Biathlon | Olympia Biathlon: DSV-Frauen im Olympia-Check mit Arnd Peiffer

Stand: 25.01.2022 08:00 Uhr

Die deutschen Biathletinnen laufen den hohen Erwartungen der erfolgsverwöhnten Biathlonnation in dieser Saison hinterher. Außerdem zittert der DSV um den Einsatz seiner besten Athletin. Was ist in Peking von den deutschen Biathletinnen zu erwarten? Der Sportschau-Olympia-Check mit Arnd Peiffer.

Kein Weltcup-Sieg, nur ein Einzelpodest und kein Treppchen für die sonst so solide Staffel: Die deutschen Biathlon-Frauen blicken zwei Wochen vor den Olympischen Spielen in Peking auf eine durchwachsene Saison zurück.

Während Franziska Preuß (wieder einmal) vom Pech verfolgt war, hadert Denise Herrmann (wieder einmal) mit ihren Schießleistungen. Vanessa Hinz gleicht einer Wundertüte, und bei Anna Weidel lief es zuletzt vor allem in der Loipe nicht rund. Hoffnung machen dagegen die Auftritte von Talent Vanessa Voigt. Die deutschen Biathletinnen im Sportschau-Check.

Franziska Preuß - Wettlauf mit der Zeit

Die stabilste deutsche Biathletin startete nach ihrem dritten Platz im Gesamtweltcup 2020/21 mit jeder Menge Selbstvertrauen in die neue Saison - solider Auftakt mit drei Top-Ten-Plätzen in Östersund.

Beim Weltcup in Annecy nahm das Unheil für die 27-Jährige aber seinen Lauf. Wenige Stunden vor dem Start des Sprints rutschte Preuß auf einer Treppe aus und knickte dabei mit dem linken Fuß um. Eine gravierende Verletzung konnte glücklicherweise ausgeschlossen werden, eine Corona-Erkrankung kurz vor Weihnachten warf Preuß in ihren Comebackplänen aber erneut zurück - ein Wettlauf mit der Zeit.

"Keiner, auch sie selbst, kann einschätzen, wie fit sie sein wird", meint Sportschau-Experte Arnd Peiffer. Ihre Nominierung sei aber gerechtfertigt, "da sie die beste oder zweitbeste Athletin im Team ist". Preuß' großer Pluspunkt ist mit Blick auf eine Olympia-Teilnahme die Zeit. "Die Spiele ziehen sich ja auch über einen längeren Zeitraum. Gerade gegen Ende der Spiele könnte sie noch eingreifen. Ich wünsche es ihr sehr", so Peiffer.

Denise Herrmann - die Null muss stehen

Für Denise Herrmann ging die Saison mit einem dritten Platz in Östersund ebenfalls vielversprechend los. Die Sächsin hatte im Vorfeld bewusst auf Testrennen verzichtet und den Weltcup-Start als Teil der Saisonvorbereitung mitgenommen.

"Ich muss mit meinen Kräften haushalten und abwägen, was wichtig ist", hatte Herrmann ihre Saisonvorbereitung auf das Saisonhighlight in Peking ausgerichtet. Doch seit ihrem siebten Platz in der Verfolgung von Hochfilzen fehlt Stabilität. Die jüngsten Platzierungen in den Einzel-Wettbewerben - 23., 24., 41., 26., 38. - sprechen eine deutliche Sprache.

"Es gab Tage, an denen sie läuferisch nicht ganz ihre frühere Leistung gezeigt hat. Aber vor allem am Schießstand haben die Leistungen nicht gereicht für Topplatzierungen. Das war der große Schwachpunkt bei ihr", analysiert Peiffer die Situation. "Die Frage ist, ob sie das bis zu den Spielen in den Griff bekommt. Denn ihre Laufleistung war insgesamt gut. Sie braucht ein Top-Schießen, um vorne reinzulaufen."

Vanessa Hinz - die Wundertüte

Nach durchwachsenem Saisonstart mit Rängen jenseits der Top 20 platzte für Vanessa Hinz in Hochfilzen mit den Rängen zehn (Sprint) und acht (Verfolgung) der Knoten. Auch in Oberhof lief sie starke Rennen und fuhr mit den Mixed-Staffeln unter anderem zwei Top-Ten-Plätze ein.

Dem enttäuschenden 60. Rang im Sprint von Ruhpolding antwortete sie mit einer starken Reaktion in der Verfolgung. Dort machte sie 32 Plätze gut und war dabei in der Loipe genauso schnell wie die Gesamtweltcup-Dritte Elvira Öberg.

