder sorgten Aussagen der Organisatoren für Empörung. Organisationschef Nasser Al Khater sagte zum Tod eines Arbeiters: "Ich meine, der Tod ist ein natürlicher Teil des Lebens, sei es bei der Arbeit oder im Schlaf." FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach davon, dass die Arbeit für die WM die Artbeiter "stolz macht".

WM-Turnierchef Nasser Al Khater über toten Gastarbeiter

Sportschau, 08.12.2022 13:10 Uhr

Immer wieder Streitpunkt: die Zahl der Toten

Lise Klaveness, Präsidentin des norwegischen Fußballverbands, hatte die Forderung nach Aufklärung maßgeblich vorangetrieben. Eine wichtige Frage: Wie viele Arbeiter sind bei der Turniervorbereitung gestorben? "Wir brauchen eine richtige Einschätzung dessen, was ich 'den Elefanten im Raum' nenne: die wirkliche Zahl der Toten und die Zahl der Verletzten, vor allem aus den ersten Jahren nach der Vergabe", sagte Klaveness.

Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness

Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness

Zu der Zahl der Toten gab es immer wieder unterschiedliche Ansichten, verschiedene Zahlen kursierten und prägten die Diskussion um das Turnier:

  • 15.021: Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International belegen Statistiken der katarischen Behörden, dass zwischen 2010 und 2019 insgesamt 15.021 Personen nicht-katarischer Staatsangehörigkeit gestorben sind. "Wie viele davon Arbeitsmigrant*innen waren, die aufgrund der Arbeitsbedingungen starben, lässt sich aus diesen Daten nicht schließen", teilt Amnesty mit. Der Vorwurf: Die Todesursachen seien sehr oft nicht richtig untersucht worden. Die Zahl bezieht sich nicht alleine auf WM-Baustellen.
  • 6.500: Diese Zahl nannte die britische Zeitung "Guardian". Die Recherche bezog sich dabei auf die Gesamtzahl der verstorbenen Gastarbeiter seit WM-Vergabe nach Katar aus fünf Ländern (Indien, Nepal, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka). Auch diese Zahl bezog sich nie alleine auf WM-Baustellen.
  • 414: Der Generalsekretär des Organisationskomitees, Hassan al-Thawadi, wurde im britischen Fernsehsender "Talk TV" nach einer realistischen Zahl von Gastarbeitern gefragt, die durch ihre Arbeit für die Fußball-Weltmeisterschaft insgesamt ums Leben gekommen sind: "Die Schätzung ist bei 400, zwischen 400 und 500. Ich habe die exakte Zahl nicht", antwortete er. Das Organisationskomitee der WM wies anschließend darauf hin, dass sich die Aussage auf alle arbeitsbedingten Todesfälle landesweit in Katar, für alle Branchen und Nationalitäten im Zeitraum von 2014 bis 2020 beziehe. Diese Zahl liege bei 414.
  • 3: Die FIFA und Katar bezeichnen die hohen Zahlen als falsch und/oder irreführend. Das Organisationskomitee der WM bezieht sich bei seiner Zählung konkret nur auf den Bau der WM-Stadien. Dabei unterscheidet das Komitee den Tod von Menschen in "während der Arbeit" und "nicht während der Arbeit". Nach dieser Zählung sollen insgesamt 40 WM-Arbeiter beim Stadionbau in den vergangenen Jahren gestorben sein, davon 37 "nicht während der Arbeit".