Tennis-Star seit Oktober suspendiert Urteil im Dopingfall Halep steht bevor
Nach ARD-Informationen steht eine Entscheidung im wohl größten Dopingfall der Tennisgeschichte unmittelbar bevor. Der Umgang mit der Rumänin Simona Halep könnte Konsequenzen für den weltweiten Kampf für sauberen Sport haben.
Im Mai wurde es Nicolae Ciucă zu bunt. Der rumänische Premierminister sprach ein Machtwort und erklärte Tennis-Star Simona Halep in ihrem Dopingfall kurzerhand für unschuldig. "Es ist die Pflicht aller rumänischen Bürgerinnen und Bürger, sie zu unterstützen", ließ Ciucă mit Blick auf neue Vorwürfe gegen seine nationale Sportbotschafterin ausrichten. Halep, in Rumänien eine Art Nationalheilige und zu diesem Zeitpunkt schon für sieben Monate gesperrt, konnte die Rückendeckung von höchster Stelle nur allzu gut gebrauchen.
Im Oktober 2022 war die ehemalige Weltranglistenerste wegen eines positiven Dopingtests bei den US Open suspendiert worden. Niemand konnte damals ahnen, dass der Fund des verbotenen Nierenmedikaments Roxadustat nur die erste Etappe in dem Fall darstellte. Im Mai weitete er sich zum wohl größten der Tennisgeschichte aus. Denn die zuständige International Tennis Integrity Agency (ITIA) wirft der 31 Jahre alten Halep seitdem einen weiteren Anti-Doping-Verstoß vor. Auffällige Werte in Haleps Blutpass, so die Behörde, seien auf langfristiges Doping zurückzuführen.
Nach Informationen der ARD-Dopingredaktion hat mittlerweile eine Anhörung zu beiden Sachverhalten stattgefunden. Eine Entscheidung über das Strafmaß unter Berücksichtigung der Gesamtsituation könnte schon in der kommenden Woche bekannt gegeben werden. Halep bleibt danach noch die Option, den Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne anzurufen.
Viel Unterstützung für Halep
Nicht nur in ihrer Heimat, wo in der Riege der Sportstars wohl nur Turnlegende Nadia Comaneci noch größeren Kultstatus genießt, erhält Halep trotz aller Vorwürfe weiterhin viel Unterstützung. Auch in der Tennis-Community fehlt es ihr nicht an Rückhalt. Große Rivalinnen wie die Australierin Ashleigh Barty oder die Weltranglistenerste Iga Świątek äußerten sich wohlwollend. Die von Rekord-Champion Novak Djokovic gegründete Athletenvertretung PTPA bot schnell Hilfe an.
Es war, als rückte die Szene wegen einer vermeintlich ungerechtfertigten Attacke auf eines ihrer Aushängeschilder enger zusammen. Doch sehr viele Diskussionen über den Fall Halep blieben oberflächlich, die inhaltlich substanziellen Anschuldigungen wurden gerne vernachlässigt. Das bei Halep nachgewiesene Mittel Roxadustat steht nicht von ungefähr auf der Verbotsliste. Wie der Doping-Klassiker Epo steigert es die Produktion roter Blutkörperchen und somit die Ausdauer-Leistungsfähigkeit.
Fehler des Herstellers?
Haleps Verteidigungsstrategie konzentrierte sich auf unbeabsichtigte Kontamination. Nach Monaten des Schweigens erklärte die ehemalige French-Open- und Wimbledon-Siegerin im April in einem Interview mit der Website "Tennis Majors", dass ein Nahrungsergänzungsmittel verunreinigt gewesen sei. Der Hersteller habe einen Fehler gemacht.
Der Verweis auf Kontamination ist eine bei Dopingsündern zunehmend verbreitete Verteidigungsmaßnahme, der für Athletinnen und Athleten zur Entlastung zwingend notwendige Nachweis jedoch schwierig. Details zur angeblichen Verunreinigung machte die Halep-Seite nicht öffentlich. "Mir ist bisher kein Präparat bekannt, das eine Kontamination mit Roxadustat aufgewiesen hat", sagte Mario Thevis, Leiter des renommierten Kölner Doping-Kontrolllabors, der ARD-Dopingredaktion: "Das heißt aber nicht, dass es diese Präparate nicht geben kann."
Im Frühjahr wuchsen bei Halep Frustration und Ärger, weil der Termin für eine Anhörung sich immer wieder verzögerte. Im Mai wurde klar, warum: Die ITIA machte das zweite Doping-Verfahren gegen Halep aufgrund verdächtiger Werte im Athleten-Blutpass (ABP) öffentlich. Wie im legendären ersten großen Blutpass-Fall um Eisschnelllauf-Ikone Claudia Pechstein führten die Ankläger bei Halep nun den indirekten Doping-Nachweis an. Ein weiterer positiver Test lag also nicht vor. Der Vorwurf, langfristiges Doping, wog allerdings noch wesentlich schwerer als der nach dem isolierten Roxadustat-Befund erhobene.
Halep spricht von "Belästigung"
Halep schäumte vor Wut. Sie lebe ihren "schlimmsten Albtraum", fühle sich angesichts "solcher Belästigungen hilflos". In einer ausführlichen Erklärung gab Halep an, dass "drei weltbekannte Experten, die mein Blut untersucht haben, äußerst klar zum Ausdruck gebracht haben, dass es völlig normal ist". Diese Experten hatte allerdings ihre Verteidigung beauftragt. Die Sachverständigen der Anti-Doping-Behörde kamen zu einem völlig anderen Ergebnis.
Aber das Fehlen eines positiven Tests als Beweismittel macht es auch den Anklägern schwer. Nicht zuletzt wegen des immer noch andauernden Kampfes der fünfmaligen Olympiasiegerin Pechstein gegen ihre vermeintliche "Unrechtssperre" aus dem Jahr 2010 schrecken Weltverbände und Anti-Doping-Institutionen vor der Anwendung des indirekten Nachweises zurück. In Deutschland beispielsweise hat die Nationale Anti-Doping Agentur noch nie ein Verfahren allein auf Grundlage des ABP geführt.
Neuer Schwung für ABP-Fälle?
Im Vergleich zu Fällen, die nach positiven Dopingbefunden eröffnet werden, ist der Anteil an reinen ABP-Verfahren noch immer verschwindend gering. Dabei hatte der Sport bei der Einführung der ersten Blutpass-Leitlinien im Jahr 2009 große Hoffnungen in das neue System gesetzt. Es sollte helfen, endlich den Abstand zwischen Dopingsündern und -jägern zu verkürzen.
In der Praxis führen Unregelmäßigkeiten im Blutpass heutzutage in der Regel allenfalls zu Zielkontrollen bei betreffenden Athleten - in der Hoffnung, doch noch eine illegale Substanz in Blut oder Urin zu finden. Experte Thevis, immerhin, verweist auf den Wert des ABP beim Nachweis illegaler Bluttransfusionen.
Der Fall Halep und die Folgen könnten dem indirekten Nachweisverfahren nun neuen Schwung verleihen - oder aber einen weiteren herben Rückschlag einbringen. Den Fans des Tennis-Stars dürfte dieser Aspekt allerdings herzlich egal sein.