Konzepte, Konflikte und Kritik So will der Wintersport durch den zweiten Corona-Winter kommen

Stand: 19.11.2021 07:00 Uhr

Der zweite Corona-Winter beginnt. Die Verbände haben unterschiedliche Ansätze, um gut durch die vierte Pandemie-Welle zu kommen. Und es gibt auch Kritik.

Bei den Biathleten beginnt die neue Saison erst in gut zehn Tagen. Von einem entspannten Start mit hoher Impfquote und einer erleichterten Organisation ist aber nichts zu spüren. Im Gegenteil. Denn auch für den zweiten Corona-Winter gilt: "Die Organisation ist ein unheimlicher Aufwand", berichtet Felix Bitterling, Sportdirektor des Weltverbandes IBU, im Gespräch mit der Sportschau.

Hoher organisatorischer Aufwand im Biathlon

"Wir arbeiten fast rund um die Uhr und haben nicht das Gefühl, dass der Stapel kleiner wird", erklärt der Berchtesgadener. Zu koordinieren sind in der IBU-eigenen Datenbank mehrere tausend Athleten, Betreuer, Funktionäre oder Journalisten. Für jeden muss der Impfstatus geprüft und gecheckt werden, ob alle notwendigen Dokumente hochgeladen wurden. Dokumente für die IBU-internen Kriterien und für die Einreisebestimmungen für das Gastgeberland eines Weltcups.

"Wenn ich da einen deutschen QR-Code hochgeladen bekomme, geht das schnell. Aber beispielsweise chinesische oder japanische Dokumente muss ich erst einmal zum Übersetzer schicken", erklärt Bitterling.

"Ein Sputnik-Geimpfter gilt in Österreich als nicht geimpft"

Um Sportler oder Betreuer für einen Weltcup zuzulassen, hat sich die IBU für einen anderen Weg als beispielsweise der Ski-Weltverband FIS oder der Bob-Weltverband IBSF entschieden. "Wir fragen im Vorfeld den Impfstatus ab. Jemand, der nicht geimpft ist, muss einen PCR-Test vorlegen, um eine Akkreditierung zu bekommen. Mindestens alle 72 Stunden muss der Test erneuert werden", so Bitterling.

Was die Organisation so schwierig macht, sind unterschiedliche nationale Regelungen. "Von IBU-Seite akzeptieren wir jeden Impfstoff, der von einer nationalen Behörde zugelassen ist", so Bitterling. Das sei aber nicht überall so. Bei den europäischen Weltcup-Standorten seien vielfach nur EU-Impfstoffe wie die von Biontech-Pfizer oder Moderna uneingeschränkt zugelassen.

Wer aber mit dem russischen Impfstoff Sputnik V geimpft ist, braucht für den Weltcup-Auftakt in Schweden "bei der Einreise einen PCR-Test, gilt dann aber in Schweden als geimpft und kann sich frei bewegen", erklärt Bitterling. Anfang Dezember im österreichischen Hochfilzen greifen andere Regeln. "Ein Sputnik-Geimpfter gilt in Österreich als nicht geimpft", so Bitterling. Diese Person muss sich alle 72 Stunden mit einem PCR-Test testen lassen.

IBU: Keine Kostenübernahme für Ungeimpfte

Das bedeuteut einen organisatorisch und auch finanziell enormen Aufwand. Um Sportler und Betreuer, die mit Sputnik oder dem chinesischen Impfstoff Sinovac geimpft sind, entgegenzukommen, hat die IBU kürzlich entschieden, die Kosten für die PCR-Tests zu übernehmen. "Wir glauben, dass das auch eine Fairnessfrage ist. Sportler in Russland oder China können in ihren Ländern ja größtenteils gar keine EU-Impfstoffe wählen."

Für Ungeimpfte gilt das nicht: "Ungeimpfte akzeptieren wir als Event-Teilnehmer, wir übernehmen aber keine Kosten. Wer keine Tests vorweisen kann, kommt nicht ins Stadion", sagt Bitterling.

Bob-Verband: Testpflicht für alle - vorab und während der Weltcups

Die FIS und damit Skilangläufer, Skispringer, Nordische Kombinierer, Alpine Skifahrer oder Snowboarder sowie die IBSF und damit Bobfahrer und Skeletonis gehen da einen anderen Weg.

Bob-Piloten müssen beispielsweise vor der Anreise zu einem Weltcuport einen Test vorlegen. Bei Geimpften reicht ein Schnelltest, Nicht-Geimpfte benötigen einen PCR-Test. Direkt vor Ort wird zudem noch ein Schnelltest gemacht, der alle drei bis vier Tage wiederholt wird. Erst wenn alles negativ ist, dürfen die Sportler in den Bob steigen. Die Kosten der Vortests muss jeder nationale Verband tragen, die Kosten der Tests während der Veranstaltung übernimmt die IBSF.

Ski-Weltverband: Zugang nur mit PCR-Test

Noch strenger geht die FIS vor. Hier müssen alle Sportler, Betreuer und Veranstalter vor einem Weltcup einen PCR-Test vorlegen, der nicht älter als 72 Stunden ist. Erst dann erfolgt ein Zugang zur "Roten Blase" ("Red Bubble") und damit an die Schanze und auf die Piste. Dafür entfallen für Geimpfte und Genesene die Tests während der Veranstaltung, der Verband akzeptiert dabei alle zugelassenen Impfstoffe.

