Die Spielerinnen des SV Werder Bremen bejubeln ihren Sieg im Weser-Stadion mit den Fans.

buten un binnen Wie ein "idealistischer Weiberhaufen" Frauen-Fußball zu Werder brachte

Stand: 09.03.2024 06:20 Uhr

Jahrzehntelang sperrte sich Werder gegen ein Frauen-Fußballteam. Obwohl die Bremerinnen inzwischen die Bundesliga aufmischen, sind die Bedingungen weiter alles andere als ideal.

Von Helge Hommers, Niko Schleicher, Felix Ilemann und Stephan Schiffner

Alles begann mit einem Casting. Als Werder im Jahr 2007 das Projekt "Frauen-Fußball" ins Leben rief, war das Interesse riesig. 270 Spielerinnen bewarben sich für ein Probetraining bei den Grün-Weißen, selbst aus Kamerun und den USA kamen Anmeldungen. "Das war wirklich ein Battle", erinnert sich Chadia Freyhat, spätere Werder-Kapitänin und -Trainerin, im Gespräch mit buten un binnen.

Es war schon eine Sensation, dass ein Bundesligist aus der Region gesagt hat: "Wir machen das jetzt."
(Ex-Werder-Spielerin Chadia Freyhat)

Frauen-Verbot in den DFB-Vereinen

Die Werder-Frauen stellen sich bei ihrer Vorstellung zu einem Mannschaftsfoto auf.

Lang ist es her: Im Jahr 2007 stellen sich die neuformierten Werder-Frauen der Presse vor.

Bis zum Frauen-Fußball bei Werder war es jedoch ein weiter Weg. Einstimmig hatten die hohen Herren des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) im Jahr 1955 beschlossen, Frauen-Abteilungen in den Vereinen zu verbieten. Erst 15 Jahre später nahm der DFB die Förderung des Frauen-Fußballs in seine Satzung auf. In Bremen gab es in den 1970er-Jahren rund 15 Frauen-Teams, darunter eines bei Werder. Die Grün-Weißen zogen 1974 sogar in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft ein.

Vor der Abfahrt wollte der damalige Vize-Präsident Klaus-Dieter Fischer die Fußballerinnen verabschieden. Doch im Bus saßen nur acht Spielerinnen, erzählt Fischer: "Und dann sagte man mir: 'Die hat Urlaub genommen, die eine ist krank geworden, die andere ist schwanger.'" Der Vize-Präsident war entsetzt.

Da habe ich aus Wut gesagt: "Das kann nicht angehen. Wir spielen um die Deutsche Meisterschaft und dann passiert so was. Solange ich bei Werder was zu sagen habe, gibt es keinen Frauenfußball."
(Werder-Ehrenpräsident Klaus-Dieter Fischer)

Bis der Wind sich drehte, dauerte es. Dass Fischer und Werder ihre Meinung änderten, ist vor allem der Verdienst von Ulrike Hauffe. Die frühere Bremer Landesfrauenbeauftragte legte sich mit den Grün-Weißen an. "Wir haben eine öffentliche Inszenierung dieses Konfliktes gemacht", so Hauffe.

Die Frauenbeauftragte sorgt für öffentlichen Druck

Die vorgebrachten Argumente, es gebe nicht genügend Platz, keine getrennten Toiletten und Werder würde anderen Vereinen die Spielerinnen abgreifen, ließ Hauffe nicht zu. "Wo Ungerechtigkeit ist, bin ich auf der Pirsch", so Hauffe. Sie sorgte für öffentlichen Druck, der Werder schließlich umstimmte.

Es gab in der Zwischenzeit einen Konsens in dieser Stadt — und der wurde laut.
(Ulrike Hauffe, frühere Bremer Landesfrauenbeauftragte)

Mit dem neu gegründeten Team hatte Werder große Pläne: "Wir haben uns gesagt: 'Wir machen keinen Frauenfußball in der Breite, sondern wollen gleich auf die Spitze gehen'", erzählt Ehrenpräsident Fischer. Die Ambitionen des Vereins stießen auf fruchtbaren Boden. "Wir waren ein idealistischer Weiberhaufen", erinnert sich Birte Brüggemann, Leiterin Frauen-Fussball bei Werder.

