Wintersport | Biathlon Denise Herrmann - Wenn der Plan funktioniert

Stand: 14.03.2022 08:30 Uhr

Wie man in schwierigen Momenten cool bleibt, das hat Biathletin Denise Herrmann in dieser Saison eindrucksvoll demonstriert. Die 33-Jährige hatte alles dem Erfolg bei Olympia untergeordnet und trotz lauter werdender Kritik ihren Weg beibehalten. Am Ende hat sie es allen gezeigt. Nun stellt sich die Frage nach ihrer Zukunft.

"Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert" - ob Biathletin Denise Herrmann diesen berühmten Spruch aus der 1980er Jahre Kult-TV-Serie "The A-Team" in den vergangenen Wochen irgendwann mal selbst gesagt hat, ist nicht überliefert. Wobei sie allen Grund gehabt hätte, ihn all ihren Kritikern breit grinsend entgegenzurufen.

Am Ende einer wechselhaften und für Psyche und Physis außergewöhnlich strapaziösen Saison, steht ein versöhnliches Ende für die 33-Jährige "Am Anfang hat man als Außenstehender vielleicht nicht genau verstanden, warum ich das eine so oder so gemacht habe. Aber jetzt im Nachhinein muss man sagen: Alles richtig gemacht", sagt sie.

Olympiasiegerin - der Druck fällt ab

Herrmanns Augen funkeln förmlich in die Fernsehkameras an diesen letzten Tagen der Weltcupsaison 2021/2022. Die Sächsin wirkt gelöst, ja fast schon befreit. Ein Indikator für den großen Druck, den die ehemalige Langläuferin in den vergangenen Monaten verspürt haben muss. Die Wahl-Ruhpoldingerin hatte schon vor Beginn dieser Saison kein Geheimnis daraus gemacht, sportlich alles den Olympischen Spielen in Peking unterzuordnen.

Heißt konkret: Zusätzliche Höhen-Trainingslager, extra mit Blick auf Olympia konzipierte Belastungs- und Entspannungsphasen und damit einhergehend die Abwägung, welche Wettkämpfe sie im Verlauf des Winters zugunsten der Olympia-Vorbereitung sausen lässt. Herrmanns Uhr tickte Richtung China, der Weltcup wurde in dieser Saison für sie zur Nebensache.

"Das waren meine letzten Olympischen Spiele und auf die wollte ich mich bestmöglich vorbereiten", erzählt die Olympiasiegerin am Rande des Weltcups im estnischen Otepää: "Für mich war es in der Vorbereitung auf Olympia schon eine große Priorität, dass ich viele Höhen-Aufenthalte habe." So folgte Herrmann also ihrem eigenen Plan, um zum richtigen Zeitpunkt in Topform zu sein. 

Nur nicht die Nerven verlieren

Dafür nahm sie einen holprigen Saisonstart in Kauf. Bis auf einen dritten Platz im Auftakt-Einzel von Östersund im vergangenen November, gelang ihr kein weiterer Sprung auf das Podest. Vor allen Dingen läuferisch hinkte sie den Erwartungen der Öffentlichkeit weit hinterher. Während die Kritik von außen immer lauter und dementsprechend die Zweifel am Plan der Denise Herrmann immer größer wurden, sah sich die 33-Jährige mit der ersten großen Aufgabe dieser Saison konfrontiert: ruhig bleiben und nicht die Nerven verlieren.

"Auch wenn sie gesagt hat, dass sie alles auf Olympia setzt: Es war mit Sicherheit nicht einfach, in dieser Phase so cool zu bleiben", erklärt Sportschau-Expertin Kati Wilhelm die Herausforderung des ersten Saisondrittels. "Ich glaube, Denise hat sich schon das eine oder andere bessere Ergebnis zu Saisonbeginn gewünscht. Da wäre ich als Athletin schon ins Nachdenken gekommen. Das ist ihr nicht passiert. Das zeigt ihre nervliche Stärke und ihr Vertrauen in die eigene Leistungen", fügt Olympiasiegerin Kati Wilhelm an. 

