Die Ukrainerin Marta Kostjuk beim Turnier in Dubai

Startrecht für Russen Zunehmende Konflikte beim Tennis als Vorboten

Stand: 22.03.2023 15:27 Uhr

Ukrainer und Russen im selben Wettbewerb - im Tennis ist das Alltag. Doch die Konflikte dort lassen erahnen, was der Sportwelt bevorsteht.

Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus sollen möglichst bald wieder starten dürfen bei internationalen Sportereignissen, das wünschen sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) und sein Präsident Thomas Bach. Das Ziel ist, dass in Paris 2024 alle Topstars dabei sind. Niemand dürfe wegen seines Passes ausgeschlossen werden, lautet das Haupt-Argument.

Während fast alle internationalen Sportverbände Russen und Belarusen seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine ausgeschlossen haben, geht der Tennissport einen Sonderweg. Die Profis gelten dort als Weltenbürger, die zu einem großen Teil im Ausland leben und längst nicht so abhängig von staatlicher Förderung sind wie viele andere Sportler. Deshalb dürfen Andrej Medwedew (Russland), Aryna Sabelenka (Belarus) und Co. bei fast allen wichtigen Turnieren unter neutraler Flagge starten.

ITF und Wimbledon sprechen Startverbot aus

Einig sind sich die Organisatoren in dieser Frage allerdings nicht. So schließt der Weltverband ITF russische Teams im Davis Cup und beim Billie Jean King Cup aus. Ähnlich ging im vergangenen Jahr auch das prestigeträchtige Grand-Slam-Turnier in Wimbledon vor, mit Folgen: Die Spielerorganisationen ATP und WTA entzogen Wimbledon die Vergabe von Weltranglisten-Punkte und sprachen eine Geldstrafe aus. Ob Wimbledon in diesem Jahr Russen und Belarusen wieder zulassen wird, ist noch unklar.

Ansonsten verlief das Neben- und Miteinander der Profis relativ geräuschlos, auch weil sich einige russische Topspieler schnell vom Krieg distanzierten, darunter Anastasia Pawljutschenkowa und Medwedew.

Kostjuk verweigert Gratschewa den Handschlag

Doch mittlerweile ist kaum noch Kritik am Krieg zu vernehmen, Rublew sei als Ausnahme genannt, und die Irritationen häufen sich. Als die ukrainische Spielerin Marta Kostjuk Anfang März das Turnier in Austin (USA) gewann, verweigerte sie ihrer russischen Gegnerin Warwara Gratschowa den Handschlag.

Sie hatte schon zuvor angekündigt, dies bei Spielerinnen zu tun, die sich nicht eindeutig gegen den Krieg positionieren. "Ich möchte diesen Titel der Ukraine und all den Menschen widmen, die gerade kämpfen und sterben", sagte Kostjuk nach dem Spiel.

Tsurenko spricht von Panikattacke

Wenige Tage später trat Kostjuks Landsfrau Lesie Tsurenko nicht zu ihrer Drittrundenpartie in Indian Wells an, so kam Aryna Sabalenka aus Belarus kampflos weiter. Tsurenko nannte eine Panikattacke als Grund, die sie auf ein Gespräch mit Steve Simon zurückführte, dem Chef der Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen WTA.

Laut Tsurenko hat Simon gesagt, sie solle sich nicht darüber aufregen, wenn Spielerinnen und Spieler aus Russland und Belarus den Krieg befürworteten, das sei deren persönliche Meinung. Auf die Bitte um zusätzliche Unterstützung für ukrainische Spielerinnen sei Simon zudem nicht richtig eingegangen. "Dieses Gespräch hat mich schockiert zurückgelassen", sagte Tsurenko.

Unterstützung erhielt Tsurenko durch die Weltranglistenerste Iga Swiatek. Die Polin forderte öffentlich mehr Hilfe für Profis aus der Ukraine.

WTA spricht wie das IOC

Die WTA reagierte auf eine Anfrage von "The Tennis Podcast" dazu mit den Worten: "Die WTA hat durchweg die volle Unterstützung für die Ukraine gezeigt und wir verurteilen die Taten der russischen Regierung aufs Schärfste." Ein Grundprinzip der WTA sei aber auch, sicherzustellen, dass individuelle Athleten basierend auf ihren Verdiensten und ohne jede Form von Diskriminierung an Tennisturnieren teilnehmen können. Sie dürften nicht für Entscheidungen von Regierungen ihrer Länder bestraft werden.

Das ähnelt sehr der Argumentation des IOC und auch sonst gibt es Parallelen: In beiden Fällen hat die Nicht-Diskriminierung der Russen gravierende Folgen vor allem für Sportlerinnen und Sportlern aus der Ukraine.

Fechten: Ukraine boykottiert Wettbewerbe

Beispiel Fechten: Dort haben sich der ukrainische Fechtverband dazu entschlossen, Wettkämpfe zu boykottieren, bei denen Russen und Belarusen starten dürfen. Dafür hatte der internationale Fecht-Verband FIE zuletzt den Weg frei gemacht - auch mit Hilfe einer Stimme aus Deutschland. Für Fechterinnen wie die 32-jährige Olga Kharlan könnte das bedeuten, dass ihre Karriere vorzeitig beendet ist. Auch viele Fechterinnen und Fechter anderer Nationen haben sich gegen die FIE-Entscheidung ausgesprochen.

Die Bestrebungen der Funktionäre werden wohl noch deutlichere Turbulenzen auslösen. Russen und Ukrainer friedlich nebeneinander beim Sport, während Russland die Ukraine weiter mit einem blutigen Krieg überzieht - im Tennissport ist das schon schwierig, in anderen Sportarten kaum vorstellbar.