Tennis | Sportpolitik Zverev kritisiert Wimbledon-Aus für russische Tennis-Profis

Stand: 22.04.2022 18:41 Uhr

Tennis-Olympiasieger Alexander Zverev hat den Wimbledon-Ausschluss russischer und belarusischer Tennisprofis kritisiert. Zuvor nannte die Spielervereinigung ATP das Vorgehen der Turnierverantwortlichen "unfair" und erwägt Sanktionen.

"Ich denke, dass es absolut korrekt ist, Russlands Nationalmannschaften aus dem Wettbewerb zu nehmen wie beim Davis Cup oder der Fußball-WM. Das ist gegen Russland, das kann ich verstehen. Den Einzelspielern hingegen sollte man zugestehen, dass sie bereit sind, der Ukraine zu helfen. Daher sehe ich keinen Grund, warum sie nicht in Wimbledon spielen sollten", sagte Zverev am Freitag (22.04.2022) vor dem Sandplatzturnier in München.

So habe etwa sein russischer Freund Andrej Rublew kundgetan, dass er sich klar gegen den Krieg positioniere und bereit sei, das Preisgeld für die Menschen in der Ukraine zu spenden.

Zverev: "Wimbledon macht, was sie wollen"

Die Entscheidung der Wimbledon-Verantwortlichen zeige, so der 25-Jährige gebürtige Hamburger, dass die verschiedenen Tennis-Gemeinschaften nicht zusammenstünden. "Wir spielen das ganze Jahr auf der Herren-Tour mit einer Regel. Nämlich, dass die russischen Tennisspieler nicht unter russischer Flagge spielen dürfen. Wimbledon macht, was sie wollen", so Zverev.

Betroffen vom Wimbledon-Ausschluss sind der Russe Daniil Medwedew, Zweiter in der Weltrangliste, und auch Aryna Sabalenka aus Belarus. Sie war im Vorjahr erst im Halbfinale auf dem Rasen von Wimbledon ausgeschieden. Neben Medwedew und Rublew dürfen somit allein bei den Männern aus den Top 30 auch Karen Chatschanow und Arslan Karazew nicht teilnehmen. Bei den Frauen sind es sechs Spielerinnen unter den Top 40.

Russisches Regime soll keinen Nutzen ziehen

Grund für den Ausschluss ist der seit dem 24. Februar dauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der vom belarusischen Diktator Alexander Lukaschenko unterstützt wird.

Es stünde mit in der Verantwortung des Turniers, den weltweiten Einfluss Russlands mit den möglichen Mitteln zu beschränken, teilten die Organisatoren mit. Angesichts des Angriffskriegs wäre es nicht zu akzeptieren, dass das russische Regime Nutzen aus den Auftritten von Tennisprofis aus Russland oder Belarus in Wimbledon ziehen könne, begründeten sie. Falls sich die Bedingungen bis Juni grundlegend veränderten, werde dies bedacht.

"Wir sind uns bewusst, dass dies für die betroffenen Einzelsportler eine harte Entscheidung ist", sagte Wimbledon-Boss Ian Hewitt, "es ist traurig, dass sie unter den Taten der Anführer des russischen Regimes leiden müssen."

ATP nennt Wimbledon-Vorgehen "unfair" und erwägt Sanktionen

Die Spielervereinigung ATP stellte dagegen klar, dass bei ihren Turnieren Spieler aus Russland und Belarus weiter unter neutraler Flagge starten dürften. Dieses Prozedere, das auch bei den von der WTA organisierten Frauen-Turnieren greift, war in der Szene auch für die Grand-Slam-Turniere erwartet worden. Die ATP nannte darüber hinaus das Vorgehen der Wimbledon-Organisatoren "unfair".

"Eine Diskriminierung auf Grundlage einer Nationalität bedeutet eine Verletzung unserer Übereinkunft mit Wimbledon, wonach die Teilnahme von Spielern einzig auf der ATP-Rangliste fußt", teilte die Spielervereinigung mit.

Laut der französischen Sportzeitung "L'Equipe" erwägt die WTA Sanktionen gegen Wimbledon. Dies berichtete die Zeitung unter Berufung auf eine entsprechende E-Mail von WTA-Chef Steve Simon, die ihr nach eigenen Angaben vorliegt.

Als eine der möglichen Sanktionen nannte Simon, dass die in Wimbledon erspielten Weltranglistenpunkte nicht gewertet würden. In Madrid, wo ab der kommenden Woche ein großes gemeinsames Turnier von Damen und Herren stattfindet, solle in einer Sitzung, an der Turnierchefs, Vertreterinnen der Spielerinnen und der WTA teilnähmen, über die weiteren Schritte beraten werden.

Auch Damentennis-Ikone Billie Jean King, die vor knapp 50 Jahren entscheidend an der Gründung der WTA beteiligt war, äußerte sich ablehnend zum Wimbledon-Beschluss. "Ich kann den Ausschluss einzelner Athletinnen von Turnieren nur wegen ihrer Nationalität nicht unterstützen", schrieb die 78-Jährige bei Twitter.

Auch Bundestrainerin Barbara Rittner findet es "unglaublich schwierig", Spieler und Spielerinnen auszugrenzen, die ja teilweise noch Familie in Russland hätten und sich um diese Sorgen machten, sagte sie dem SWR.

Kritik aus Russland

Russland kritisierte die Entscheidung scharf. "Ein weiteres Mal werden Sportler zu Geiseln irgendwelcher politischer Befangenheiten, politischer Intrigen, feindlicher Handlungen gegen unser Land gemacht. Das ist nicht hinnehmbar", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge.

Organisatoren lehnen Vorschlag aus Politik ab

Die Lawn Tennis Association, der Tennis-Dachverband von Großbritannien, bestätigte, dass auch die Organisatoren der Vorbereitungsturniere in Großbritannien sich der Entscheidung des "All England Lawn Tennis and Croquet Club" anschließen wollen, der das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon ausrichtet.

Bislang unter neutraler Flagge

Das dritte Grand-Slam-Turnier des Jahres findet vom 27. Juni bis 10. Juli statt. Wimbledon ist das erste Event, das Tennisprofis wegen der russischen Invasion in die Ukraine ausschließt.

Der Weltverband ITF hatte die Teams aus Russland und Belarus aus seinen Mannschaftswettbewerben Davis Cup und Billie Jean King Cup ausgeschlossen.