FIS-Präsident Johan Eliasch

Eliaschs Doppelrolle Der FIS-Präsident, seine Firma und die Medien

Stand: 09.02.2023 11:10 Uhr

Chef des internationalen Ski-Verbandes und gleichzeitig verantwortlich für die Geschäfte eines großen Skiherstellers? Johan Eliaschs Doppelrolle wird immer fragwürdiger - sein Umgang mit Journalisten erst recht.

Es war ein zentrales Wahlversprechen: Um Interessenkonflikte zu vermeiden, wollte sich Johan Eliasch als CEO des Ski-Herstellers Head zurückziehen, sobald er FIS-Präsident wird. Nach seiner überraschend deutlichen Wahl an die Spitze des Internationalen Ski- und Snowboardverbandes im Sommer 2021 verkündete er dann auch schnell Vollzug.

"Es war ein Privileg, Head für die vergangenen 25 Jahre zu führen, aber jetzt ist es Zeit für eine neue Aufgabe", ließ sich Eliasch von der FIS zitieren. "Ich überlasse Head in sehr kompetenten Händen mit einem außergewöhnlich starkem Managementteam."

"Verantwortlich für die Geschäftsführung"

Eliasch blieb Eigentümer des Unternehmens und damit in der Position, Einfluss auf die Geschäfte zu nehmen. Aber die Meldung klang dennoch nach einem klaren Schnitt, nach Abschied von Verantwortung. Anders klingt jedoch der kürzlich veröffentlichte Jahresbericht 2021 der Head UK Ltd. Die Firma ist eine Muttergesellschaft mit mehr als 30 internationalen Tochtergesellschaften. Eliasch hat den Jahresbericht am 24. Mai 2022 unterschrieben, also fast ein Jahr nach dem verkündeten Rücktritt. Zwar wird er nicht mehr wie zuvor als "Chief Executive Officer" (CEO) geführt, dafür aber weiterhin als "Chairman of the Board and Director".

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Er ist damit Vorsitzender eines zweiköpfigen Gremiums, dessen Funktion der Jahresreport wie folgt beschreibt: "Die Mitglieder des Board of Directors sind gemeinsam für die Geschäftsführung der Gesellschaft verantwortlich." Ansonsten sind keine Textänderungen ersichtlich, die auf geänderte Verantwortlichkeiten im Konzern hinweisen. Wie im Vorjahr heißt es: "Das Tagesgeschäft wird durch das Managementteam in den Geschäftsbereichen abgewickelt."

Irritierende Reaktion der FIS

Hat Eliasch also zwar den Titel CEO abgegeben, nicht aber die Verantwortung im Konzern? Die Sportschau hat Eliasch über die FIS Fragen geschickt. Die Reaktion ist irritierend. Statt wie allgemein üblich per Mail zu antworten, veröffentlichte der Weltverband unter der Überschrift "Wiederkehrende Fragen zur Rolle von Präsident Eliasch bei Head" die Antworten auf der eigenen Website - inklusive der Fragen und des Namens dieses Journalisten. Dazu die Aussage, in den vergangenen Monaten seien Antworten falsch oder unzureichend wiedergegeben worden.

Konkrete Beispiele nennt die FIS nicht, so bleibt der pauschale Vorwurf völlig unbegründet. Und dass die Sportschau und auch andere Medien wie etwa die "Süddeutsche Zeitung" wiederkehrend nachfragen, sollte den Verband nicht verwundern. Schließlich war die bisherige Kommunikation zu diesem sensiblen Thema, bei dem größtmögliche Transparenz angebracht wäre, lückenhaft.

"Meine Rolle ist die eines Anteilseigners"

Auf erste schriftliche Fragen aus dem März 2022 dazu, dass die Handelsregister in Großbritannien und Österreich Eliasch zum damaligen Zeitpunkt immer noch als "Director" bzw. "Geschäftsführer" bei der Muttergesellschaft und Tochterfirmen listen, reagierte die FIS gar nicht. Im Mai 2022 bot dann eine der wenigen Pressekonferenzen die Möglichkeit, die Frage nach der Rolle bei Head direkt zu stellen.

Eliaschs Antwort ungekürzt: "Ich bin immer noch Aktionär von Head. Ich habe gesagt, dass ich als Chief Executive zurücktreten werde, was ich unmittelbar nach meiner Wahl vor einem Jahr getan habe. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Geschäftsführer und Chief Executive zwei sehr unterschiedliche Dinge sind. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ich bei Head keine Aufgaben im Tagesgeschäft habe, überhaupt keine. Meine Rolle hier ist die eines Anteilseigners."