Sportschau-Expertin Kati Wilhelm über Herrmann: "Formuliert klare Ziele"

Dieses Vertrauen in die eigenen Leistungen holte sich Denise Herrmann unter anderem aus ihrem Umfeld. Ihr Verlobter, der ehemalige Skilangläufer Thomas Wick, spielte dabei eine ebenso entscheidende Rolle, wie ihr Trainer im schweizerischen Davos, Andreas Waldmeier. Seit 2016 ging es für Herrmann immer wieder zu Waldmeier in die Höhe. In enger Absprache mit dem Deutschen Skiverband arbeiteten sie akribisch an ihrer Form.

Nur im Weltcup gab es vor Olympia einfach kein Erfolgserlebnis. Die Generalprobe in Antholz Ende Januar ging so richtig daneben - im Massenstart landete sie zwei Minuten hinter der Siegerin. Im Biathlon sind das Welten. "Denise ist wahnsinnig ehrgeizig. Sie setzt sich ihre Ziele sehr klar und formuliert diese", beschreibt Kati Wilhelm Herrmanns Charakter: "Dafür ordnet sie vieles unter. Sie hat mit dem Olympiasieg dann alle Kritiker so ein wenig Lügen gestraft."

Olympiasieg in Peking und mit Rückenwind ins letzte Trimester

Im Einzel von Peking war der große Moment gekommen. Denise Herrmann machte mit nur einem Rennen alle Strapazen, alle Diskussionen, alle Zweifel vergessen. Der von langer Hand ertüftelte Plan, er funktionierte - Olympiagold. Es folgte noch eine Bronzemedaille mit der Staffel.

Statt nun Körper und Seele baumeln zu lassen, kommt Herrmann auch im Weltcup so richtig in Fahrt. "Mir macht dieses letzte Trimester einfach richtig Spaß. Mit Kontiolahti und auch dem neuen Weltcuport Otepää. Ich fühle mich gut und das gibt mir extremes Selbstvertrauen gerade im Hinblick auf das Schießen", erzählt sie und strahlt dabei: "Das Großereignis ist vorbei, für mich spielt der Gesamt-Weltcup in dieser Saison nicht so die große Rolle, ich versuche noch gute Einzelrennen zu machen."

Herrmann weicht Fragen nach ihrer Zukunft aus

Und das gelingt ihr hervorragend. In drei von vier Weltcup-Rennen nach Olympia sprang sie auf das Podium. Mit dem Rückenwind von den Olympischen Spielen in Peking steht sie im Gesamt-Weltcup nun schon auf dem elften Platz.  Mit dem Weltcup-Finale in Oslo steht nun noch ein letztes Saison-Highlight auf dem Programm. "Wir müssen jetzt alle noch die letzten Körner zusammenkratzen. Aber ich fühle mich noch gut von daher freue ich mich drauf. Oslo ist ja ein Ort mit viel Tradition", blickt Herrmann in die kurzfristige Zukunft voraus.

Doch wie sieht es eigentlich langfristig aus? Im kommenden Jahr findet die Biathlon-WM in Oberhof statt. Auf ihre Zukunft angesprochen, weicht Herrmann noch aus: "Eine Heim-WM reizt immer. Aber es kommt drauf an: Wir schauen jetzt mal, wie sich alles so zusammenstellt und was der Körper so macht. Ich fühle mich gut, ich fühle mich gesund. Aber wir lassen erstmal die Saison zu Ende gehen."

Wie lautet der nächste Plan?

Was ihre Leistungen angeht, hat die Olympiasiegerin bewiesen: Sie ist immer noch mittendrin in der Weltspitze und: "Denise ist einfach eine echte Type. Die hat immer was zu sagen. Wäre schön, wenn sie noch ein Jahr bis zur WM in Oberhof 2023 macht", schwärmt Kati Wilhelm. Doch die Ex-Athletin sieht auch die Schwierigkeit nach einer so erfolgreichen Saison wie dieser. "Das nächste Jahr wird nach einem Olympiasieg sicherlich nicht einfach werden. Gerade dann mit der Heim-WM werden die Erwartungen von außen groß sein. Aber auch die Erwartungen von Denise an sich selbst."

Wie man mit schwierigen Drucksituationen umgeht, das hat Denise Herrmann in dieser Saison eindrucksvoll demonstriert. Und so, wie sich Herrmann in den vergangenen Wochen präsentiert, hat sie ganz sicher einen Plan. Und es wäre doch schön, auch am Ende der kommenden Saison frei nach "The A-Team" sagen zu können: "Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert."