Hockey-EM "Equally Amazing" - Hockey will Gleichberechtigung vorleben
Bei der Hockey-EM leiten erstmals gemischte Schiedsrichterteams die Spiele bei einem großen internationalen Turnier. Diese Konstellation ist im Hockey allerdings kein Novum.
Dass Michelle Meister als Schiedsrichterin auch Hockeyspiele der Männer pfeift, ist für sie nichts Ungewöhnliches. Dass sie diese Chance nun auch bei einer Europameisterschaft, ihrer sechsten, bekommt, ist neu. Die Reform weckt aber auch Bedenken.
Allerdings hat der europäische Hockey-Verband EuroHockey gewichtige Argumente. "Ich habe beobachtet, dass einige Männer besser pfeifen, wenn sie gemeinsam mit einer Frau das Spiel leiten", sagte die scheidende EuroHockey-Präsidentin Marijke Fleuren im Gespräch mit der Sportschau. "Die Männer müssen sich nicht so beweisen, es gibt weniger Konkurrenz auf dem Platz. Ich bin eine große Verfechterin davon, dass wir zusammen einfach besser sind und voneinander profitieren."
Anders als beim Fußball, leiten beim Hockey zwei Schiedsrichter eine Partie. Und bei dieser Europameisterschaft in Mönchengladbach soll möglichst ein gemischtes Gespann auf dem Platz stehen. Bei den Spielen der Männer genauso wie bei denen der Frauen. Es ist aber kein Muss, die Voraussetzungen wie beispielsweise Erfahrungswerte oder Nationalität sollen zur jeweiligen Ansetzung passen.
"Für uns Frauen ist das eine Herausforderung, die wir annehmen sollten, damit wir uns verbessern", meint Meister. In der Bundesliga sind Mixed-Teams seit je her gang und gäbe. Und was ist bei den Männerspielen anders? "Für mich macht das Tempo durch die Physis der Männer den größten Unterschied aus."
Europäischer Hockey-Verband will Vorbild sein
Grund für die Mixed-Teams auf internationalem Parkett ist die Initiative der EuroHockey "Equally Amazing" (sinngemäß: gleichermaßen großartig). "Wir sind nur glaubhaft, wenn wir auch zeigen, dass wir gleichberechtigt handeln", sagte Fleuren. Veranstaltungen wie die EM der Frauen und Männer in Mönchengladbach gehören zur gelebten Gleichberechtigung im Hockey dazu – beiden Geschlechtern wird dieselbe Bühne geboten.
Der europäische Verband will sich als Vorbild für Gleichberechtigung der Geschlechter im Sport etablieren. 2019 schlossen sich alle 43 europäischen Nationalverbände der Charta an. "Uns war klar, dass wir keinen Einfluss auf Trainerbesetzungen haben. Aber bei unseren Offiziellen und Schiedsrichtern haben wir den und da wollen wir eine Balance schaffen", sagte die 72-Jährige, die das Präsidentschaftsamt zwölf Jahre lang ausübte.
Während im Fußball Stéphanie Frappart als erste Frau 2020 ein Champions-League-Spiel der Männer leitete, setzte die EuroHockey zwei Jahre früher erstmals eine Schiedsrichterin bei der europäischen Klubmeisterschaft EHL der Männer ein. Die Pionierin: Michelle Meister. "Das war eine große Ehre für mich, weil noch nie eine Frau gemeinsam mit einem Mann eine internationale Herrenpartie gepfiffen hatte", sagte die Weltschiedsrichterin von 2018.
Hockeyspieler äußern Bedenken zu Reform
Progressiv mag der Schritt auf internationalem Parkett sein, aber mit ihm gehen auch Bedenken einher. Hinter verschlossenen Türen gibt es auch bei den deutschen Nationalteams kritische Stimmen. Ein Spieler, der nicht namentlich genannt werden möchte, sagte der Sportschau, er befürchte, dass einige Schiedsrichterinnen mit dem Tempo im Männer-Hockey noch etwas überfordert seien. Das treffe nicht auf alle zu, aber in der Breite genüge die Leistung nicht. Bei den Frauen besteht unterdessen die Sorge, dass gerade die Schiedsrichterinnen, die sich durch ihre sehr guten Leistungen hervortun, direkt zu den Männerspielen abgezogen werden.
"Es gibt immer Ängste bei Veränderung", reagierte Fleuren auf die Befürchtungen der Spieler. Meister hingegen konnte vor allem die Sicht der Hockeyspielerinnen verstehen: "Ich kann das absolut nachvollziehen." In der Bundesliga pfeifen die Top-Schiedsrichterinnen schon lange auch Männerspiele. Im Zuge dessen seien schon Spielerinnen an Meister herangetreten und bemängelten, dass starke Schiedsrichterinnen sofort zu den Männern abgezogen würden.
Meister gab die Bedenken an den Schiedsrichter- und Regelausschuss (SRA) weiter, der für die Ansetzungen verantwortlich ist. Das Problem ist allerdings: Es gibt einen Mangel an Schiedsrichtern, vor allem an weiblichen. In Deutschland sind es in der Bundesliga nur 14, alle anderen 99 sind männlich.
In der Bundesliga ist es ganz normal, dass Männer die Spiele von Frauen leiten - anders herum ist es aus gegebenem Mangel die Seltenheit. "Wir müssen versuchen, eine Balance zu finden. Denn natürlich haben die Damen im Top-Bereich genauso gut ausgebildete Schiedsrichter verdient." Und dann sollte es egal sein, ob Mann oder Frau - eben "Equally Amazing".