Die deutschen Spieler enttäuscht nach dem WM-Aus
analyse

FIFA WM 2022 Deutschland und das Ende der Turniermannschaft

Stand: 02.12.2022 17:27 Uhr

2014 war Deutschland gefeierter Weltmeister, nun ist die DFB-Elf zum zweiten Mal nacheinander bei einer WM nach der Vorrunde ausgeschieden. Vom Weltmeister zum Sorgenkind in acht Jahren - Gründe und Zahlen des Niedergangs.

Es ist die schwächste Phase in der Geschichte der deutschen Nationalmannschaft. Nach dem frühen WM-Aus 2018 hat Deutschland auch vier Jahre später in Katar die Vorrunde nicht überstanden. Dabei waren nach dem WM-Titel 2014 nicht wenige Experten davon ausgegangen, dass Deutschland ähnlich wie Spanien (2008 bis 2012) eine Ära prägen könnte.

Deutschland ist keine Turniermannschaft mehr

Stattdessen lautet die Erkenntnis nach der erneuten Blamage: Deutschland ist keine Turniermannschaft mehr. Das belegt die Bilanz bei Welt- und Europameisterschaften seit der EM 2016. In zehn Spielen hat die deutsche Elf nur drei Mal gewonnen, zwei Mal unentschieden gespielt und fünf Mal verloren.

Bis zur WM 2018 war Deutschland bei großen Turnieren lediglich drei Mal in der Vorrunde gescheitert (bei den Europameisterschaften 1984, 2000 und 2004) - seitdem bei zwei von drei Großereignissen. Und bei der vergangenen EM schied die Mannschaft bereits im Achtelfinale gegen England aus.

Deutschlands Bilanz bei WM und EM bis 2014 und seit 2016 im Vergleich
Bis 2014 Seit 2016
30 Turniere 3
7 Titel 0
18 Viertelfinale 0
3 Vorrunden-Aus 2
155 Spiele 10
92 Siege 3
59 % Siege in Prozent 33 %
31 Niederlagen 5
20 % Niederlagen in Prozent 50 %

Der schleichende Niedergang der Nationalelf

Der Niedergang kam nicht plötzlich und auch nicht völlig überraschend. Joachim Löw hatte es nach der WM 2014 verpasst, die Mannschaft entscheidend umzubauen. Bei der EM 2016 kam das Team glanzlos ins Halbfinale, wo es gegen Frankreich recht chancenlos 0:2 verlor.

Als Löw nach der EM 2021 verabschiedet worden war, ruhte die Hoffnung auf Hansi Flick. Löws einstiger Co-Trainer startete mit acht Siegen hintereinander, bei denen Deutschland sechs Mal zu null spielte - allerdings gegen schwache Gegner wie Liechtenstein, Armenien, Island, Rumänien, Nordmazedonien und Israel. Von den jüngsten elf Spielen gewann Deutschland nur drei (Italien, Oman, Costa Rica). Gegen stärkere Teams zeigten sich auch unter Flick alte Schwierigkeiten.

Deutschland hat seit Klose keinen Torjäger mehr

Eine große Problemstelle des deutschen Spiels ist das Sturmzentrum. Ob Max Morlock, Helmut Rahn, Uwe Seeler, Gerd Müller, Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Fischer, Horst Hrubesch, Klaus Allofs, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann oder als Letzter Miroslav Klose: Die DFB-Elf hatte immer internationale Spitzenstürmer. Seit Klose 2014 als WM-Rekordtorschütze seine Karriere beendet hat, ist das nicht mehr der Fall. Weder Mario Gomez noch Timo Werner haben nachhaltig überzeugt.

Miroslav Klose jubelt beim Sieg gegen Brasilien bei der WM 2014

Miroslav Klose war der letzte Topstürmer in der DFB-Elf.

Seit der Bundesliga-Saison 2011/12 wurden nur zweimal deutsche Spieler Torschützenkönig (Stefan Kießling und Alex Meier). Und auch im Nachwuchs gibt es wenige echte Torjäger. Youssoufa Moukoko braucht noch Zeit, um eine solche Rolle einnehmen zu können. Niclas Füllkrug hat gegen Spanien zwar bewiesen, dass er in wichtigen Spielen treffen kann, dennoch hat ihn Hansi Flick gegen Costa Rica nur von der Bank gebracht. Erfahrung auf dem höchsten Niveau hat er nicht.

Deutschlands Defensive wackelt bei großen Turnieren

Deutschland fehlt es aber nicht nur im Sturm an Qualität, auch die Defensive bereitet seit Jahren Sorgen. In Katar hat die DFB-Elf in drei Spielen fünf Gegentore bekommen, vier davon gegen Japan und Costa Rica.

Letztmals blieb Deutschland in einem Turnierspiel im Achtelfinale der Euro 2016 gegen die Slowakei ohne Gegentreffer (3:0-Sieg). Zum Vergleich: Auf dem Weg zum WM-Titel 2014 spielte die deutsche Elf vier mal zu null - gegen Portugal, die USA, Frankreich und Argentinien. Im gesamten Turnier ließ Deutschland nur vier Gegentreffer zu. Die starke Abwehr war die Basis des Triumphs. Spieler wie Mats Hummels und Jérôme Boateng in Bestform hat Deutschland, abgesehen vielleicht von Antonio Rüdiger, nicht mehr. Und auf den Außenverteidiger-Positionen fehlt es seit Jahren an höchster Qualität.

Flick will Trainer bleiben - Musiala macht Hoffnung

Auf die deutsche Nationalmannschaft warten also große Aufgaben. Hansi Flick hat einen Rücktritt bereits ausgeschlossen, ebenso DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff und Kapitän Manuel Neuer. Thomas Müller hingegen deutete seinen Abschied an. Flick kündigte an, kritisch in die Analyse gehen zu wollen. Hoffnung macht vor allem der erfrischende Auftritt von Jamal Musiala, der als einer von wenigen Spielern in Katar überzeugt hat und dem beim DFB die Gegenwart und die Zukunft gehört.