FIFA WM 2022 Heung-min Son - der WM-"Vater" von Südkorea
80-Meter-Solo, Motivationsrede, Maske im Gesicht: Heung-min Son ist die zentrale Figur bei Südkorea und überzeugte gegen Portugal gleich auf mehreren Ebenen. Jetzt soll der große Coup gegen Brasilien folgen.
Bei seinem ersten Training für Tottenham Hotspur, das erzählte sein Ex-Trainer Mauricio Pochettino in dieser Woche bei der BBC, brauchte Heung-min Son die Hilfe seines Vaters. Dieser habe auf sein Bitten hin die ganze Zeit genau zugesehen und sich nach der Einheit für den netten Umgang mit seinem Sohn bedankt. "Son ist ein Familienmensch", so Pochettino: "Er braucht seine Familie um sich herum."
Son führt Südkorea an
Mehr als sieben Jahre nach diesem Tag ist Son junior noch immer sehr familiär unterwegs, auch sein Vater Woong-jung spielt weiter eine große Rolle. Son selbst ist aber längst erwachsen geworden und inzwischen Kapitän der südkoreanischen Nationalmannschaft.
Wie wichtig er in dieser Rolle ist, bewies er vor allem im letzten Gruppenspiel gegen Portugal, als er erst das entscheidende Tor mit einer Weltklasse-Aktion vorbereitete und dann noch auf dem Platz eine Rede vor versammelter Mannschaft hielt. Wie der Vater, so der Son.
Son gegen ganz Portugal
Aber der Reihe nach: Im Spiel gegen Cristiano Ronaldos Portugiesen lief schon die Nachspielzeit, als der Ball nach einer Ecke der Iberer zu Son flog. Aus einer ähnlichen Situation erzielte Mijat Gacinovic mal für Eintracht Frankfurt das 3:1 im Pokalfinale gegen Bayern München.
Der entscheidende Unterschied: Gacinovic musste bei seinem Lauf für die Ewigkeit nur einen Zweikampf gewinnen und dann den Ball ins leere Tor schieben. Rund um Son befanden sich ganze acht Gegenspieler. Und später auch noch ein Torwart.
Hwang vollendet Sons Meisterstück
Aber Son, der wegen eines vierfachen Bruchs über dem Auge eine Maske trägt und in den ersten beiden Partien noch etwas gehemmt gewirkt hatte, sprintete los und schleppte den Ball in Höchstgeschwindigkeit über rund 80 Meter bis an den gegnerischen Strafraum. Dort angekommen nahm er etwas Tempo raus und sah sich noch sechs Portugiesen gegenüber, die sich allesamt auf den Ball stürzten.
Ein Schuss aufs Tor? Unmöglich. Ein Abspiel auf einen Teamkollegen? Beinahe unmöglich. Son versuchte es dennoch und bediente den mitgelaufenen Ex-Leipziger Hee-chan Hwang mit einem millimetergenauen Zuspiel. Hwang traf zum 2:1 und katapultierte Südkorea auf Platz zwei.
Südkorea zittert, Südkorea jubelt
Da ein weiterer Treffer von Uruguay im Parallelspiel, das später angepfiffen worden war, jedoch das Aus von Südkorea bedeutet hätte, versammelte sich die gesamte Mannschaft nach dem Abpfiff in Höhe der Mittellinie. Auch hier tonangebend: Kapitän Son.
Bevor alle Beteiligten das Geschehen zwischen Uruguay und Ghana gemeinsam auf mitgebrachten Tablets verfolgen konnten, stellte sich der 30-Jährige in die Mitte des Kreises und hielt spontan eine kurze Rede.
Die längsten sechs Minuten in der Geschichte Südkoreas
"Ich habe ihnen gesagt, dass ich sehr stolz auf sie bin – egal was passiert", gab Son nach der Partie zu Protokoll. Son bedankte sich für den Zusammenhalt im Team und die Unterstützung in den ersten beiden WM-Partien und gab damit den emotionalen Startschuss für die "längsten sechs Minuten" in der Geschichte Südkoreas. Es folgten: kollektives Zittern und letztlich kollektiver Jubel. Da Uruguay kein Treffer mehr gelang, zog Südkorea erstmals seit 20 Jahren wieder in ein WM-Achtelfinale ein.
Jetzt kommt Brasilien mit Neymar
Genau dort wartet am Montag (05.12.2022, Radio-Livereportage und Ticker bei sportschau.de) nun niemand Geringeres als Brasilien. Die "Selecao", die wieder auf Superstar Neymar bauen kann, geht als klarer Favorit ins Spiel. Alles andere als ein Weiterkommen der Südamerikaner wäre eine Sensation.
Die Lust von Südkorea auf eine Überraschung könnte aber größer nicht sein. "Wir haben jetzt höhere Ziele und wir werden unser Bestes geben, diese zu erreichen", so Son: "Wir haben bei Japan gesehen, was im Fußball passieren kann."
Son geht auf dem Platz voran, er ist der emotionale Leader und scheut sich nicht vor selbstbewussten Ansagen. So verhält sich ein Kapitän, so spricht ein Vater. "Ich bin so dankbar, dieses Team anführen zu dürfen", sagte er. Ein Tor ist Son bislang übrigens nicht gelungen. Sein Wert für Südkorea könnte dennoch größer nicht sein.