Olympia-Selektion im Bobsport Jamankas Stresstest im unbekannten Eiskanal von Peking

Stand: 29.09.2021 12:01 Uhr

Mariama Jamanka hat zwei schwierige Saisons hinter sich. Nun muss sie ihre Topform abrufen, es geht um die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. Die größten Konkurrentinnen kommt aus dem eigenen Verband.

Mariama Jamanka wirkt gut gelaunt während des Telefonats, bei dem es um die anstehende Olympia-Saison gehen soll. Sie lacht viel. Jamanka sagt aber auch: "Ich mache drei Keuze, wenn das vorbei ist."
 
Die Bobsportlerin meint die "Selektion" in Peking, ein kalt klingender Begriff. Es ist das Auswahlverfahren des deutschen Bob- und Schlittenverbandes (BSD) im Oktober, das darüber entscheidet, welche Bobteams zu den Olympischen Spielen 2022 in Peking reisen dürfen – und wer zu Hause bleiben muss.
 
Stattfinden sollen diese Qualifikationsrennen auf derselben Bahn, auf der dann im Februar 2022 bei den Olympischen Winterspielen die Bobs durch den Eiskanal donnern.

Quali-Ochsentour für Peking

Europameisterin Laura Nolte ist mit ihrer Anschieberin bereits gesetzt für die Olympischen Spiele. Gesucht werden zwei weitere Frauenteams. Dafür gibt es drei Bewerberinnen: Stephanie Schneider, Kim Kalicki – und die Berlinerin Mariama Jamanka. Sie gilt als eine der besten Bobfahrerinnen der Welt, gewann gemeinsam mit Anschieberin Lisa Buckwitz die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang, außerdem Gold in der darauffolgenden Weltcupsaion und bei der Weltmeisterschaft. Doch in der Pekinger Quali-Runde helfen ihr die Titel der letzten Jahre nicht.
 
Das Programm in Chinas Hauptstadt, es wird straff. Mit anderen europäischen Bobsport-Delegationen fliegt die deutsche Delegation in einem gemeinsamen Charterflugzeug am 3. Oktober nach Peking, am Tag darauf dürfen sich die deutschen Pilotinnen und ihre Anschieberinnen in Trainingseinheiten mit der Bobbahn vertraut machen. "Wir kennen die Bahn nicht", sagt Jamanka. "Viel Zeit zum Einfahren werden wir nicht haben", sagt Jamanka, "die Zahl der Trainings ist so aufgeteilt, dass jedes Team die gleiche Anzahl hat."

Vertraute Teamkollegin Drazek wird noch eine Weile fehlen

Denn niemand soll einen Wettbewerbsvorteil haben, wenn es eine Woche später ans Eingemachte geht: Innerhalb von zwei Tagen macht jeder Zweierbob vier Rennläufe, je zwei täglich. Die beiden schnellsten Zweiergespanne dürfen sich auf Peking freuen. Das dritte Gespann schaut in die Röhre. "Es wird stressig", sagt die 31-Jährige.
 
Wie kann es sein, dass so eine hochdekorierte Sportlerin wie Jamanka solch eine Quali-Ochsentour auf sich nehmen muss? Der Hauptgrund: Die qualitative Dichte im deutschen Bobsport. Der Verband verfügt über vier starke Frauenteams, die alle um die Medaillen mitfahren könnten. Jamanka sagt nur halb im Scherz: "Es ist schwerer, sich fürs deutsche Olympiateam zu qualifizieren als sich in internationnalen Wettkämpfen durchzusetzen. Für unseren Verband ist es natürlich super, dass es so es viele gute Fahrer gibt. Für einen selber ...". Dann lacht sie.
 
Ein weiterer Grund, warum sie nicht gesetzt ist: Die letzten beiden Saisons verliefen für Jamanka nicht ideal. "Das hatte mehrere Faktoren", sagt sie. Vor allem der Ausfall ihrer Teamkollegin Annika Drazek. Gemeinsam sicherten sie sich im März 2019 im kanadischen Whistler noch den WM-Titel im Zweierbob. Vergangene Saison fiel Drazek plötzlich aus. Anfang September teilte die Anschieberin auf Facebook mit, sie leide unter einer seltenen Stoffwechselkrankheit. Sie wird wohl noch eine Weile fehlen.

Mit den neuen Anschieberinnen harmoniert es

Für Jamanka bedeutete das, dass sie mit ständig wechselnden Anschieberinnen zusammenarbeiten musste. Vertrauen zu entwickeln, war schwierig. "Man braucht als Pilotin einen klaren Kopf, man muss sich drauf verlassen können, dass im Hintergrund alles perfekt läuft."
 
Genau darauf könne sie sich aber nun bei den Anschieberinnen Vanessa Mark und Kira Lipperhede verlassen. Bei der Selektion in Peking wird sie wohl von Lipperheide unterstützt, weil bei Vanessa Mark nach einem Ermüdungsbruch der Prozess der vollständigen Genesung wohl noch nicht abgeschlossen ist.

Über die Bahn in Peking habe Jamanka schon ein paar Infos von Rodlern und vom Weltverband erhalten. Etwa einen Kilometer lang sei sie, außerdem "relativ teschnisch", wie sie sagt. "Wir müssen das beste daraus machen, und schauen, dass es reicht. Vielleicht wird es anfangs etwas ruppig aussehen." Aber Jamanka sagt auch - und das darf sie hoffnungsvoll stimmen angesichts der Selektion in der Fremde: "Ich bin jemand, der gut klar kommt mit neuen Bahnen."

Sendung: Inforadio, 28.09.2021, 22:15 Uhr