Königsklassen-Achtelfinale in Leipzig Real Madrid - ohne Rüdiger, aber mit Ruhe
Nationalspieler Antonio Rüdiger wird Real Madrid im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei RB Leipzig fehlen. Auf Ausfälle reagiert Trainer Carlo Ancelotti gelassen - das gehört zu seinem Erfolgsgeheimnis.
Dass sich auch Spaniens führende Zeitung "El Pais" intensiv dem Geschehen bei Real Madrid widmet, liegt in der Natur der Sache. Bereits im Sommer 2022 bemerkte das Blatt, dass Trainer Carlo Ancelotti "seinen Legendenstatus herausfordert". Weil der immer so gelassen wirkende Altmeister auf der Trainerbank einfach nicht aufhört, auf Vereinsebene Titel abzuräumen.
Der Italiener mit dem Faible für gutes Essen hat bei der Auswahl von Personal und Taktik wie ein Sternekoch ein Gespür für die richtigen Zutaten entwickelt. Und so füllt sich der Trophäenschrank der "Königlichen" immer weiter.
Der 4:1-Triumph gegen den Erzrivalen FC Barcelona beim in Saudi-Arabien ausgetragenen Finale um den spanischen Supercup geriet vor einem Monat zur Machtdemonstration – und bestärkte den Klub in seinem Selbstverständnis, auf das ungeheure Verletzungspech nicht mit Panikattacken auf dem Wintertransfermarkt reagiert zu haben.
Ein Trio fehlt mit Kreuzbandrissen
Stammtorhüter Thibaut Courtois und die Stammverteidiger David Alaba und Eder Militão sind allesamt mit gerissenen Kreuzbändern ausgefallen, dennoch verzichtete der Champions-League-Rekordgewinner für die entscheidende Saisonphase auf womöglich überteuerten Ersatz. Vor dem Achtelfinalhinspiel bei RB Leipzig (Dienstag 21 Uhr) ist die Personallage zwar immer noch angespannt, aber Ancelotti hat sich jüngst beim 4:0-Sieg gegen Emporkömmling FC Girona wieder als Improvisationskünstler betätigt.
Nur mal kurz mit der Augenbraue gezuckt, und da fiel dem 64-Jährigen offenbar wieder etwas Neues ein: Der gelernte Außenverteidiger Daniel Carvajal und der Mittelfeldspieler Aurélien Tchouameni bildeten das Abwehrgespann, denn auch der vom früheren Coach des FC Bayern geschätzte Abwehrchef Antonio Rüdiger ist wegen einer starken Prellung im linken Oberschenkel aktuell nicht einsatzbereit - und wird auch im ersten K.o.-Spiel der Königsklasse in Leipzig nicht dabei sein.
Real Madrid: Unangefochten Tabellenführer in La Liga
Trotz eines "Weltrekords an Ausfällen" (Ancelotti) machen seine Spieler aus der Not eine Tugend. Mit 61 Punkten nach 24 Spieltagen bei nur zwei Niederlagen liegen die "Königlichen" voll auf Meisterschaftskurs. Souverän, teils fast unaufgeregt spult das eingespielte Team sein überaus anspruchsvolles Programm ab.
Vorne harmonieren die beiden Brasilianer Rodrygo und Vinicius Junior immer besser, die mit ihrem Tempo und ihrer Finesse die Gegenspieler vor unlösbare Rätsel stellen. Auf einmal scheint bei Real nicht mal ein klassischer Mittelstürmer mehr nötig. Überragend seit seinem Wechsel in die spanische Hauptstadt stößt eine Reihe dahinter aus einem extrem offensiv ausgerichteten Mittelfeld immer wieder Jude Bellingham in die Spitze.
Kann gut mit den Kollegen: Toni Kroos gratuliert Vinicius Junior und Eduardo Camavinga
Jude Bellingham glänzt als Alleskönner
Der Ex-Dortmunder glänzte auch gegen Girona als Doppeltorschütze und führt mit 16 Treffern die Torschützenliste der spanischen Liga an. Wegen einer schweren Verstauchung im linken Knöchel muss der 20-Jährige, der laut BVB-Boss Hans-Joachim Watzke am Ende sogar 135 Millionen Euro bringen kann, jetzt zwei oder drei Wochen pausieren. Das Gastspiel bei den Sachsen verpasst also auch der englische Alleskönner ganz sicher.
Daher dürften sich viele Blicke auf einen deutschen Leistungsträger richten, der womöglich zur Heim-EM ins Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft zurückkehrt. Toni Kroos befindet sich bei Real immer noch in glänzender Verfassung, der 34-Jährige brachte im Heimspiel gegen Girona wieder 33 von 34 Pässen an den Mann.
Zusammen mit dem fast 13 Jahre jüngeren Eduardo Camavinga beherrschte Kroos das Mittelfeld, verteilte wie ein Quarterback die Bälle. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat bislang nur Andeutungen zum Comeback des ballsicheren Strategen gemacht, aber Anfang des Monats sprach sich auch sein Assistent Sandro Wagner in einem Talk auf dem Sportbusinesskongress Spobis klar für die Rückkehr des Rio-Weltmeisters aus. "Ich persönlich fände es schön; er ist einer der größten Spieler unserer Geschichte." Außerdem könne Kroos ja noch laufen, merkte der Co-Trainer mit einem Augenzwinkern an: "Wir brauchen jeden guten Mann - ich würde mich tatsächlich freuen."
Wagner erwartet übrigens, dass bei der Kaderbekanntgabe (14.03.2024) für die Freundschaftsspiele gegen Frankreich (23.03.2024) und Niederlande (26.03.2024) vom Bundestrainer "zu 80, 90 Prozent der Kader berufen wird, der so auch bei der Europameisterschaft dasteht".
Nationalspieler Rüdiger plädiert für Kroos-Rückkehr
Vor dem Gastspiel der Madrilenen bei RB Leipzig erneuerte auch Kroos‘ Teamkollege Rüdiger sein Plädoyer: "Es ist eine Heim-EM, wir wollen die besten Spieler dabeihaben, und ich sehe Toni aktuell als einen unserer besten Deutschen, weil er im Moment auch einer der besten Spieler von Real Madrid ist", sagte der 30-Jährige im Interview mit dem Fachmagazin "Kicker".
Ob Kroos überhaupt mit einer Rückkehr für das Heim-Turnier nach bislang 106 Länderspielen liebäugelt, wisse er selber nicht, verriet Rüdiger. "Er wird die Entscheidung für sich treffen. Da muss ihm kein anderer Toni jeden Tag ins Ohr sprechen." Man rede von einem Spieler, der seit zehn Jahren hier bei Real Madrid ist, "dem immer noch sehr großer Respekt entgegengebracht wird", sagte der ehemalige Stuttgarter.
"Das muss man erst einmal schaffen, das ist für mich eine unfassbare Leistung." Kroos hat so viel erreicht, dass er eigentlich nichts mehr beweisen müsste, aber das Duell zwischen dem zweifachen deutschen Pokalsieger und den spanischen Trophäensammler steht eben auch wegen seiner Person im Fokus.