Ski-Freestyle Ski-Freestylerin Emma Weiß und ihr Olympia-Traum

Stand: 22.10.2021 10:26 Uhr

Es sind spektakuläre Bilder. Emma Weiß aus Albstadt hebt ab und fliegt artistisch durch die Luft. Sie ist Ski-Freestylerin in der Disziplin Aerials. Als einzige Deutsche in der Weltspitze hat sie für die kommende Saison einen großen Traum.

Im Ballettsaal in Albstadt-Ebingen (Zollernalbkreis) hängen die Wände voll mit Spiegel. In der Mitte liegt eine sogenannte AirTrack, eine Art ganz dicke, große Luftmatratze. Emma Weiß bereitet sich unter anderem hier in der Ballettschule ihres Vaters auf die kommende Weltcup-Saison im Ski-Freestyle vor.

Was ist Ski-Freestyle Aerials?

Die Sportart, für die Emma Weiß trainiert, ist atemberaubend: Die Athleten und Athletinnen nehmen auf einer Sprungschanze Anlauf, gleiten dann fast senkrecht nach oben und springen ab. In der Luft dann: akrobatische Kunstsprünge aus Saltos, Schrauben, Drehungen... . In der vergangenen Saison gelang Emma Weiß nach einer komplizierten Verletzung zum ersten Mal der Sprung auf das Podium. Den Gesamtweltcup schloss sie auf dem fünften Platz ab. Als Ski-Akrobatin brauche sie ein hohes körperliches Bewusstsein und eine hohe Stresstoleranz, sagt Emma Weiß im Gespräch mit SWR Sport. "Und im Gegenzug bekommt man dann natürlich für ein paar Sekunden das Gefühl zu fliegen."

Wie gefährlich ist Ski-Freestyle Aerials?

Natürlich ist Ski-Freestyle eine Sportart mit Risiko. Emma Weiß ist selbstbewusst und mutig. Dennoch, mit unzähligen Stunden Training ist das Risiko für sie kalkulierbar. "Deswegen eben auch die Detailarbeit, schlussendlich ist alles Verletzungsprävention."

Warum Ballett als Grundlage?

Mit Detailarbeit ist unter anderem das Training zu Hause in Albstadt-Ebingen gemeint. Auf der AirTrack macht sie Koordinationsübungen, fängt im Sprung eine Hantel, die der Vater immer unterschiedlich wirft. So trainiert sie im kleinen Sprung auf der Luftmatratze, zu reagieren, handlungsfähig zu sein und trotzdem kontrolliert zu landen. Zum vielfältigen Training gehören in der Ballettschule des Vaters aber auch Ballettübungen. "Die Koordination, die Dehnfähigkeit, aber auch die Kraftfähigkeit. Wir haben ganz viele Beugungen im Ballett, die ich eben auch fürs Springen brauche und auch verschiedene Tiefen von der Beugung und das sind alles ganz wertvolle Dinge." Sie sei eine der wenigen Athleten auf der Welt, die überhaupt zusätzlich eine so gute Ballettausbildung hat.

Unzählige Wiederholungen am Trampolin

Neben den Grundlagen, die Emma Weiß im Ballettsaal des Vaters trainiert, übt sie auch mit einem Trampolin. "Im Trampolin sind wir dann natürlich ein bisschen länger in der Luft, was da natürlich ein bisschen näher an der Schanze ist." In vielen Wiederholungen liegt der Fokus bei den Schrauben zum Beispiel darauf, wann, wo und wie sich die Arme in welcher Phase der Schraube verhalten.

Training mit dem Schweizer Team

Einen Großteil ihres Trainings im Sommer absolviert Emma Weiß allerdings in der Schweiz. An der Wasserschanze in Mettmennstetten kann sie ihre Sprünge nahezu komplett imitieren. Die Winkel an der Wasserschanze sind wie im Winter an der Schneeschanze. Weil sie die einzige Deutsche in der Disziplin in der Weltspitze ist, trainiert sie hier mit dem Schweizer Team und dessen Trainer Michel Roth. Mit ihrem Vater legt sie in Albstadt die Grundlagen, die spezifische Arbeit an den Sprüngen betreut Michel Roth. Er ist dann auch bei den Wettkämpfen vor Ort. Es sei ein großes Glück, mit ihm trainieren zu dürfen, beschreibt Emma Weiß die Zusammenarbeit im Interview mit SWR Sport: "Er macht keine Unterschiede zwischen mir oder seinen Athleten und Athletinnen, sondern wir sind einfach ein Team. Und nach jedem wird gleich viel geschaut. Und das ist auch eine Sache, die ich sehr an ihm schätzen."

Fehlende Unterstützung durch den Skiverband

Ein deutsches Team im Weltcup gibt es momentan nicht, der Nachwuchs fehlt. "Wenn das Interesse insgesamt vom Land nicht da ist, die Athleten auszubilden, dann stirbt es halt einfach mal aus." Sie selbst beschreibt sich als Ausnahme. Nur durch die finanzielle Unterstützung der Eltern war es ihr möglich, ihrer Leidenschaft nachzugehen. "Da müssen wir uns gar nichts vormachen. Ich bin diejenige, die die Arbeit macht, die trainiert. Aber ohne mein ganzes Umfeld ist es schlicht unmöglich."

Mittlerweile finanziert sie sich überwiegend durch individuelle Sponsoren. Von Verbandsseite käme mittlerweile ein bisschen was, aber sehr wenig. Das sei, gerade nach den Erfolgen der letzten Saison, sehr schade, sagt sie enttäuscht. Wenn sie die Erfolge nun bestätigt, hofft sie, dass sie Lust hätten, "ein bisschen was zu investieren, wenn Deutschland eine gute Athletin hat. Dass man da dann einfach auch ein bisschen Geld gibt und eine gewisse Anerkennung dadurch schafft." Das sei bisher leider noch nicht wirklich der Fall.

Der Winter soll olympisch werden

Emma Weiß lässt sich davon nicht abbringen. Sie ist mit 21 Jahren mental stark und sagt sogar: "Ich bin jemand, der im Wettkampf stärker wird, nicht schwächer. Das ist auf jeden Fall eine Fähigkeit, die mich auszahlt." Und es ist sicherlich eine sehr gute Voraussetzung dafür, dass ihr großer Traum für diesen Winter wahr werden kann: Die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele in Peking.