Eliasch bestritt also nicht, dass er damals weiterhin Geschäftsführer verschiedener Tochterfirmen war. Berichtet darüber hat die Sportschau in der Folge nicht. Das Thema bekam aber im Dezember neue Brisanz.

Schröcksnadel kritisiert Eliasch

Der langjährige Präsident des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) Peter Schröcksnadel sagte gegenüber der Sportschau, er fühle sich getäuscht. Er habe Eliasch bei dessen Wahlsieg 2021 nur unter der Voraussetzung unterstützt, dass er sich bei Head zurückziehe. "Er hat zu mir gesagt, er legt alles nieder. Leider hat er bis jetzt nichts niedergelegt. Mag sein, ganz oben, als CEO, aber das hilft ja nichts. Unterschreiben tust du ja überall unten."

Geschäftsführer, aber keine Aufgaben im Tagesgeschäft? Das ist laut Johannes Mitterecker für die österreichischen Beteiligungsgesellschaften nicht unproblematisch. Der österreichische Jurist ist Experte für Gesellschaftsrecht und sagte der Sportschau: "Der einzelne Geschäftsführer tritt für die Gesellschaft nach außen auf und trifft regelmäßig die Entscheidungen für die Gesellschaft. Er ist daher grundsätzlich für das Tagesgeschäft verantwortlich. Mehrere Geschäftsführer können die Aufgaben zwar untereinander aufteilen, dies befreit die einzelnen Geschäftsführer aber nicht von ihren Kerntätigkeiten."

Später Rücktritt als Geschäftsführer von Tochterfirmen

Ende Dezember wollte die Sportschau deshalb von Eliasch wissen, ob er immer noch zu seiner Aussage stehe, keine Aufgaben im Tagesgeschäft zu haben, obwohl er als Geschäftsführer gelistet sei. Die FIS antwortete darauf schriftlich: "Johan Eliasch ist bei Head nicht in das Tagesgeschäft eingebunden. Sein Fokus liegt auf der FIS und wie wir den Schneesport in Zukunft erfolgreich und nachhaltig gestalten können. Er ist als Geschäftsführer aller operativen Tochtergesellschaften von Head zurückgetreten, was im Firmenbuch noch aktualisiert werden muss." Die FIS versendete diese Antwort am 3. Januar 2023.

Anschließend ging die Aktualisierung ganz schnell. Einen Tag später unterschrieb ein Notar Firmenbuch-Anmeldungen, denen zufolge Eliasch als Geschäftsführer vierer Tochterfirmen in Österreich zurückgetreten sei. Am 18. Januar wurde das Firmenbuch entsprechend aktualisiert. Eliaschs Erklärungen, dass er "aus wichtigen persönlichen Gründen" als Geschäftsführer zurücktrete, sind datiert auf den 18. Oktober 2022.

"Kein Grund, die Rolle als Vorsitzender oder Direktor zu erwähnen"

Vor einer Berichterstattung über diese Zusammenhänge wollte die Sportschau von Eliasch noch wissen, warum er seine Position als Vorsitzender des Board of Directors bei der Muttergesellschaft auf der Pressekonferenz im Mai 2022 nicht erwähnt habe. Damals nannte er nur seine Rolle als Anteilseigner.

Die nun veröffentlichte Antwort: "(…) Er (Eliasch, d. Red.) hat in seinem Wahlmanifest deutlich gemacht, dass er im Falle seiner Wahl zum FIS-Präsidenten als Chief Executive Officer zurücktreten würde, und das hat er auch getan. Es versteht sich von selbst, dass ein Rücktritt als Chief Executive Officer nicht bedeutet, dass er auch als Vorsitzender oder als Direktor zurücktritt. Er hatte weder die Pflicht noch einen Grund, seine Rolle als Vorsitzender oder Direktor ausdrücklich zu erwähnen, was sowieso eine öffentlich zugängliche Information war. Es sei darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Pflichten von Direktoren britischer Unternehmen nicht dieselben sind wie die gesetzlichen Pflichten von Unternehmen in vielen anderen Ländern, eine Tatsache, die Sie (dieser Journalist, d. Red.) weiterhin ignorieren. Präsident Eliasch hat alle täglichen operativen Aufgaben innerhalb der Head Group abgegeben und konzentriert sich voll und ganz auf die Modernisierung von FIS."

Eliaschs CEO-Rücktritt "ein Kunstgriff"?

Unterschiede zwischen den Unternehmensstrukturen in Zentraleuropa und Großbritannien sind unbestritten. Fakt ist aber auch, dass Eliasch als FIS-Präsident noch rund 16 Monate lang Geschäftsführer von Tochterfirmen in Österreich war, dazu weiterhin eine verantwortungsvolle Position in der Muttergesellschaft innehat. Wie passt das zusammen mit der Aussage: "Ich überlasse Head in sehr kompetenten Händen?"

