Agit Kabayel nach seinem gewonnenen Kampf gegen Arslanbek Makhmudov.

Schwergewichts-Boxen Agit Kabayel erkämpft sich Recht auf WM-Fight

Stand: 19.05.2024 11:15 Uhr

Der Bochumer Agit Kabayel darf sich große Hoffnungen auf einen WM-Kampf machen. Der Hoffnungsträger aus Bochum besiegte bei einem Ausscheidungsfight am Samstag (18.05.2024) in Riad den ungeschlagenen Kubaner Frank Sanchez durch KO in Runde sieben nach zwei harten Körpertreffern.

Kabayel boxte auf der größten Boxveranstaltung des Jahres - bei der Tyson Fury und Oleksandr Usyk den ersten Weltmeister im Schwergewicht mit allen wichtigen Gürteln seit 25 Jahren ermittelten.

"Wir haben es geschafft. Ich bin sehr glücklich. Wir haben sehr hart für diese Gelegenheit gearbeitet", sagte Kabayel bei "DAZN". Über die Zukunft wollte er noch nicht großartig nachdenken. Der Sieg sei "ein weiterer Schritt in meiner Karriere", sagte er, "der Fight ist vorbei. Ich gehe jetzt nach Hause zu meiner Familie. Danach können wir reden."

Saudi-Arabien zieht auch Boxen an

Riad galt bisher nicht gerade als Heimat des Boxsports. Das waren eher Las Vegas oder der Madison Square Garden in New York. Doch Saudi-Arabien ist gerade dabei, das zu ändern. Denn das Königreich lockt seit Kurzem die Größen des Boxens mit nie dagewesenen Börsen an den Persischen Golf – und ermöglicht so Kämpfe, die ohne dieses Geld lange undenkbar schienen.

Riad als neuer "Box-Hotspot"

"Es ist eine schöne Anerkennung, bei der Veranstaltung dabei zu sein", sagt Kabayel vor dem Kampf im Interview mit der Sportschau. "Natürlich macht es einen auch stolz."

Der Bochumer lächelt, während er diese Worte sagt – so wie er meistens lächelt, wenn man sich mit ihm unterhält. Agit Kabayel wirkt außerhalb des Rings nicht gerade furchteinflößend. Eher so, als könnte man sich direkt mit ihm ins Café setzen, um ein bisschen zu plaudern. Doch im Box-Ring zeigt er ein anderes Gesicht. Der freundliche Junge aus dem Ruhrpott ist unter den Top-Dogs seines Sports angekommen. Gestartet war er als einer der größten Underdogs.  

Kabayel der ewige Außenseiter

Es ist eine Geschichte von unbändigem Willen. Vom Nicht-Aufgeben und vom Unterschätzt-Werden. Eine Geschichte, gespickt von sportlichen Überraschungen. "Ich habe wahrscheinlich die Welt geschockt. Neun von zehn Leuten hätten vorher gesagt, dass ich niemals gewinnen werde", sagte Kabayel erst im vergangenen Dezember im Ring-Interview nach dem Kampf. Er hatte gerade einen der am heißesten gehandelten Newcomer des Business buchstäblich erledigt - der russische "K.o.-Riese" Arslanbek Makhmudov war schlicht überfordert mit ihm. Technischer K.o. in Runde 4, kurzer Prozess.

Dieser Fight im Dezember fand auch in Riad statt - auf der bis zu diesem Zeitpunkt wohl größten und teuersten Veranstaltung, die die Boxwelt bisher gesehen hatte. Reihenweise Top-Fighter stiegen in den Ring. Doch für die Überraschung sorgte Agit Kabayel. Der Abend im Dezember könnte im Rückblick mal als Turbolader in Kabayels Karriere betrachtet werden.

Karriere nimmt mächtig Fahrt auf

Aktuell wird er beim größten unabhängigen Statistikportal "Boxrec" als Nummer fünf der Welt geführt. Bei allen vier großen Welt-Verbänden steht er in den Top 10. Nun steht er vor einem ganz, ganz großen Kampf.

Es ist nicht gerade so, als hätte sich diese Laufbahn früh angedeutet. Mit dem Boxen begann er eigentlich nur, um sein Übergewicht loszuwerden. Er startete direkt als Profi-Boxer und ließ Amateurkämpfe aus. Doch an seiner Seite ist seitdem Trainer-Fuchs Sükrü Aksu. Gemeinsam sorgten sie schon 2017 für Aufsehen, als Kabayel den englischen Star und Ex-Klitschko-Herausforderer Dereck Chisora bei einer Veranstaltung in Monaco besiegte. Doch Corona warf den Hoffnungsträger zurück. Erst seit dem vergangenen Jahr nimmt die Karriere wieder Fahrt auf.

Und das Tempo steigert sich rasant. Denn erneut stand der Bochumer vor dem größten Kampf seiner bisherigen Laufbahn. Dieses Mal war sein Gegner der in den USA lebende Kubaner Frank Sanchez. "Wir haben für jeden Gegner einen spezifischen Plan," sagt Kabayel. "Wir haben zum Beispiel auch kubanische Boxer zum Sparring eingeladen."

Die schwierigste Aufgabe der Karriere

Frank Sanchez war wie Kabayel in 24 Profikämpfen unbesiegt. Er boxt intelligent und variabel. Zudem ist er technisch stark und hat eine sehr gute Beinarbeit. Es ist ein Profil, dem Agit Kabayel bisher noch nicht auf hohem Niveau gegenüberstand. "Es ist der Finalkampf für eine WM-Chance, da wird dir der Sieg nicht geschenkt. Wir sind beide ungeschlagen, das wird ein spannender Kampf", sagte Kabayel vor dem Fight.

Dem Sieger winkt vom Verband WBC ein Fight um den WM-Gürtel. Agit Kabayel war bei den Buchmachern erneut der Außenseiter. Doch mit dieser Rolle kennt er sich aus – und fühlt sich darin wohl: "Beim letzten Mal hatte ich ja auch die Underdog-Rolle. Warum also nicht wieder? Wir sind bereit, die Welt nochmal zu schocken".

Agit Kabayels Glaube an sich selbst wirkt unerschütterlich und sein bisheriger Weg gibt ihm Recht. Sein Wille und sein Herz haben ihn weiter gebracht, als ihm die meisten Box-Kenner je zugetraut hätten. Nach diesem enormen Schritt tritt der ewige Außenseiter endgültig aus dem Schatten. Aber die größte Sensation war es aber schon dieses Mal nicht mehr.