Tischtennis | Team-EM EM-Start: Wer folgt auf Boll und Ovtcharov?

Stand: 27.09.2021 09:16 Uhr

Kaum einen Wettbewerb haben die deutschen Tischtennissportler in den vergangenen 15 Jahren so dominiert, wie die Mannschafts-Europameisterschaft. Zehn Titelkämpfe, acht Mal Gold, zwei Mal Silber - vor allem dank Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov. Doch die beiden Silbermedaillen-Gewinner von Tokio fehlen, wenn ab Dienstag (28.09.2021) im rumänischen Cluj um den EM-Titel gespielt wird. Das sorgt für eine völlig neue Ausgangslage.

"Die ersten beiden Wochen nach Olympia war ich mental so müde, so ausgelaugt, so tot", sagt Dimitrij Ovtcharov, der in Tokio mit Silber in der Mannschaft und Bronze im Einzel das wohl beste Turnier seines Lebens spielte. Extrem viel Energie haben nicht nur die Spiele selbst, sondern auch die lange Fokussierung im Vorfeld gekostet. Kein Durchatmen, keine Pause, für fast ein ganzes Jahr.

Und deshalb heißt es für die deutschen Topstars, schonend mit den Energie-Reserven umzugehen. Timo Boll ist mittlerweile 40, Dimitrij Ovtcharov immerhin auch schon 33. Bei keiner Team-Europameisterschaft seit 2007 hat Ovtcharov gefehlt, Timo Boll auch nur ein einziges Mal. Diese beiden waren die verlässliche Erfolgskonstante im deutschen Team.

Entscheidung schon vor Olympia

Doch schon vor den Olympischen Spielen in Tokio hat Bundestrainer Jörg Roßkopf entschieden, dass die Team-Europameisterschaft dieses Mal ohne seine langjährigen Leistungsträger stattfinden wird. "Es gibt vier große Saison-Highlights 2021. Im Juni hatten wir die nachgeholte Einzel-Europameisterschaft, dann kam Olympia, jetzt die Mannschafts-EM. Im November folgt noch die Weltmeisterschaft. Bei allen vier Top-Events gut zu sein, das funktioniert einfach nicht."

Und so wird die Mannschafts-EM für das deutsche Männer-Team zu einer völlig neuen Herausforderung. Denn wenn die übrigen Spieler bei früheren Turnieren an die Platte mussten, dann fast immer mit einer Führung im Rücken, für die Boll und Ovtcharov gesorgt hatten.

"Das war bequem für die Jungs, sie hatten nicht den ganz großen Druck. Die Jüngeren haben sich viel zu selten angeboten. Doch jetzt müssen sie sich beweisen, denn wir brauchen eine neue Generation, auch mit Blick auf Olympia 2024 in Paris", sagt der Bundestrainer.

Patrick Franziska als Teamleader

Die Führungsrolle im deutschen EM-Team soll der Saarbrücker Patrick Franziska ausfüllen. Der gehörte auch bei Olympia zum deutschen Silber-Trio. Franziska präsentiert sich, nach einer durchwachsenen vergangenen Saison, aktuell in Topform. Vor einer Woche gewann der 29-Jährige das Europe Top 16 Turnier. Sein größter Einzelerfolg.

In früheren Jahren konnte der Nationalspieler dort nie dabei sein, weil die beiden deutschen Startplätze immer durch Boll und Ovtcharov eingenommen wurden. Durch den Erfolg rückte Patrick Franziska in der Weltrangliste vor auf Rang 14, so gut wie noch nie.

"Jetzt haben wir bei der Europameisterschaft eine sehr ausgeglichene Mannschaft. Keiner kann sich mehr verstecken. Wir sind alle megaheiß auf das Turnier. Ich sehe uns trotzdem als Mitfavorit auf den Titel", beschreibt der neue Kapitän seine Erwartungen. Gemeinsam mit Patrick Franziska treten in Cluj der deutsche Einzelmeister Benedikt Duda, Abwehrspezialist Ruwen Filus, Mixed-Europameister Dang Qiu und Nachwuchstalent Kay Stumper an.

Hoffnungen auf den EM-Titel

In der Vorrunde trifft das deutsche Team auf die Ukraine und Belarus. Das Finale findet am nächsten Sonntag statt. "Als unsere schärfsten Gegner im Kampf um die Goldmedaille sehe ich Schweden und Portugal. Alle Nationen werden sehr motiviert sein, weil sie wissen, dass sie durch die Nicht-Teilnahme von Boll und Ovtcharov eine realistische Chance auf den EM-Titel haben", urteilt Jörg Roßkopf.

"Die Jungs haben die Qualität, das zu schaffen", ist auch der pausierende Dimitrij Ovtcharov überzeugt. Möglicherweise entsteht im deutschen Team bei jedem Einzelnen sogar eine ganz eigene Motivation bei dieser Europameisterschaft, hofft zumindest der neue Kapitän Patrick Franziska: "Mit Boll und Ovtcharov gehst Du immer davon aus zu gewinnen. Jetzt wird jedes Spiel schwerer, aber es würde jeden in der Mannschaft umso stolzer machen, den Europameistertitel zu gewinnen."