Wir sind wirklich für Werder gelaufen. Da gab es noch keine Verträge. Wir haben tolle Feiern und wahnsinnig viel Spaß gehabt.
(Birte Brüggemann, Leiterin Frauen-Fussball bei Werder)

Werder-Frauen auf Anhieb erfolgreich

Die Werder-Frauen bejubeln ihren Aufstieg im Jahr 2015.

Im Jahr 2015 stiegen die Werder-Frauen erstmals in die Bundesliga auf. Der Jubel fiel entsprechend groß aus.

Vom Start weg waren die Werder-Frauen erfolgreich: Innerhalb von acht Jahren stiegen die Bremerinnen von der Verbandsliga in die Bundesliga auf, etablierten sich im Oberhaus. Aktuell liegt das Team von Trainer Thomas Horsch auf Tabellenplatz fünf, ist somit stark wie nie. Auch das Interesse von außen ist über die Jahre gewachsen. "Als ich angefangen habe, waren hier gefühlt 50 Zuschauer — und 40 davon Eltern und Freunde. Jetzt sind auf Platz 11 regelmäßig 500 bis 1.000 Zuschauer da", sagt Werder-Eigengewächs Michelle Ulbrich.

Das ist ein riesiger Wandel. Daran sieht man auch, dass der Frauenfußball in Bremen ganz viel Anerkennung findet.
(Werder-Eigengewächs Michelle Ulbrich)

Beim 3:0-Gastspiel im Weser-Stadion gegen den 1. FC Köln liefen die Bremerinnen gar vor 21.500 Fans auf. Für frühere Werder-Spielerinnen ein undenkbares Erlebnis.

Wir haben uns hochgenommen und gesagt: "Wenn wir einmal auf dem heiligen Rasen spielen wollen, müssen wir ins Stadion einbrechen." Das war immer ein Running Gag bei uns.
(Ex-Werder-Spielerin Chadia Freyhat)

Geld zurücklegen ist schwierig für die Werder-Frauen

Im Umfeld hat sich ebenfalls viel getan. Dass alle Spielerinnen zweimal am Tag trainieren können, war nicht immer der Fall. "Es gab Zeiten", erzählt Ulbrich, "da haben wir morgens mit fünf Leuten auf dem Platz gestanden, weil die anderen gearbeitet haben." Diese Zeiten sind mittlerweile vorbei. "Aktuell muss keine Spielerin mehr nebenbei Geld verdienen", sagt Werder-Geschäftsführer Frank Baumann, der seit zwei Jahren für die Werder-Frauen verantwortlich ist.

Man kann aber auch nicht so viel Geld zurücklegen, dass man nach der Karriere nicht mehr arbeiten muss.
(Werder-Geschäftsführer Frank Baumann)

Anders gesagt: Reich werden die Bremerinnen mit ihrem Sport noch nicht. "Deswegen muss man gucken, dass man während der Karriere noch einen anderen Grundstein legt", so Ulbrich. Die 27-Jährige geht daher zusätzlich 20 Stunden pro Woche arbeiten. In Werders IT-Abteilung konfiguriert sie Computer und Laptops.

Mir tut es einfach gut, wenn man sich nicht den ganzen Tag mit Fußball beschäftigt.
(Werder-Eigengewächs Michelle Ulbrich)

Frauen-Budget hat sich innerhalb von drei Jahren verdoppelt

Das Saisonbudget der Werder-Frauen liegt inzwischen bei 1,5 Millionen Euro. Obwohl sich der Etat somit innerhalb von nur drei Jahren verdoppelt hat, ist die Summe noch weit von den 40 Millionen Euro der Werder-Männer entfernt. "Wir müssen infrastrukturell wahnsinnig schnell nachlegen", sagt Abteilungsleiterin Brüggemann.

Die Werder-Frauen sind zwar dankbar, dass sich viel tut, allerdings zählt die Abteilung nur acht hauptamtliche Mitarbeiter. "Wir haben viele fleißige Bienchen, sind personell aber komplett unterstrukturiert", so Brüggemann. Trotzdem blickt das Werder-Urgestein optimistisch in die Zukunft.

Grundsätzlich wird die Entwicklung im Frauenfußball nach oben gehen. Wir werden nicht Männerfußball 2.0, aber wir gehen mit ein paar Schritten in diese Richtung.
(Birte Brüggemann, Leiterin Frauen-Fussball bei Werder)

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Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 5. März 2024, 19:30 Uhr