Ironman 2022 Ironman-Favoritin Haug: Immer schneller, immer höher, immer weiter

Stand: 04.05.2022 17:05 Uhr

Nach fast drei Jahren Corona-Pause findet in den USA wieder eine Ironman-WM statt – allerdings in Utah und nicht auf Hawaii. Anne Haug geht bei diesem Triathlon-Highlight (am 7.5. ab 14 Uhr im Sportschau-Livestream) als Titelverteidigerin an den Start. Und schielt trotz aller Widrigkeiten erneut auf einen Podiumsplatz.

Von Patrick Stricker

Osteopath Gunter Knockaert packt kräftig zu. Er drückt, er fühlt, er zerrt. Erst am Rücken, dann an Hals und Hinterkopf und schließlich auch noch an der Hüfte. Für Laien sehen die ruckartigen Bewegungen bisweilen beängstigend aus, für Knockaerts Patientin ist die Anwendung genau richtig. "Ich muss meine Gelenke wie ein kleines Türmchen aufeinanderstellen lassen", sagt Triathletin Anne Haug hinterher am Sportschau-Mikro. "Damit der Körper ready ist fürs Rennen."

Das Rennen, damit meint Haug die Ironman-Weltmeisterschaften am kommenden Samstag (07.05.2022). Während sich die 39-Jährige in einer angemieteten Wohnung auf einer Behandlungsliege einrenken lässt, deutet ein Foto an der Wand darauf hin, dass die WM ausnahmsweise an einem anderen Ort als sonst ausgetragen wird.

Diesmal nämlich sind die roten Sandstein-Berge rund um St. George im US-Bundesstaat Utah Kulisse für den wichtigsten und prestigeträchtigsten Wettkampf im Triathlon. Nach Hawaii, wo die Ironman-WM normalerweise stattfindet, soll die Veranstaltung im Oktober zurückkehren.

Haug vor Ironman-WM: "Aufregung und Nervosität sind groß"

"Aufregung und Nervosität sind schon sehr groß", gibt Haug ohne Umschweife zu. "So große Rennen sind einfach etwas anderes. Und die letzte Weltmeisterschaft war gefühlt im letzten Jahrhundert", sagt sie lachend. Wegen der Corona-Pandemie war die Ausgabe von 2020 komplett ausgefallen, die von 2021 wird nun in St. George nachgeholt. Wenn dort am Samstagmorgen um 6.20 Uhr Ortszeit (14.20 Uhr MESZ im Sportschau-Livestream) der Startschuss für das Profi-Rennen der Frauen fällt, wird Haug als Titelverteidigerin an der Startlinie stehen. 2019, bei der bislang letzten Ironman-WM, hatte sie sich zur Weltmeisterin gekrönt. Als erste Deutsche überhaupt.

"Die Bürde über drei Jahre tragen zu müssen, war schon krass – weil man nie die Chance hatte, sie mal zu verteidigen", erzählt die Athletin aus Bayreuth. "In drei Jahren kann einfach viel passieren, es wird für alle ein super unsicheres Ding sein. Vielleicht kommen ein paar Athletinnen hoch, die man noch gar nicht auf dem Radar hatte, die sich unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie richtig gut vorbereiten konnten."

In ihrem Sport habe sich in den vergangenen Jahren viel getan: "Immer schneller, immer höher, immer weiter. Wenn du stehen bleibst, bist Du einfach nicht mehr gut genug."

Ironman in Utah wird anders als auf Hawaii

Haug, die seit dem WM-Triumph 2019 außerdem die verkürzte Challenge Roth im vergangenen September für sich entscheiden konnte, hat sich für den Wettkampf in Utah dennoch einiges vorgenommen: "Ich würde lügen, wenn ich sage, ich spekuliere nicht auf einen Podiumsplatz – dafür bin ich hier. Ich bin Profi und möchte aufs Podium rennen. Den Outcome kann man aber nicht beeinflussen, deshalb wünsche ich mir einfach, dass ich meine Leistung abrufen kann."

Auf der Strecke über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dem abschließenden Marathon ist vor allem das Laufen ihre große Stärke. Auf Hawaii absolvierte sie die 42,195 Kilometer vor drei Jahren in einer Zeit von 2:51:07 Stunden. Ein Richtwert für St. George? Eher nicht.

Die Marathonstrecke ist hügeliger als die auf Hawaii, fast schon bergig. Überhaupt gibt es kaum Gemeinsamkeiten, allein die klimatischen Bedingungen werden andere sein. Auch weil das Schwimmen in einem See und nicht im offenen Meer des Zentralpazifiks stattfindet, erwartet Haug von Beginn an eine völlig neue Renndynamik. Ihr Plan: nicht viel später als Top-Schwimmerin Lisa Norden (Schweden) aus dem Wasser steigen, auf der selektiven Radstrecke aufmerksam in den eigenen Körper horchen – um dann beim Laufen noch genug Körner zu haben.

Ryf könnte zum fünften Mal Weltmeisterin werden

Zu den stärksten Konkurrentinnen im Kampf um die vorderen Plätze zählt Haug die viermalige Weltmeisterin Daniela Ryf aus der Schweiz und Katrina Matthews aus Großbritannien. Die Heidelbergerin Laura Philipp, der ebenfalls gute Chancen auf eine Medaille zugerechnet worden waren, ist wegen einer Corona-Infektion nicht in die USA gereist.

Neben Haug steht mit Laura Zimmermann (Marktoberdorf) eine weitere Deutsche auf der Startliste. Carolin Lehrieder (Würzburg) hat am Mittwoch ihre Teilnahme wegen einer Corona-Infektion absagen müssen. "Es bricht mir das Herz", schrieb sie auf Instagram. "Nachdem ich es geschafft habe, Covid 2,5 Jahre lang zu vermeiden, hat es mich schließlich mit dem schlechtesten Timing aller Zeiten erwischt."

In St. George glaubt Titelverteidigerin Haug derweil nicht, dass auch nur ansatzweise Zeit für die schöne Landschaft mit all den Bergen aus rotem Sandstein sein wird: "Bei einem Rennen wie diesem muss man konzentriert und fokussiert bleiben, man darf keine Fehler machen." Zumindest Anne Haugs Körper ist auf jeden Fall bereit. Dafür hat der Osteopath ja kräftig gesorgt.