Lea Krüger

Fall der Ukrainerin Olha Charlan Fechterin Lea Krüger kritisiert IOC

Stand: 01.08.2023 08:37 Uhr

Deutschlands Top-Fechterin Lea Krüger hat das IOC für den Eklat um die ukrainische Fechterin Olha Charlan verantwortlich gemacht. Wegen der unklaren Vorgaben für den Umgang mit Russland sind auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2024 weitere Konflikte programmiert.

Thomas Bach ist als ehemaliger Fechter weiter nahe dran am Geschehen auf der Planche. Wohl auch deshalb hatte sich der IOC-Präsident höchstpersönlich in die Debatte um die ukranische Fechterin Olha Charlan eingeschaltet. Charlan hatte am Donnerstag (27.07.2023) bei der Fecht-WM in Mailand nach ihrem Gefecht gegen die Russin Anna Smirnowa auf den Handschlag verzichtet und war daraufhin disqualifiziert worden.

Nachdem der Fall für großes Aufsehen gesorgt hatte, kassierte der Fecht-Weltverband FIE Charlans Suspendierung wieder ein. Auch die Vorschrift des Handschlags nach dem Gefecht wurde abgeschafft. Getroffen wurden diese Entscheidungen nach "Konsultationen mit dem IOC", wie es vom Weltverband hieß.

Die Ukrainerin Olga Charlan

Die Ukrainerin Olha Charlan

IOC-Präsident Bach - erfolgreiche Intervention im Fall Charlan

IOC-Präsident Bach gab Charlan in einer persönlichen Mitteilung sogar eine Startgarantie für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Die viermalige Einzel-Weltmeisterin werde einen zusätzlichen Quotenplatz erhalten, sollte sie sich nicht sportlich qualifizieren.

Bachs Eingreifen kam dennoch etwas spät: Denn die Empörung über den Fall hatte bereits weltweit um sich gegriffen, ebenso wie das propagandistische Ausschlachten vonseiten der ukrainischen und russischen Sportpolitik.

Der Fechtsport sah sich in ein schlechtes Licht gerückt, und damit auch der deutsche IOC-Präsident: Denn die Entscheidung des von Bach geführten IOC, dass Athleten aus Russland und Belarus grundsätzlich wieder bei Wettkämpfen starten dürften, als sogenannte neutrale Athleten und unter Auflagen, hatte ja erst zum Skandal bei der Fecht-WM geführt.

Lea Krüger: "Verbände sind überfordert"

Auch die deutsche Spitzenfechterin Lea Krüger machte das IOC für die Misere verantwortlich. Die Last werde bei den ukrainischen, aber auch den russischen Athletinnen und Athleten abgeladen, sagte Krüger im Deutshclandfunk. "Wir sind diejenigen, die jetzt mit den Situationen umgehen müssen."

Die Weltverbände seien "ein Stück weit überfordert", sagte Krüger, die auch im Präsidium von "Atheten Deutschland" sitzt. Es habe viel zu wenig Zeit gegeben, die IOC-Empfehlungen umzusetzen. Und vor allem, so Krüger: "Keiner weiß wie", denn die Vorgaben für die Verbände seien "nicht klar definiert".

Ungeklärt bleibt deshalb auch weiterhin die grundsätzliche Frage im Umgang mit Athleten aus Russland und Belarus, knapp ein Jahr vor den Olympischen Spielen. Das Fechten darf dabei als Blaupause für andere Disziplinen gelten, denn der Weltverband FIE hatte als einer der ersten Organisationen im Weltsport die Start-Freigabe für "neutrale Athleten" aus Russland und Belarus umgesetzt.

Bachs Intervention im Fall Charlan: "Kalkulierter Schachzug"

Dass es dabei zu Konflikten kommen kann, wenn Athleten aus Russland und der Ukraine im Wettkampf aufeinandertreffen, war im Grunde vorprogrammiert. Auch auf die Eskalation bei der Fecht-WM in Mailand hätten die Organisatoren vorbereitet sein können, sagte Fechterin Krüger im Dlf. "Olha hatte von Anfang an gesagt, dass sie der russischen Fechterin nicht die Hand geben wird." Dass Charlan überhaupt gegen eine Russin antrat, sei erst nach langen Diskussionen am Nachmittag vor dem Gefecht entschieden worden.

IOC-Präsident Thomas Bach

Die Befürchtung liege nahe, dass es künftig noch weitere Situationen wie bei der Fecht-WM geben werde, kommentierte ARD-Journalist Robert Kempe im Deutschlandfunk. Bachs Eingreifen nach Charlans Ausschluss sei ein "kalkulierter Schachzug" gewesen, so Kempe. Der IOC-Präsident habe damit vor allem Schadensbegrenzung betrieben.

Die vorgezogene Einladung für Charlan zu den Olympischen Spielen 2024 sei aber auch als Versuch zu sehen, dem Horror-Szenario eines drohenden Olympia-Boykotts der Ukraine vorzubeugen, meint Kempe: "Wenn im kommenden Jahr bei der Eröffnung in Paris 'neutrale' russische Sortler einlaufen und sich zelebrieren und die Ukraine fernbleibt, wäre dies der Super-GAU für die Veranstaltung."