Triathlon | Ironman 2022 Kienle noch einmal Ironman-Weltmeister? "Nicht komplett unmöglich"

Stand: 05.05.2022 15:26 Uhr

Sebastian Kienle gehört bei der Ironman-WM am kommenden Wochenende zu den Mitfavoriten. Für den erfolgreichen Triathleten wird das Rennen in St. George/Utah (am 7.5. ab 14 Uhr im Sportschau-Livestream) einer der letzten großen Höhepunkte seiner Karriere.

Von Patrick Stricker

Sebastian Kienle, so viel ist sicher, würde auch einen guten Schriftsteller abgeben. "Es gibt nichts Schlimmeres als ein Buch, das nach zwei Dritteln echt richtig top ist – und dann auf einmal so dahin fadet", sagt der 37-Jährige am Sportschau-Mikro. "Bis jetzt war die Geschichte schon verdammt gut. Aber sie ist ja noch nicht abgeschlossen."

Die Geschichte, das ist jene über Kienles Karriere als Profi-Triathlet. Oder besser gesagt: über seine erfolgreiche Karriere. Drei Mal wurde er in Frankfurt Ironman-Europameister, 2014 auf Hawaii Weltmeister. Hinzu kommen zahlreiche Podestplätze und unzählige weitere Siege, vor allem auch bei Rennen über die Mittel- und Kurzdistanzen. Seit November vergangenen Jahres ist klar: Ende 2023 macht Kienle Schluss. Und die in allen Belangen besondere Ironman-WM am kommenden Samstag (07.05.2022) in St. George im US-Bundesstaat Utah wird einer der letzten Höhepunkte in seiner Laufbahn.

Ironman-WM kehrt nach 938 Tagen zurück

Es sei "unwahrscheinlich, aber nicht komplett unmöglich", dass sich der Baden-Württemberger auf der Zielgeraden seiner Karriere noch einmal die Krone der Triathleten aufsetzt und den WM-Titel einheimst. "Ich glaube, ich bin in einer sehr guten Form und sehe mich in einer erweiterten Chancenrolle für das Rennen in St. George. Aber: Was das am Ende wert sein wird, weiß ich selbst auch nicht", sagt Kienle.

2019, bei der bislang letzten Ironman-WM auf Hawaii, kämpfte sich Kienle als starker Dritter aufs Podium. Danach nahm die Corona-Pandemie auch den Triathlon-Sport in den Klammergriff: Die Weltmeisterschaften 2020 fielen ersatzlos aus, die Ausgabe von 2021 wird nun in Utah nachgeholt. Erst im Oktober soll der wichtigste Wettkampf der Branche nach Hawaii zurückkehren. Wenn am kommenden Samstag um 6.15 Uhr Ortszeit (14.20 Uhr MESZ im Sportschau-Livestream) der Startschuss für das Profi-Rennen der Männer ertönt, werden 938 Tage ohne eine WM vergangen sein.

Kienle setzt in St. George auf den Wohlfühlfaktor

Beim Ironman in Utah, den Kienle ob der Einmaligkeit des Events bereits in den Geschichtsbüchern wähnt, setzt der Athlet auch auf den Wohlfühlfaktor. "Ich kenne den Kurs sehr gut, obwohl ich in St. George nie eine Langdistanz gemacht habe. Ich mag die Gegend unheimlich – die Atmosphäre wird ein sehr würdiger Rahmen für eine WM." Und zwar für eine, die mit den bisherigen Veranstaltungen auf Hawaii kaum vergleichbar sein wird.

Allein die Tatsache, dass ein Saisonhöhepunkt bereits im Mai und nicht erst im Sommer oder im Oktober stattfindet, war für Kienle in Sachen Vorbereitung, Training und Belastungssteuerung eine "Herausforderung". Auf der Schwimmstrecke, die diesmal durch einen See und nicht durch offenes Pazifikgewässer führt, werden erstmals in der Geschichte der Ironman-WM Neoprenanzüge erlaubt sein. Bei einer Wassertemperatur von rund 15 Grad und einer Außentemperatur von knapp unter zehn Grad Celsius mehr als nachvollziehbar.

Ironman in St. George: Sonnenaufgang erst nach Startschuss

Erst wenn die Profis die Wendeboje passiert und die Hälfte der Schwimmstrecke (insgesamt 3,8 Kilometer) absolviert haben, wird die Sonne langsam aufgehen. Das bedeutet: Auch auf den ersten Rad-Kilometern wird die Kälte noch ein Thema sein. Kienle befindet sich dann aber immerhin in seiner sportlichen Komfortzone: Die 180 Kilometer lange Strecke wird er als jahrelanger Radfahrspezialist in Angriff nehmen.

Und dann? Kommt der abschließende und mit sage und schreibe 500 Höhenmetern gespickte Marathon, bei dem Kienle zu jenen Profis gehören will, die "am wenigsten abbauen. Ab einem bestimmten Punkt musst du das Rennen mit dem Herz machen, nicht mit dem Kopf. Und mit allem fighten, was du hast." Seine Erfahrung von fast zwei Jahrzehnten Triathlon soll ihm dabei helfen, könne aber auch ein "zweischneidiges Schwert" sein: "Wenn du beim Ironman weißt, was auf dich zukommt, kann dich das auch bremsen. Geduld wird ein wichtiger Faktor sein."

Frodeno und Lange fehlen in Utah verletzt

In Abwesenheit der verletzten Weltmeister Jan Frodeno (Achillessehne) und Patrick Lange (Schultereckgelenk) ist Kienle der prominenteste deutsche Starter, neben ihm hoffen Florian Angert (Weinheim), Boris Stein (Eitelborn) sowie Andreas Dreitz (Lichtenfels) auf gute bis sehr gute Platzierungen. Seit 2014 hat es mit Kienle, Frodeno und Lange immer einen deutschen Ironman-Weltmeister gegeben. Doch auch diesmal ist die internationale Konkurrenz durch David McNamee aus Großbritannien, den aktuellen Europameister Patrik Nilsson aus Schweden oder den Norweger Kristian Blummenfelt stark vertreten. Dessen Landsmann Gustav Iden laborierte zuletzt an einer Infektion – hofft aber noch, am Renntag gesund an der Startlinie stehen zu können.

Sebastian Kienle, der neben seinem Hauptberuf als Profi-Triathlet auch einen guten Schriftsteller abgeben würde, ist derweil bereit für eines der letzten Kapitel seiner aktiven Laufbahn. "Als ich mein Karriereende angekündigt habe, habe ich gesagt: Ich will noch einmal eine WM gewinnen. Vielleicht hätte ich sagen sollen: Ich will probieren, eine zu gewinnen. Aber ich bin nicht komplett chancenlos – auch nicht im Kampf um den Sieg." Seine Geschichte, sie ist offenbar wirklich noch nicht abgeschlossen.