Ex-Biathlon-Trainer feiert runden Geburtstag Uwe Müssiggang wird 70 - der Mann, der Biathlon modern machte

Stand: 05.11.2021 15:25 Uhr

Uwe Müssiggang ist der erfolgreichste deutsche Biathlon-Trainer und feiert am Freitag ein Jubiläum. Der Ex-Coach lebt zurückgezogen - ganz ruhig ist es um den Erfolgstrainer aber noch nicht.

Ruhig, bescheiden, analytisch - so haben die Biathletinnen und Biathleten ihren ehemaligen Bundestrainer Uwe Müssiggang erlebt. Und so passt irgendwie auch, dass der erfolgreichste deutsche Biathlontrainer seinen 70. Geburtstag am Freitag (05.11.2021) nicht mit einer großen Party sondern eher zurückgezogen verbringen wird. Ein Kurzurlaub auf der Insel Rügen steht auf dem Programm: "Ganz in Ruhe, ohne großes Feiern und Tam-Tam", wie Müssiggang der Deutschen Presse-Agentur verriet: "Ich bin halt nicht das Feierbiest."

86 Medaillen bei Großereignissen

Grund dafür hätte er allemal. Nicht nur wegen des runden Geburtstages: Müssiggang ist immer noch eine Institution im Biathlon. Die deutschen Frauen betreute er ab 1991, die Männer zusätzlich ab 2011. Unter seiner Regie feierten die deutschen Skijägerinnen und Skijäger 86 Medaillen bei Großereignissen, 70 Mal standen die deutschen Frauen auf dem WM- oder Olympia-Podest, 16 Mal die Männer. Bis zu seinem Rücktritt 2014 formte der gebürtige Sachse unter anderem Uschi Disl, Kati Wilhelm, Andrea Henkel oder Magdalena Neuner zu Weltstars.

Altmodisch in der Ansprache - modern in der Methodik

Ein bisschen altmodisch nannte Müssiggang seine Athletinnen "Mädchen" und immer erst beim Nachnamen. Wie er mit der "Wilhelm-Kati" oder der "Disl-Uschi" aber trainingsmethodisch und psychologisch umging, das ist bis heute hochmodern. So brachte er den Teamgedanken ins Training, als Biathlon noch eine Sportart von Einzelkönnern war. "Mein Grundcredo war: Wir müssen ein Team aufbauen, als es noch kein Team gab", verriet der heute in Berchtesgaden lebende Ex-Trainer im Herbst 2020 auf einer öffentlichen Veranstaltung. Entscheidungen wie etwa eine Staffel-Besetzung "habe ich nie allein getroffen. Da war immer auch der Co-Trainer, manchmal auch die Athletin, die Ärzte oder die Physiotherapeuten beteiligt."

"Einer muss durchkommen" bis heute aktuell

Vom Müssiggang stammt das bis heute im deutschen Team formulierte: "Einer muss durchkommen" - wohl wissend, dass mit nur einer Podestplatzierung der Druck auf das gesamte Team sinkt. Sonderstelllungen im Team gab es nicht, Konkurrenz moderierte er mit Gleichbehandlung: "In der Physiotherapie wurde die Olympiasiegerin genauso behandelt wie die Sportlerin, die neu ins Team gekommen ist", erklärte der heute 70-Jährige.

"Rote Karte" - klare Meinung zu Impfverweigerern

Mehrfach wurde Müssiggang von seinen Trainer-Kollegen zum Biathlon-Trainer des Jahres gekürt. Heute lebt er etwas zurückgezogen auf einem Bauernhof und freut sich, dass es ihm gesundheitlich "bis auf kleine Nickligkeiten, die altersbedingt normal sind", sehr gut geht. Komplett ruhig ist es um Müssiggang aber nicht geworden. Erst kürzlich brachte er sich mit markanten Aussagen zur Impfpflicht ("Wenn ich die rechtliche Grundlage hätte, gäbe es für einen Impfverweigerer die Rote Karte") und der Menschenrechtslage bei Olympia-Gastgeber China ("Wenn ich noch Bundestrainer wäre und nach Peking müsste, hätte ich ein Problem damit, einfach zu sagen, wir kehren das unter den Tisch.") ins öffentliche Gespräch.

Blick aufs deutsche Team: "Bisschen nachdenklich"

Sportlich traut er den Deutschen in Peking aber erfolgreiche Spiele zu: "Denise Herrmann ist immer in der Lage, eine Medaille zu holen. Die Franziska Preuß auch. Vom Leistungsvermögen ebenso der Benedikt Doll." Ganz unbeschwert ist sein Blick auf das deutsche Team aber nicht: "Ich bin schon ein bisschen nachdenklich. Bei den deutschen Meisterschaften ist eine Denise Herrmann mit Riesenabstand vorneweg marschiert. Das war früher anders, da hatten wir eine kompakte Mannschaft, wo jede mal gewinnen konnte."

Was bleibt? "Enge Freundschaften"

Eine Mannschaft, zu der unter Müssiggangs Regie einige Top-Athletinnen der damaligen Zeit gehörten. Und diese werden sicher auch am Freitag an ihren Ex-Trainer denken, auch wenn dieser an die Ostsee gereist ist. Denn, mit Blick auf seine ehemaligen Athletinnen sagt der Coach, der einst selbst Biathlet war: "Da sind sehr enge Freundschaften entstanden. Von Andrea Henkel bekomme ich jedes Jahr Weihnachtspost aus den USA und mit Uschi Disl telefoniere ich regelmäßig nach Schweden."