Zudem scheinen große Wettbewerbe Hinz zu liegen. 2020 gewann sie sensationell Silber im Einzel bei den Weltmeisterschaften in Antholz. Im vergangenen Jahr trug sie ihren Teil zum Staffel-Silber bei der WM in Pokljuka bei. "Vanessa ist eine Athletin, die es schafft, zum Höhepunkt häufig ihre besten Leistungen zu zeigen", schätzt Peiffer Hinz' Medaillenchancen ein: "Wenn es darauf ankommt, hat sie die Fähigkeit, ihre beste Leistung abzurufen. Sie ist eine Wundertüte".

Für den ganz großen Wurf müsste neben einer fehlerfreien eigenen Leistung auch die Konkurrenz patzen. Ein Platz unter den ersten 15 ist für Hinz aber durchaus drin und dürfte als Erfolg verbucht werden. Zudem ist sie als solide und erfahrene Startläuferin ein wichtiger Bestandteil der Staffel.

Vanessa Voigt - der Shootingstar

Mit Vanessa Voigt hat sich eines der vielversprechendsten Talente im Biathlon binnen kürzester Zeit eindrucksvoll im Weltcup etabliert. Der Übergang aus zweitklassigen IBU-Cup, den sie vergangene Saison gewann, gelang fließend.

"Sie hat die erfreulichste Entwicklung im Damenteam gemacht. Ich bin bei ihr sehr positiv gestimmt", konstatiert Peiffer. "Sie hat sich läuferisch verbessert und ihre hohe Schießquote beibehalten." In der Tat ist Voigt am Schießstand eine Bank. Beim Massenstart in Antholz setzte die 24-Jährige 20 Treffer. "Sie hat eine brutale Persönlichkeitsentwicklung durchgemacht. Sie ist mental einfach sehr stark. Egal wer da rechts oder links neben ihr ist, sie macht ihr Ding", lobte Bundestrainer Kristian Mehringer.

Die Olympischen Spiele sind nun die Kirsche auf der Torte in einer mehr als gelungenen ersten Weltcup-Saison für Voigt. Für Medaillen in den Einzelrennen von Peking wird es zwar noch etwas zu früh sein, Ergebnisse unter den Top 15 sind ihr aber, wie im Weltcup, zuzutrauen. Auch in der Staffel wird sie mit ihrer Schießstärke gesetzt sein.

Anna Weidel - Sorgen in der Loipe

Die wohl meistdiskutierte Personalie im deutschen Olympiateam ist Anna Weidel. Die Athletin vom WSV Kiefersfelden bekam den Vorzug vor der routinierten Franziska Hildebrand und darf sich auf ihre erste Olympia-Teilnahme freuen. Weidel hatte bereits beim ersten Weltcup-Rennen in Östersund mit einem starken neunten Platz die halbe Norm geknackt, konnte ab Dezember aber nicht mehr an ihre Form anknüpfen.

Den Weltcup in Hochfilzen verpasste sie krankheitsbedingt. Beim Sprint in Oberhof stürzte sie, ließ anschließend den Start in Ruhpolding aus und war zuletzt in Antholz in keiner guten läuferischen Verfassung. Im Einzel belegte sie in der reinen Laufzeit den 71. Platz, und auch in der Staffel verlor sie in der Loipe deutlich.

Ihr großer Pluspunkt ist das Schießen. "Sie ist eine großartige Schützin und hat es sich verdient, dabei zu sein", meint Peiffer. Um die vorderen Plätze wird Weidel kaum mitmischen, selbst bei einem perfekten Schießen. Dafür ist der Fitness-Rückstand einfach zu groß. Ob es für einen Einsatz in der Staffel reicht, wird von ihren Auftritten in den ersten Rennen abhängen.

Staffel - "Der Druck ist weg"

Am besten dürften die Medaillenchancen für die deutschen Frauen trotz enttäuschender Saisonresultate in der Staffel sein. Zwar sprangen bei den vier Rennen stets Top-Ten-Plätze heraus, mit zwei vierten, einem fünften und einem enttäuschenden achten Platz konnten Herrmann und Co. aber nicht wirklich überzeugen.

"Die Vorzeichen sind im Moment nicht optimal", erklärt Peiffer, sieht aber genau darin eine Chance für das deutsche Team. "Der Druck ist weg, obligatorisch eine Medaille zu gewinnen. Es kann alles passieren. Wenn es vorher bei den Mädels nicht so gut lief, lief es zum Höhepunkt gut. Das war schon bei der WM in Antholz so."

Deutschland gehört zweifelsohne neben den Staffeln aus Frankreich, Russland, Norwegen und Schweden zu den Favoriten. Dafür muss aber vor allem am Schießstand eine mannschaftsübergreifend solide Leistung her.