Nach antisemitischen Aussagen Berliner Vereinschef wird für zwei Jahre gesperrt
Der Fall von massivem Antisemitismus im Berliner Jugendfußball hat nun ernsthafte Konsequenzen für einen Vereinschef. Nach einem Sportschau-Bericht im Januar hatte der Berliner Fußballverband ein Verfahren gegen den Vorsitzenden des CFC Hertha 06, Ergün Cakir, eingeleitet. Nun gab es ein Urteil, das TuS Makkabi Berlin als "wichtiges Zeichen" wertet.
Zwei Jahre Ämtersperre und 1.000 Euro Geldstrafe. So lautet das Urteil des Sportgerichts gegen Ergün Cakir. Er ist Vizepräsident des Gesamtvereins und Vorsitzender der Fußballabteilung beim CFC Hertha 06. Das Urteil kommt laut dem Vorsitzenden des Berliner Sportgerichts, Dennis Dietel, auch einer Stadionsperre für Cakir gleich. Er darf zwei Jahre lang keine Spiele seines Vereins in Berlin und im gesamten Bereich des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) besuchen, unter dessen Dach Hertha 06 als Oberligist spielt.
Antisemitische Äußerungen des Vereinschefs
Der Berliner Fußball-Verband (BFV) habe damit ein Zeichen setzen wollen. "Wir können nicht immer nur mahnen und Plakate aufhängen", sagte BFV-Vizepräsident Jan Schlüschen. "Wenn jetzt schon Vereinsfunktionäre so agieren, muss endlich was Entscheidendes passieren im Kampf gegen den unerträglichen Antisemitismus."
Am Rande des A-Jugendspiels zwischen Hertha 06 und TuS Makkabi in der Bezirksliga Berlin war es am 13. November 2022 zu antisemitischen Vorfällen gekommen. Zwei Jugendspieler wurden daraufhin vom Sportgericht für zwei Jahre gesperrt, darunter Cakirs Sohn. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen die beiden Spieler – wegen möglicher Volksverhetzung und Verwenden von verfassungswidriger Symbolik. In einem Bericht des WDR-Magazins Sport inside und der Sportschau über die Vorfälle hatte Cakir dann im Januar unter anderem gesagt: "Mein Sohn wird sein Leben lang die Juden hassen."
Turbulente Sportgerichtsverhandlung
Diese und weitere antisemitische Äußerungen Cakirs waren Thema bei der Sportgerichtsverhandlung am 26. Mai, die turbulent verlief. Cakir forderte das Sportgericht auf, die beiden Vereinsvertreter des TuS Makkabi von der Verhandlung auszuschließen. Er fühle sich von diesen provoziert und bedroht. Als das Sportgericht dieser Forderung nicht nachkam, verließ Cakir den Gerichtssaal. Der Sportschau sagte er: "Warum sitzen dort Leute von Makkabi? Es geht doch um mich. Ich konnte nicht sprechen, wenn die daneben sitzen. Ich hatte Angst."
"Eine typische Täter-Opfer-Umkehr", sagte BFV-Vize Schlüschen. Der Sportgerichtsvorsitzende Dennis Dietel sprach von "absoluter Uneinsichtigkeit“. Als sehr irritierend habe man auch das Verhalten des im Saal verbliebenen Vereinsvertreters von Hertha 06 empfunden. Laut Schlüschen und Dietel habe dieser, Präsident des Gesamtvereins, den Antisemitismus-Fall absolut nicht als solchen anerkennen wollen.
BFV: "Man kann nur noch bestrafen"
Dabei hatte Cakir selbst im Interview mit Sport inside und der Sportschau eingeräumt, er schätze den Anteil der Judenhasser unter den Mitgliedern auf "fünfzig-fünfzig". Schlüschen: "In diesem Verein sieht keiner die strukturellen Probleme. Es wurde gesagt, bei uns ist alles in Ordnung – und das, obwohl die Interview-Aussagen von Ergün Cakir von vorne bis hinten nur so vor Antisemitismus und Verschwörungstheorien triefen."
Zudem sei der Verein der Forderung des BFV aus dem Februar, einen präventiven Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Judenhass im Verein zu erarbeiten, bis heute nicht nachgekommen. "Wir haben so viel Hilfestellung gegeben, viele Ansprechpartner und Projekte genannt – und die tun einfach nichts. Da kann man dann nur noch bestrafen", sagte Schlüschen.
Cakir selbst behauptete, er habe mit Jugendspielern das Jüdische Museum in Berlin und die Gedenkstätte in Ausschwitz besucht. Warum er dies nicht angeführt und dokumentiert hat? "Ich habe keine Chance, egal was ich mache. Ich müsste hier Leuten die Füße küssen, um ein faires Urteil zu bekommen", sagte er.
Cakir will in Berufung gehen
Das Urteil bedeutet für Cakir einen tiefen Einschnitt. Der Bauunternehmer ist seit zwölf Jahren auch Hauptsponsor, hat CFC Hertha 06 von der Landes- bis in die Oberliga geführt. Nun ist er außen vor. Und mehr noch: Das Urteil, das auch der Nordostdeutsche Verband umsetzen dürfte, verbietet ihm für zwei Jahre auch, ein Amt in einem anderen Verein auszuüben. Er kündigte an, in Berufung zu gehen.
Theoretisch könnte er auf dem Papier allerdings bei Hertha 06 im Vorstand bleiben, weil der Fußballverband nicht in die Vereinsautonomie eingreifen darf, so Dietel. Aber dass dies sinnlos wäre, hat Cakir erkannt. Er werde zurücktreten, um weiteren Schaden vom Verein abzuwenden, sagte er. Bereits jetzt seien dem CFC Hertha 06 Fördergelder gestrichen worden. Sein Amt werde er an einen seiner Söhne übergeben.
Genugtuung bei Makkabi Berlin
Makkabi Berlins Vorstandssprecher Ilja Gop nahm die Ämtersperre für Cakir mit Genugtuung auf: "Dieses Urteil ist ein wichtiges Zeichen für alle Juden in Deutschland, dass der deutsche Sport das Thema Antisemitismus nicht bagatellisiert und verdrängt, sondern sich damit beschäftigt und klare Urteile fällt." Man hoffe bei Makkabi auf den abschreckenden Charakter, wenngleich allen klar sei: Der Antisemitismus auf den Amateurplätzen werde trauriger Alltag bleiben. Laut einer Studie wurden nach eigenen Angaben bereits 68 Prozent aller Makkabi-Fußballspieler bereits mindestens einmal antisemitisch angefeindet.