Nicht Geimpfte müssen alle zwei bis drei Tage einen neuen Test vorlegen. Die Kosten muss jeder nationale Verband oder lokale Veranstalter übernehmen.

"Im Sommer war ich noch dagegen …"

"Im Sommer war ich noch gegen diese Vorab-PCR-Tests, weil ich dachte, das wäre zu streng", erklärt Lasse Ottesen, der bei der FIS als Renndirektor für die Nordische Kombination zuständig ist. Seine Meinung habe er mittlerweile revidiert, sagt Ottesen im Sportschau-Gespräch.

"Wenn ich jetzt auf die rasante Entwicklung der Covid-Infektionen blicke, denke ich, dass wir eine gute Entscheidung getroffen haben", so der Norweger.

Nordische Kombination, Lasse Ottesen, Renndirektor des Weltverbandes FIS

Lasse Ottesen

Deutscher Ski-Verband: FIS-Konzept "nicht zielführend"

Kritisch wird das FIS-Konzept beim Deutschen Ski-Verband gesehen. "Das ist aus unserer Sicht nicht wirklich zielführend. Zum einen sprengt das irgendwann jeden organisatorischen und finanziellen Rahmen", sagt DSV-Geschäftsführer Stefan Schwarzbach der Sportschau und ergänzt: "Viel entscheidender aber ist, dass wir damit automatisch eine Diskussion heraufbeschwören, die keiner von uns führen möchte. Denn auch wenn es natürlich unsinnig ist, wird es bestimmt dazu kommen, dass der eine oder andere die Frage stellt, warum er sich denn noch impfen lassen soll, wenn er gleich behandelt wird wie eine ungeimpfte Person."

Daher präferiert Schwarzbach das Modell des Biathlon-Weltverbandes: "Die Vorgehensweise der IBU bietet uns eine ähnlich hohe Sicherheit, ist aber deutlich zielorientierter und nachvollziehbarer als das FIS-Konzept. Das sorgt bei allen Nationen und Teilnehmern für Akzeptanz und ein hohes Maß an Disziplin – und das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, damit die Schutzkonzepte auch wirklich greifen."

Einfluss auf die FIS-Regelung hat der DSV allerdings nicht, weshalb sich alle Sportler und Betreuer vor dem Weltcup an diesem Wochenende in Nischni Tagil per PCR testen lassen mussten.

Impfquoten zwischen 80 und 100 Prozent

Für eine Erleichterung der Maßnahmen und Erhöhung der Sicherheit dürfte immerhin die hohe Impfquote sorgen. So verkündete Bob-Olympiasiegerin Mariama Jamanka bei einer Pressekonferenz Ende Oktober für das deutsche Bob-Team eine Impfquote von 100 Prozent.

Von den Nordischen Kombinierern und anderen FIS--Sportlern berichtet Ottesen eine Quote "von etwa 90 Prozent".

Für die Biathleten sagt Bitterling, "gehen wir aktuell davon aus, dass mehr als 80 Prozent in den Teams geimpft sind. Ich glaube, die Quote könnte sogar höher sein". Und für die deutschen Wintersportler mit Olympia-Ambitionen sagt Schwarzbach: "Eine Blitzumfrage vor ein paar Wochen, als das Playbook für Olympia in China veröffentlicht wurde, hat ein klares Bild ergeben: Wir haben nahezu 100 Prozent aller Athletinnen und Athleten vollständig geimpft, über alle Disziplinen hinweg."

Impf-Schub durch Olympia-Bestimmungen

Im Olympia-Playbook definiert das Organisationskomitee BOCOG, dass nur geimpfte und genesene Personen ohne Sanktionen nach China einreisen dürfen. Nicht-geimpfte Sportler müssen 21 Tage in Quarantäne. "Die Veröffentlichung des Playbooks hat dem Impfen noch einmal einen Schub gegeben. Da ist extrem viel passiert", erklärt Bitterling.

Fragezeichen bleiben

Dennoch bleiben Fragen. Welchen Einfluss haben Corona-Impfdurchbrüche? Im Vorfeld der ersten Weltcups wurden immerhin bereits einige Infektionen unter Rennrodlern und Skispringern bekannt. Wird die Saison ohne Absagen durchlaufen können? Werden Zuschauer zugelassen werden, wie es der Deutsche Ski-Verband vor knapp zwei Wochen für die deutschen Weltcuporte prognostiziert hatte? Wie hoch sind mögliche finanzielle Verluste?

Gelder von FIS und IBU erhöht

Bei den Finanzen haben sich FIS und IBU auf Unterstützung der lokalen Veranstalter verständigt. Die FIS beschloss im September, rund 4,6 Millionen Euro über einen "Covid-19 Relief Fund" an die Mitgliedsverbände auszuschütten, um "den finanziellen Druck zu mindern", wie der neue FIS-Präsident Johan Eliasch sagte.

Zudem will der Verband rund 20 Prozent der Preisgelder übenehmen. Für die Biathlon-Weltcups sagt IBU-Sportdirektor Bitterling: "Die Grundsumme, die die Veranstalter von uns bekommen, haben wir um etwa ein Drittel erhöht." Zum Vergleich: Im Vorjahr gab es beispielsweise für den Oberhof-Weltcup rund eine halbe Million Euro vom Weltverband.