Stefan Schwarzbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Skiverband, sagte auf Sportschau-Anfrage, er könne sich an den genauen Wortlaut von Eliaschs Wahlversprechen nicht erinnern. "Aber die Botschaft war eindeutig: Wenn ich FIS-Präsident werde, gebe ich die gesamte Verantwortung bei Head ab, um jeden Interessenkonflikt zu vermeiden." Mittlerweile erscheine der offiziell kommunizierte Rücktritt als CEO wie ein Kunstgriff, sagte Schwarzbach. "Allem Anschein nach ist Herr Eliasch nach wie vor derjenige, der bei Head in höchster verantwortlicher Position das Sagen hat, unabhängig vom genauen Titel. Ein Interessenkonflikt mit seinem Amt als FIS-Präsident wäre in dem Fall ohne Frage vorprogrammiert."

FIS-Richtlinien für Interessenkonflikte

Auch Schröcksnadel reagierte irritiert. "Er hat zu mir gesagt, er ziehe sich auf die Rolle als Anteilseigner zurück. Das ist für mich ein Taschenspielertrick. Wenn ich mich als CEO zurückziehe, dann muss es neue Geschäftsführer geben. Aber da hat sich ja gar nichts verändert."

Die FIS schreibt zu möglichen Interessenkonflikten: "Präsident Eliasch hält sich jederzeit an alle Aspekte des FIS-Ethikkodex. Wann immer ein potenzieller Interessenkonflikt besteht, zieht sich Präsident Eliasch zurück."

Die FIS führt in ihren Richtlinien zwei mögliche Konflikte auf: Interessen- und Pflichtenkonflikte. Letztere wären der Fall, wenn eine Partei zum Beispiel als Angestellter oder Aktionär einer anderen Stelle gegenüber eine Pflicht hat, die im Widerspruch steht zur Pflicht, im besten Interesse der FIS zu handeln. Diese Art von Konflikt könne laut Richtlinie auch als Loyalitätskonflikt bezeichnet werden.

FIS-Mitarbeiter tragen von Head produzierte Kleidung

Eliaschs Doppelrolle ist an mehreren Stellen heikel, zum Beispiel beim Buhlen der Skimarken um die Topstars. Hat Head vielleicht Vorteile, wenn der Inhaber und Direktor gleichzeitig FIS-Präsident ist? Wie neutral kann Eliasch in Streitfragen sein? Die Skimarken rühmen sich ausgiebig mit den Erfolgen ihrer Profis, für Head fahren zahlreiche Stars wie Super-G-Olympiasiegerin Lara Gut-Behrami oder Alpin-Doppelweltmeister Vincent Kriechmayr.

FIS Renndirektor Hannes Trinkl (l) und Chef Renndirektor Markus Waldner beim Skialpin Weltcup.

Solche Fragen werden bisher nur hinter vorgehaltener Hand gestellt. Öffentlich ist dagegen die Diskussion darum, warum ausgerechnet Head in dieser Saison die FIS-Mitarbeiter mit Kleidung ausgestattet hat. 243.850 Euro hat der Verband für die logofreie Kleidung der rund 120 FIS-Offiziellen bezahlt - das berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am 1. Februar. War dies wirklich der bestmögliche Deal für den Verband?

FIS veröffentlicht Kontaktdaten von Journalisten

Die FIS reagierte auf eine gemeinsame Anfrage der "SZ", der "Salzburger Nachrichten" und der "Kleine Zeitung" aus Österreich wie später auch bei der Sportschau: mit einer Vorab-Meldung auf der eigenen Website, sogar inklusive angehängter E-Mail der Journalisten. Erst nach einer Reaktion der "SZ" schwärzte die FIS nachträglich die Kontaktinformationen.

Die Argumentation der FIS zum Kleidungs-Deal: Weil ein passendes Angebot fehlte und die Pandemie Lieferschwierigkeiten mit sich brachte, half Head in der Not aus. Laut "SZ"-Recherchen hatte es jedoch mindestens ein weiteres Angebot gegeben, das die FIS aber als unzureichend abgelehnt habe.

Eliaschs Anweisung

Auch die Sportschau hatte die FIS Ende 2022 gefragt, wie Head den Auftrag bekommen habe. Der Verband antwortete am 3. Januar, es seien keine anderen Angebote eingegangen, und, Zitat: "Johan Eliasch wies Head an, kein Head-Branding anzubringen und den Preis unter den direkten Kosten zu halten."

Der Arm des FIS-Präsidenten scheint also noch ziemlich weit zu reichen.