Im Bild die Judosportlerinnen Anna Maria Wagner (l) und Alina Böhm.

Judoka Böhm und Wagner im Duell Weltmeisterin können beide werden - zu Olympia kann nur eine

Stand: 20.05.2024 13:19 Uhr

Anna Maria Wagner und Alina Böhm sind herausragende Judoka aus Deutschland. Bei den Olympischen Spielen in Paris darf allerdings nur eine starten - es läuft auf einen packenden Zweikampf um die Qualifikation hinaus.

Von Florian Kurz

Es ist ein packendes Duell. Zwei deutsche Top-Athletinnen streiten um ein Olympia-Ticket. Anna-Maria Wagner, ehemalige Weltmeisterin, und Alina Böhm, zweimalige Europameisterin. Beide starten in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm. Die Judo-Weltmeisterschaft (19. bis 24. Mai) in Abu Dhabi bildet den Schlusspunkt ihres intensiven Kampfes um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris.

Bei der Weltmeisterschaft dürfen beide starten, bei Olympia nur eine von Ihnen. "Das ist ziemlich hart, weil wir beide bei Olympia Medaillen-Kandidatinnen wären", sagt Böhm. Keine Übertreibung, denn die Kölnerin gehört, genauso wie ihre Konkurrentin Wagner, zu den erfolgreichsten Judo-Sportlerinnen des Jahres 2024 weltweit. Beide strahlen in diesen Tagen jede Menge Selbstvertrauen aus.

Nicht von ungefähr, denn bei fast allen internationalen Wettkämpfen belegten die zwei immer nur Topplätze. Anfang Mai, beim letzten Grand-Slam-Turnier vor der WM, hieß die Siegerin Wagner, die Silber-Medaillengewinnerin Böhm. Entsprechend optimistisch blickt Anna-Maria Wagner auf die Weltmeisterschaft in Abu Dhabi, fühlt sich "punktgenau fit", denkt, dass sie "ganz oben mitmischen kann". Auch Alina Böhm beantwortet die Frage, ob sie gerade so stark sei wie noch nie auf der Judo-Matte, mit einem klaren "ja".

Tägliches gemeinsames Training

Alles könnte perfekt sein. Zu beider Leidwesen jedoch gibt es in jeder Gewichtsklasse nur einen Olympia-Startplatz pro Land für die Spiele in Paris. Anna-Maria Wagner ist aktuell die Nummer drei des weltweiten Olympia-Rankings, Alina Böhm die Nummer fünf. Entschieden ist der Zweikampf noch nicht. Es könnte sogar passieren, dass Böhm Weltmeisterin wird, in der Punkte-Wertung aber weiterhin ihre Konkurrentin vorne liegt.

Keine einfache Situation auch für Claudiu Pusa. "Beide haben das Champions-Gen, beide sind super fokussiert und liefern ihre Resultate auf den Punkt", beschreibt der Bundestrainer die Qualitäten seiner Sportlerinnen. Besonders pikant dabei, beide Konkurrentinnen trainieren am Olympia-Stützpunkt in Köln, begegnen sich so praktisch jeden Tag. Messen sich beim Randori, wie die Übungskämpfe im Judo genannt werden.

Judoka Alina Böhm will zu den Olympischen Spielen in Paris

Judoka Alina Böhm will zu den Olympischen Spielen in Paris

Um möglichst objektiv urteilen zu können, hat der Verband beide Athletinnen seit Jahresbeginn immer bei den gleichen Turnieren starten lassen. Absolute Chancengleichheit. Dadurch ist aber auch eine Wettkampf-Intensität entstanden, wie sie sonst im Alltag der Sportart eher selten vorkommt. Sieben große Turniere werden die zwei, einschließlich der Weltmeisterschaft, vor Olympia gekämpft haben. Zum Vergleich: Vor den Spielen in Tokio bestritt die spätere Bronze-Medaillen-Gewinnerin Anna-Maria-Wagner nur deren vier.

Große Belastung

"Jedes Mal der Reisestress, verschiedene Zeitzonen, das Konzentrieren, das Hochfahren, das Gewicht machen, die körperliche Belastung im Wettkampf. Irgendwann ist das too much", verdeutlicht Pusa seine Sorgen. Bisher war davon jedoch nichts zu sehen auf der Matte. Vor allem Wagner präsentierte sich extrem konstant. Sämtliche Wettkämpfe, an denen sie teilnahm, beendete sie auf dem Podest.

Zwei wichtige Grand-Slam-Turniere konnte die gebürtige Ravensburgerin gewinnen. "Das hat viel Kraft gekostet. Aber, da es sehr gut lief, hat es auch mein Selbstvertrauen gestärkt, dass ich zu den Top-Judoka der Welt gehöre", beschreibt die Ex-Weltmeisterin ihre aktuelle Gefühlslage.

Für die 28-Jährige ist ein solcher Zweikampf um das eine Olympia-Ticket kein Neuland. 2021, vor den Spielen von Tokio, hieß ihre Gegnerin Luise Malzahn. Damals jedoch war es nicht ganz so knapp. Und es war eine Konkurrentin, die ihr nicht jeden Tag im Training begegnete. "Aus meiner Sicht ist es schon ein großer Vorteil für Anna-Maria, dass sie solch eine Situation kennt. Allerdings ist es dieses Mal andersherum. Dieses Mal ist sie die Etablierte und Alina die Verfolgerin", die Einschätzung des Bundestrainers.

"Der Druck ist übermächtig groß"

Doch ihre Gegnerin hat ebenfalls noch große Hoffnungen, in Paris auf die Matte gehen zu dürfen. Verständlicherweise. Denn Alina Böhm schaffte es ebenfalls bei vier der bisher sechs Wettkämpfe, auf dem Podest zu stehen. Bei den beiden übrigen unterlag sie im direkten Duell gegen Anna-Maria Wagner. Einer Kontrahentin, auf die sie bei Olympia, im Falle ihrer Qualifikation, ja nicht treffen könnte. "Der Druck ist übermächtig groß. Es ist brutal", gibt Böhm einen emotionalen Einblick, wie sie diese monatelange, fast schon erbarmungslose Anspannung erlebt. "Immer fit sein zu müssen, immer Vollgas geben, immer vorn dabei zu sein. Das kostet viel Energie."

Vor der Weltmeisterschaft in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate trennen beide Sportlerinnen 1.167 Punkte im Qualifikations-Ranking. Die besseren Karten hat nach jetzigem Stand Wagner. Doch 2.000 Punkte bekommt eine Judo-Sportlerin für den Gewinn des WM-Titels. Wird Böhm Weltmeisterin und Wagner nur Fünfte, zöge die Jüngere in der Wertung noch vorbei. Hochspannung ist also garantiert.

Am Montag nach der Weltmeisterschaft wird der Judo-Verband seine Vorschläge für Olympia beim DOSB einreichen. Im Moment vermag noch niemand zu sagen, welcher Name dann auf der Liste für die 78-Kilogramm-Gewichtsklasse bei den Frauen stehen wird.