Fans während des Frauen-Bundesligaspiels Frankfurt gegen Bayern

Frauen-Bundesliga Liga-Start mit Rekord und einigen Dellen

Stand: 19.09.2022 12:26 Uhr

Die Rekordkulisse zum Auftakt der Frauen-Bundesliga kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie weit der Weg zu professionellen Bedingungen in allen Vereinen noch ist.

Besser hätte der erste Bundesliga-Spieltag für die Fußballerinnen des 1. FC Köln nicht laufen können. Strahlende Gesichter gab es am Sonntag (18.09.2022) aus guten Gründen: zum einen den Champions-League-Aspiranten TSG Hoffenheim souverän mit 3:1 besiegt, dazu 1.200 Besucher im Franz-Kremer-Stadion. Deutlich mehr als sonst.

Der Hype der EM in England hat also auch in der Domstadt etwas bewirkt, obwohl keine aktuelle deutsche Nationalspielerin auf Kölner Seite antrat.

"Es war toll, dass so viele Zuschauer trotz schlechtem Wetter zu unserem Spiel gekommen sind. Die Atmosphäre war klasse“, sagte die 34 Jahre alte Doppeltorschützin Mandy Islacker, die noch bei der EM 2017 fürs DFB-Team stürmte.

1. FC Köln: Spielerinnen mussten Trikots selber waschen

Am Freitag hatte Christian Keller, Sport-Geschäftsführer des 1. FC Köln, aber deutlich gemacht, wie weit der Weg zu professionellen Bedingungen auch in seinem Verein noch ist. Dort hätten die Spielerinnen bis vor Kurzem ihre Trikots noch selbst waschen müssen, erzählte Keller auf dem vom DFB ausgerichteten "FF 27 Forum".

Er habe als einer seiner ersten Amtshandlungen erstmal eine Waschmaschine und einen Trockner angeschafft. Aufgefallen war ihm das nur, weil eine FC-Fußballerin ihr Trikot zuhause vergessen hatte und der Name auf ihrem Ersatztrikot mit Tape überklebt werden musste. "Das spricht leider dagegen, dass wir den Frauenfußball vollwertig integriert haben", sagte der 43-Jährige.

Spielszene aus der Frauen-Bundesliga: 1. FC Köln gegen die TSG Hoffenheim

Das Beispiel illustriert die Widersprüche bei Lizenzvereinen, die sich eigentlich Diversität als Leitbild auf die Fahnen geschrieben haben - diese aber selbst nur bedingt leben. Wie Keller gestand, gebe es auch bei Kommunikation, Merchandising, Marketing oder Sponsoring für die Frauen noch großen Nachholbedarf. Entsprechend niedrig sind die Erlöse. Vom Etat von 1,5 Millionen Euro seien nur 600.000 Euro gedeckt.

Bundestrainerin kritisiert Bedingungen

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zeigte sich dankbar für die offenen Worte: Für die 54-Jährige wird "viel zu viel" über Equal Pay geredet "und vergessen, dass wir uns ganz anderes angucken müssen". Professionelle Bedingungen für alle Bundesligaspielerinnen seien die oberste Prämisse, "dass nicht nur einmal in der Woche ein Physiotherapeut da ist, dass die Spielerinnen nicht an vier verschiedenen Orten abends um 19 Uhr trainieren."

Zuschauerzahlen: Stark am Freitag, schwach am Sonntag

Die Zuschauerbilanz des Auftaktwochenendes fiel indes gemischt aus: Die Rekordkulisse von 23.200 Zuschauern beim Eröffnungsspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München (0:0) war zweifelsohne ein starkes Signal. Zum Meister VfL Wolfsburg kamen einen Tag später beim Pflichtsieg gegen die SGS Essen (4:0) 3.217 Fans - deutlich weniger, aber mehr als gewöhnlich.

Anzeigetafel mit dem Zuschauerrekord im Frauen-Bundesligaspiel zwischen Bayern und Frankfurt

Am Sonntag pendelten sich die Besucherzahlen allerdings bereits wieder beim mageren Schnitt der Vorsaison (811) ein: Der SV Meppen (1.025), Werder Bremen (578) und Aufsteiger MSV Duisburg (424) konnten vom EM-Sog nicht profitieren.

Highlight-Spiel aus Hoffenheim läuft live in der ARD

Am zweiten Spieltag steigt das nächste Highlight-Spiel in einer großen Arena, wenn der Doublesieger Wolfsburg bei der TSG Hoffenheim (Samstag 17.55 Uhr/live ARD) gastiert. Der Gastgeber hat bislang knapp 5.000 Karten verkauft. Im Kraichgau haben sie angekündigt, noch einmal kräftig die Werbetrommel zu rühren, damit die erhoffte fünfstellige Kulisse zustande kommt. Bundestrainerin Voss-Tecklenburg forderte alle Beteiligten auf, "hartnäckig zu bleiben: Wir haben wirklich noch ganz viel zu tun".

Jubel der Wolfsburger Spielerinnen in der Champions League

Zudem wiesen mit Ralf Kellermann (VfL Wolfsburg) und Bianca Rech (FC Bayern) die Verantwortlichen der beiden Topvereine auf die wachsende Kluft hin. "Wir müssen uns auch international nicht kleiner machen, als wir sind. Bayern und Wolfsburg können auch die Champions League gewinnen", sagte Kellermann.

Doch Rech gab zu bedenken: "Die Spitze treibt es nach oben, der Rest bleibt unten hängen: Das ist für die Liga durchaus ein Problem." Die Lücke wirtschaftlich und sportlich zu schließen, wird für die Verfolger angesichts der wachsenden Bedeutung der Women’s Champions League immer schwieriger. Dasselbe Phänomen wie im Männerfußball, wobei dort die Einnahmeunterschiede viel gravierender sind, Aber der Trend könnte bei den Frauen derselbe sein.

19 Millionen interessieren sich für Fußball der Männer und Frauen

Die Rechnung für Wachstum ist simpel: Besserer Sport bringt mehr Zuschauer, die ein größeres Medieninteresse und mehr Sponsoren auslösen, was wiederum zu höheren Investitionen in den Sport führen kann. So geht die Kernaussage der Studie "Stellenwert Frauenfußball", die die ehemalige Schweizer Nationalspielerin Betina Baer auf dem Forum vorstellte.

Demnach gibt es in Deutschland fast 40 Millionen Fußball-Interessierte, von denen sich 19 Millionen für den Fußball der Männer wie der Frauen interessieren. Lizenzvereine werden sich vor der gesellschaftlichen Verantwortung nicht mehr drücken können, glaubt Baer. In fünf Jahren werden jene Klubs, die kein oder nur ein geringes Investment in ihre Frauen-Abteilung tätigen, bereits die Ausnahme sein.

So hat auch Keller hat für den 1. FC Köln erkannt. "Wir können nicht 50 Prozent zur Seite schieben." Überdies würden die Fußballerinnen helfen, neue Zielgruppen zu erschließen. "Der Frauenfußball ist ja ein anderes Stadionerlebnis." Familiärer und friedlicher. Keller erinnerte an die Ausschreitungen beim Conference-League-Spiel in Nizza: "Wir haben da nicht das Bild eines frauenfreundlichen, kindergerechten Sports abgegeben. Stand heute wäre das bei den Frauen nie passiert."