Das Wassil-Lewski-Stadion in Sofia

EM-Qualifikation Wirrwarr um Bulgarien gegen Ungarn - weil der Präsident Proteste fürchtete?

Stand: 14.11.2023 14:05 Uhr

Das Spiel der Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft zwischen Bulgarien und Ungarn wird nach einigem Wirrwarr nun doch ausgetragen - in Sofia und ohne Zuschauer. Eine zentrale Rolle in der Posse spielt wohl der Präsident des bulgarischen Verbandes.

Wie der ungarische Fußballverband am Dienstagmittag (14.11.2023) auf seiner Homepage schrieb, habe die UEFA am Morgen mitgeteilt, dass die Partie am Donnerstag um 18 Uhr im Wassil-Lewski-Stadion in Sofia unter Ausschluss von Zuschauern angepfiffen werden wird. Eine Bestätigung der UEFA erfolgte kurze Zeit später. Aufgrund von Sicherheitsgarantien sei einer erneuten Verlegung zugestimmt worden. Bis Mittag war auf der Homepage des europäischen Verbandes Plowdiw als Spielort angegeben worden.

Das dortige Stadion wurde aber nach diversen Medienberichten gesperrt, weil der Umbau noch nicht abgeschlossen sei. Plowdiws Bürgermeister Kostadin Dimitrow wurde in Medien so zitiert: "Es kann nicht stattfinden, weil sonst Gefahr für Menschenleben bestünde."

Dokumentiert ist, dass die UEFA das Spiel am 6. November von Sofia nach Plowdiw verlegte. Das sei mit Zustimmung aller Beteiligten passiert. Als Grund wurden Krawalle angegeben, mit denen im und am Stadion in der bulgarischen Hauptstadt zu rechnen sei. In Medien wird spekuliert, dass der bulgarische Verbandspräsident Borislaw Michajlow die Verlegung nach Plowdiw und den Ausschluss der Zuschauer vorangetrieben habe, weil er mit lautstarken Protesten vor allem gegen seine Person gerechnet habe.

Rekordnationalspieler und umstrittener Präsident

Der 60 Jahre alte Michajlow ist Rekordnationalspieler seines Landes und seit 2005 mit einer kurzen Unterbrechung Präsident des nationalen Verbandes. Im Oktober 2019 war er auf Druck der bulgarischen Regierung zurückgetreten, weil es unter anderem in einem Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2020 gegen England zu rassistischen Ausfällen bulgarischer Fans gekommen war.

Michajlow wurde vorgeworfen, die Vorfälle kleingeredet zu haben. Er wurde daraufhin vom damaligen bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow zum Rücktritt gedrängt.

Widersacher Dimitar Berbatow

Trotzdem stellte sich Michajlow, als Torwart Teilnehmer an den Weltmeisterschaften 1986, 1994 und 1998, später wieder den Wahlen. Bei der bislang letzten setzte er sich äußerst knapp mit 241 zu 230 Stimmen gegen seinen ärgsten Widersacher Dimitar Berbatow durch. Der früherere Weltklassestürmer spielte unter anderem in der Bundesliga für Bayer Leverkusen und in der Premier League für Tottenham Hotspur und Manchester United.

Borislaw Michajlow (Archiv)

Borislaw Michajlow (Archiv)

Berbatow war angetreten, weil er einen "radikalen Wandel" im Verband hatte vorantreiben wollen. Der bulgarische Fußball sei von aufsehenerregenden Skandalen geschüttelt, es gebe häufig Razzien, Funktionäre seien korrupt.

Borislav Michajlow schadeten die Affäre bei der UEFA nicht. Er verlor zwar aufgrund seines Rücktritts als Verbandspräsident auch seinen Posten im Exekutivkomitee, dem höchsten Gremium des europäischen Verbandes, in das er 2011 gewählt worden war. Seit Sommer 2023 ist er aber Vorsitzender des Komitees Fußball, dem auch die ehemaligen Weltstars Zbigniew Boniek aus Polen und der Portugiese Luis Figo angehören.

Sieg gegen Deutschland bei WM 1994

Michajlow stand im Tor, als der bulgarische Fußball seinen größten Erfolg feierte. Bei der WM 1994 besiegte das Team mit Weltstar Christo Stoitschkow die deutsche Nationalmannschaft im Viertelfinale mit 2:1. Letztlich belegte Bulgarien beim Turnier in den USA den vierten Platz.

Sportliche Krise seit vielen Jahren

Seit vielen Jahren aber steckt der bulgarische Fußball nun in einem Tief. Die Qualifikation für ein großes Turnier gelang letztmals bei der EM 2004.

In der aktuellen Qualifikation zur EURO 2024 belegt Bulgarien in der Gruppe G mit nur zwei Punkten aus sechs Spielen den letzten Platz. Tabellenführer ist Ungarn mit 14 Punkten. Sollten die Ungarn am Donnerstag gewinnen, wären sie sicher bei der EM in Deutschland dabei. Serbien, mit derzeit 13 Punkten und nur noch einem Spiel, hätte dann keine Chance mehr, an den Ungarn vorbeizuziehen.

So bleibt den Serben eine kleine sportliche Hoffnung. Im Falle einer Absage, die wegen der Stadionsituation in Plowdiw auch im Raum gestanden haben soll, wären die Punkte und damit die Qualifikation kampflos an Ungarn gegangen. Borislav Michajlow fürchtete gar drastischere Konsequenten. Eine Absage wäre eine "absolute Katastrophe", sagte er dem bulgarischen Fernsehsender "BNT". Die UEFA könnte Bulgarien für viele Jahre aus allen internationalen Bewerben ausschließen, so Michajlow.