Eiskunstlauf | Weltmeisterschaften Eiskunstlauf in Deutschland: "Niemals hätte ich Aljona Savchenko ziehen lassen"

Stand: 17.03.2022 12:38 Uhr

In der kommenden Woche startet die Eiskunstlauf-WM in Montpellier. Deutsche Medaillenhoffnungen gebe es keine, meint Sportschau-Experte Daniel Weiss. Und auch für die Zukunft sieht er schwarz. Das liege auch am zaghaften Handeln im Falle Aljona Savchenko.

Die Nachricht war ein Paukenschlag: Die ehemalige Eiskunstläuferin Aljona Savchenko, Olympiasiegerin im Paarlauf von 2018, kehrt Deutschland den Rücken und wird Nationaltrainerin in den Niederlanden. Wenige Tage vor den Weltmeisterschaften in Montpellier (23.-27.03. im Livestream bei sportschau.de und bei One) blickt das Deutsche Eiskunstlaufen einer unsicheren Zukunft entgegen.

Weiss: Savchenko-Abgang "eine der schlimmsten Niederlagen"

Sportschau-Experte Daniel Weiss sei "fassungslos" angesichts der Entscheidung. "Dass wir Aljona Savchenko nicht für Deutschland binden konnten, ist eine der schlimmsten Niederlagen, die es seit vielen Jahren gegeben hat", sagt Weiss im Sportschau-Podcast und sprach von einem "derben Tiefschlag".

Sportschau-Wintersport-Podcast, 17.03.2022 11:45 Uhr

Den Verlust des Aushängeschilds im deutschen Eiskunstlaufen habe sich der deutsche Verband zu großen Teilen selbst zuzuschreiben. Von deutscher Seite habe es nur "zaghafte Angebote" ohne finanzielle Zusicherungen für Savchenko gegeben. "Eine Eiskunstläuferin wie Savchenko hat keine Millionen gescheffelt", meint Weiss. "Aber sie muss einem Beruf nachkommen und braucht eine finanzielle Zusicherung. Deshalb hat sie in den Niederlanden zugeschlagen. Das ist wirklich sehr traurig."

Kaum Chancen auf deutsche WM-Medaillen

Schon bei den kommenden Weltmeisterschaften wäre Savchenkos langjährige Erfahrung und Expertise für das deutsche Team von großer Bedeutung gewesen - vor allem mit Blick auf die Zukunft. Für Medaillenhoffnungen in Montpellier sehe es aber so oder so düster aus.

"Keiner unserer Sportler hat wirklich eine Chance, bei den Weltmeisterschaften nach vorne zu laufen", so Weiss. Und das trotz der Abwesenheit der starken russischen, belarusischen und chinesischen Athleten. Russland und Belarus wurden im Zuge des Ukraine-Krieges ausgeschlossen. Die chinesischen Sportler mussten nach den Olympischen Winterspielen für drei Wochen in Quarantäne und konnten sich nicht vorbereiten.

Starostin im Fokus

Die Hoffnung ruhen nun vor allem auf Nikita Starostin. Der 19-jährige gebürtige Russe hatte bei seinem EM-Debüt im Januar in Tallinn den 13. Platz erreicht. Weiss hofft, dass er in Montpellier diese Leistung bestätigen kann.

Das gleiche gilt für die Paarläufer Minerva Hase/Nolan Seegert, die nach der bitteren Enttäuschung in Peking infolge eines quarantänebedingten Kräfteeinbruchs Seegerts endlich wieder an ihre Leistungen aus der Vergangenheit anknüpfen wollen. "Vielleicht reicht es für die Top Ten", sagt Weiss. "Aber von Medaillenträumen sind wir weit entfernt."

"Es fehlt der Biss"

Doch warum hinkt Deutschland im internationalen Vergleich aktuell derart hinterher? Laut Weiss fehlt vor allem im Nachwuchsbereich die Motivation. "Wenn ich das eine oder andere Interview bei den Olympischen Spielen gehört habe, mit welchen Plätzen unsere Sportlerinnen und Sportler zufrieden sind, bin ich erschüttert. Mit dem 17. oder 16. Platz kann man nicht zufrieden sein. Da würde ich mir das ein oder andere kritische Wort schon wünschen. Es fehlt der Biss."

Zudem stagniert die Nachwuchsarbeit in Deutschland. "Ich könnte keinen Namen nennen, der in zehn Jahren oben mitmischen kann", meint Weiss.

Mehr Risiko wagen, weniger verwalten

Darüber hinaus agiere der deutsche Verband zu vorsichtig, was sich am Beispiel von Savchenko zeigt. Zwar fließen die Gelder, auch begründet durch das zuletzt durchwachsene Abschneiden, nicht mehr so wie in der Vergangenheit, doch gleiche die strategische Ausrichtung des Eiskunstlaufens in Deutschland eher einem "Totverwalten". "Man muss auch mal mit einer Frontfrau wie Savchenko ins Risiko gehen und ihr die Mittel geben, etwas aufzubauen" fordert Weiss.

"Wir haben in Oberstdorf, Mannheim, Dortmund und Berlin tolle Trainingsmöglichkeiten. Dazu eine herausragende Sportlerin, die Vieles gewonnen. Sie ziehen zu lassen, ist ein Unding. Nur mit Aljona zusammen, kann man auch den Nachwuchs hochziehen." Doch dafür bedarf es nicht nur Mut, sondern auch Kreativität im Verband. "Es gibt viele Ideen, wie man das Geld für die Sportler verdienen könnte. Der Blick ist zu engstirnig."

Zeitplan der Eiskunstlauf-WM in Montpellier

Mittwoch, 23. März 2022
Startzeit Wettbewerb In der Sportschau
11.10 Uhr Kurzprogramm der Damen Ab 12.45 Uhr im Livestream und bei One
17.45 Uhr Eröffnungsfeier
18.30 Uhr Kurzprogramm der Paare Ab 19.17 Uhr im Livestream
22 Uhr Kurzprogramm der Paare Zusammenfassung bei One
Donnerstag, 24. März 2022
Startzeit Wettbewerb In der Sportschau
11.15 Uhr Kurzprogramm der Männer Ab 12.40 Uhr im Livestream und bei One
18.22 Uhr Kür der Paare Ab 19.08 Uhr im Livestream
22.50 Uhr Kür der Paare Zusammenfassung bei One
Freitag, 25. März 2022
Startzeit Wettbewerb In der Sportschau
11 Uhr Rhythmustanz Ab 12.25 Uhr im Livestream und bei One
18 Uhr Kür der Frauen Ab 19 Uhr im Livestream
22.30 Uhr Kür der Frauen Zusammenfassung bei One
Samstag, 26. März 2022
Startzeit Wettbewerb In der Sportschau
10:55 Uhr Kür der Männer Ab 11 Uhr im Livestream und bei One
17:05 Uhr Eistanz Ab 17.10 Uhr im Livestream und bei One
Sonntag, 27. März 2022
Startzeit Wettbewerb In der Sportschau
14.30 Uhr Schaulaufen Ab 14.30 Uhr im Livestream und bei One

Das deutsche Team für die Eiskunstlauf-WM

Disziplin Athlet:innen Verein
Frauen Nicole Schott (Essener Jugend Eiskunstlauf-Verein
Männer Nikita Starostin ERC Westfalen Kunstlauf
Paarlaufen Minerva Hase/Nolan Seegert Berliner SV 1892/SC Berlin
Eistanzen Jennifer Janse van Rensburg/Benjamin Steffan EC Oberstdorf