Sardar Azmoun im Trikot der iranischen Nationalmannschaft

Leverkusens Sardar Azmoun Irans Fußball-Star und sein mutiger Protest

Stand: 27.09.2022 23:04 Uhr

Sardar Azmoun ist Star und Torgarant der iranischen Nationalmannschaft, traf in 63 Spielen nun 41 Mal, nachdem er Dienstag (27.09.2022) in einem WM-Testspiel gegen den Senegal fünf Minuten nach seiner Einwechslung den 1:1-Endstand erzielte.

Auch bei gesellschaftlichen Themen geht der 27-Jährige von Bayer Leverkusen schon länger voran. Dass es Azmoun ist, der nach dem Tod der jungen Frau Mahsa Amini nach Polizeigewahrsam das Schweigen der iranischen Nationalspieler bricht, ist nur konsequent. Aber mit seiner deutlichen Kritik am iranischen Regime riskiert Azmoun weit mehr als seine Fußballkarriere: seine Freiheit und seine Gesundheit.

"Schämt euch alle, wie leichtfertig Menschen ermordet werden. Lang leben die iranischen Frauen", schrieb Azmoun am Wochenende in einem mittlerweile wieder gelöschten Beitrag auf Instagram. Zuvor waren Irans Fußballstars in sozialen Netzwerken heftig dafür kritisiert worden, dass sie sich nicht zur brisanten Lage in ihrer Heimat äußerten. "Wegen der Regeln der Nationalmannschaft durften wir nichts sagen, aber ich kann kein Schweigen mehr ertragen", schrieb Azmoun nun. "Die ultimative Bestrafung wäre, dass sie mich aus dem Team werfen, was aber ein kleines Opfer im Vergleich zu jeder einzelnen Haarsträhne einer iranischen Frau wäre."

Kritik auch von Ali Daei und Ali Karimi

Die 22-jährige Amini war vor elf Tagen gestorben, nachdem sie die Sittenpolizei in Teheran festgenommen hatte. Angeblich ragte eine Haarsträhne unter ihrem Kopftuch hervor, was gegen die strengen Kleidungsvorschriften verstößt. In Gewahrsam fiel sie ins Koma und starb kurz darauf im Krankenhaus unter ungeklärten Umständen. Es kursieren Berichte von Misshandlungen und Schlägen auf den Kopf. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück und behauptet, Amini sei wegen eines Herzfehlers gestorben. Nun demonstrieren Tausende in Teheran und anderen Städten gegen die systematische Diskriminierung von Frauen und allgemein gegen das islamische Herrschaftssystem im Iran.

Die früheren Bundesligaprofis Ali Daei und Ali Karimi zeigten sich solidarisch, posteten entsprechende Inhalte in sozialen Medien. Einige aktuelle Nationalspieler schwärzten ihre Instagram-Profile als stillen Protest. Und Azmoun ging noch einen Schritt weiter, indem er bereits vor einer Woche schrieb: "Wenn das Muslime sind, möge Gott mich zum Ungläubigen machen."

Azmoun als Förderer von Volleyballerinnen

Azmoun war 1995 als Sohn turkmenischer Eltern in der iranischen Provinz Golestan zur Welt gekommen. Bevor er als Profifußballer in Russland Karriere machte, war er bereits Volleyball-Nationalspieler und wandelte damit auf den Spuren seiner Eltern.

Volleyball spielt auch heute noch eine große Rolle für Azmoun. "Im Iran kümmert man sich im Sport nicht viel um die Frauen", sagte Azmoun im Juli dem "Kölner Stadtanzeiger". "Aber wir haben viel weibliches Talent für Volleyball. So haben mein Vater und ich in meiner Heimatstadt Gonbad-e Kavus einen Verein gegründet. Er heißt Serik, wie mein Lieblingspferd. Ich bezahle unseren Spielerinnen jeden Monat ein Gehalt. Viele von ihnen sind Nationalspielerinnen."

Die sportlichen Folgen

Seinen Einsatz für Frauenrechte führt Azmoun nun mit seinen Botschaften auf Instagram fort, wobei der Online-Protest schwieriger wird. Alle Beiträge auf Azmouns Instagram-Konto wurden gelöscht und im Iran drosselt die Führung das Internet so stark, dass kaum noch Bilder der Proteste nach außen dringen können.

Offen ist, welche sportlichen Folgen Azmouns Protest hat. Nach seinem ersten Posting durfte er beim 1:0-Testspielsieg gegen Uruguay in Österreich noch mitwirken. Auch gegen den Senegal war er dabei. Azmouns Nominierung für die anstehende Weltmeisterschaft in Katar ist fraglich.

Vor dem Spiel gegen den Senegal im österreichischen Maria Enzersdorf kam es vor dem Stadion im Zusammenhang mit dem Tod Aminis zu Protesten. Etwa 100 Personen hatten demonstriert, dazu hatten laut eines Polizeisprechers  mehrere nicht akkreditierte Personen versucht, ins Stadion zu gelangen. Dies sei verhindert worden. Das Spiel fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Todesstrafe gegen Ringer Navid Afkari

Das Mullah-Regime im Iran schlägt Straßenproteste derzeit brutal nieder. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo spricht von 76 getöteten Demonstranten und mehr als 1.200 Festnahmen. Teherans Justizchef Ali Alghassimehr kündigte an, dass die Festgenommen vor Sondergerichte gestellt werden sollen. Sie werden damit behandelt wie Schwerverbrecher.

Dass Irans Herrscher keine Skrupel haben, auch prominente Sportler hart zu bestrafen, zeigt das Beispiel von Navid Afkari. Dem populären Ringer wurde vorgeworfen, im November 2018 bei einer Demonstration einen Sicherheitsbeamten getötet zu haben. Obwohl Afkari seine Unschuld beteuerte und internationale Proteste aufkamen, wurde das Todesurteil gegen ihn am 12. September 2020 vollstreckt.

Trotz Aufschreis in der Sportwelt: Ringer Navid Afkari hingerichtet

Sportschau, 13.09.2020 12:55 Uhr

Rückendeckung von Bayer Leverkusen

Azmoun geht mit seiner Kritik also ein erhebliches Risiko für sich und seine Familie ein, erhält aber Rückendeckung von seinem Arbeitgeber Bayer Leverkusen. "Ich hatte Kontakt mit Sardar", sagte Sportgeschäftsführer Simon Rolfes der "Rheinischen Post". "Natürlich unterstützen wir Sardars persönliches Engagement, weil er sich damit für die Wahrung und Stärkung demokratisch legitimierter Grundwerte einsetzt."

Dass die Protestbewegung das Regime im Iran zum Sturz bringen kann, halten Experten für sehr unwahrscheinlich. Aber dieses Mal habe der Protest ein außergewöhnliches Ausmaß erreicht, sagte der Sportjournalist Farid Ashrafian dem "Kölner Stadtanzeiger". "Viele Sportler, die bisher zurückhaltend waren, bekennen jetzt Farbe. Die Freiheitsbewegung wird von der Sport-Welt im Iran massiv unterstützt."