Tennis | Australian Open Der Fall Novak Djokovic - Australien weist harsche Kritik zurück

Stand: 07.01.2022 09:53 Uhr

Novak Djokovic harrt immer noch in Melbourne aus. Der Vater des serbischen Tennisstars klagt, sein Sohn werde gefangen gehalten. Die australische Regierung weist die Kritik zurück und sagt, Djokovic dürfe jederzeit ausreisen.

Tennis-Star Novak Djokovic versucht mit allen Mitteln, doch noch an den am 17. Januar beginnenden Australian Open teilnehmen zu können. Der 34-Jährige ist von den Bundesbehörden vor der Einreise am Flughafen festgesetzt worden und leitete daraufhin ein Bundesgerichtsverfahren ein, um im Land bleiben zu können.

Seine Anwälte haben am Donnerstag (06.01.2022/Ortszeit) eine einstweilige Verfügung erwirkt, die besagt, dass er bis kommenden Montag im Land bleiben darf. Dann wird ein Gericht über den Fall entscheiden.

"Er kann jederzeit gehen"

Australiens Behörden wiesen Vorwürfe der Familie von Novak Djokovic zurück, sie halte den Tennisstar seit dessen Ankunft in Melbourne wie einen Gefangenen fest. "Herr Djokovic wird nicht in Australien gefangen gehalten, er kann jederzeit gehen, und der Grenzschutz wäre dabei behilflich", sagte Innenministerin Karen Andrews dem Sender "ABC News" am Freitag (07.01.2022).

Andrews verteidigte das Vorgehen der Behörden und sagte dem TV-Kanal "Seven Network", Djokovic habe es versäumt, die richtigen Informationen für seine Einreise nach Australien bereitzustellen: "Sie werden von jedem verlangt, der in das Land einreist. Wenn diese Informationen nicht bereitgestellt werden können, sind die Einreisebestimmungen für Australien nicht erfüllt."

Darüber wird gestritten

In der Sache geht es um die Frage, ob Novak Djokovic eine Sondergenehmigung aus medizinischen Gründen erhalten hat, die es ihm erlaubt, an den Australian Open teilnehmen zu können. Denn die Einreisebestimmungen für Australien sind eindeutig. Menschen, die ein Visum besitzen und doppelt geimpft sind, können seit dem 15. Dezember wieder nach Australien einreisen.

Wer aber nicht doppelt geimpft ist, muss nachweisen, dass eine Immunisierung aus medizinischen Gründen unmöglich ist. "Jedermann, der nach Australien einreisen will, muss sich unseren strikten Einreisebestimmungen beugen", sagt Andrews, es gebe keinerlei Sonderbehandlungen.

Djokovic hat sich mehrfach geweigert, seinen Impfstatus offenzulegen. Der Serbe hatte vor seiner Reise nach Down Under in den sozialen Medien verkündet, dass er über die notwendige Sondergenehmigung für Australien verfüge. Woraus sich schließen lässt, dass er nicht geimpft ist.

Ministerpräsident Scott Morrison erklärte allerdings, Djokovic habe nie eine "medizinische Ausnahmebescheinigung" besessen. Er sei auch in längeren Verhören nie in der der Lage gewesen den Grenzschutzbeamten am Flughafen diesen medizinischen Nachweis zu erbringen. "Das Visum wurde gecancelt", sagte Australiens Gesundheitsminister Greg Hunt. "Wenn jemandem das Visum gecancelt wird, muss er das Land verlassen. Ja, es ist hart. Aber es ist fair. Es ist eine Regelung für alle.“

Von den mehr als 3.500 Personen, die für die Australian Open nach Melbourne reisen, haben dem Turnierchef Craig Tiley zufolge 26 einen Antrag auf Einreise ohne Impfung gestellt. "Eine Handvoll", so Tiley, sei genehmigt worden. Die Zeitung "The Age" berichtet, dass die Australian Border Force nun auch gegen mindestens einen weiteren ungeimpften Tennisspieler und einen Beamten ermittelt, der ebenfalls gegen die Grenzregeln verstoßen haben könnte. Innenministerin Andrews bestätigte am Freitag zwei weitere Problemfälle im Zusammenhang mit den Australian Open, die nun vom Grenzschutz geprüft würden. Namen und Details wurden nicht genannt.

Die politische Dimension

Der Bundesstaat Victoria hatte Djokovic die Sondergenehmigung nach Überprüfung durch zwei unabhängige Expertengremien offenbar erteilt. Den Grenzschutz verantwortet allerdings die Bundesregierung. Und die hat Ermessensspielraum. Eine frühere Infektion reiche nicht aus, lässt die Behörde auf ihrer Homepage wissen. "Zwei Dosen Impfstoff sind dann immer noch erforderlich, um als voll geimpft zu gelten." Somit durfte Djokovic nicht einreisen und musste in sogenannte Einwanderungshaft ins Park Hotel in Carlton.

Australiens Regierungschef Scott Morrison verteidigte das Vorgehen der Grenzschützer. "Regeln sind Regeln, und es gibt keine Spezialfälle", sagte er am Donnerstag. Allerdings widersprach diese Einschätzung der vom vergangenen Montag, als Morrison noch davon sprach, "sie (Victorias Regierung) haben ihm eine Ausnahmegenehmigung für die Einreise nach Australien erteilt, und wir handeln entsprechend dieser Entscheidung".

Allerdings sorgt die Causa Djokovic bei der australischen Bevölkerung für Unverständnis und Ärger. Die Bewohner Melbournes mussten den längsten Lockdown der Welt über sich ergehen lassen. 262 Tagen dauerte dieser Zustand an.

Nun hat die nächste Corona-Welle den Bundesstaat Victoria, dessen Hauptstadt Melbourne ist, erneut fest im Griff. Täglich gibt es neue Rekordzahlen, am Mittwochmorgen wurden 17.636 neue Fälle und elf weitere verstorbene Menschen vermeldet.

Und dass Djokovic als 20-facher Grand-Slam-Sieger regelmäßig über vier Stunden bei großer Hitze auf dem Platz steht und körperliche Höchstleistungen erbringen muss, lässt manch einen australischen Bürger an der Berechtigung einer Ausnahmeregelung zweifeln.

In Djokovics Heimatland schlagen die (emotionalen) Wellen derweil hoch. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic erklärte auf Instagram, er habe mit Djokovic telefoniert und ihm gesagt, dass "ganz Serbien bei ihm ist". Die serbischen Behörden würden "alle Maßnahmen ergreifen, damit die Misshandlung des besten Tennisspielers der Welt so schnell wie möglich aufhört. Serbien wird für Novak Djokovic kämpfen, für Gerechtigkeit und Wahrheit."

Novak Djokovics Vater Srdjan rief sogar zu Widerstand auf. "Sie halten meinen Sohn gefangen. Wenn sie ihn nicht in der nächsten halben Stunde freilassen, werden wir uns auf der Straße versammeln. Dies ist ein Kampf für alle", verkündete er.

Die Spielergewerkschaft PTPA sicherte ihrem Präsidenten und Mitbegründer Djokovic Unterstützung zu. "Mit dem größten Respekt vor allen persönlichen Meinungen zu Impfungen sollte geimpften und ungeimpften (mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung) Athleten die gleiche Freiheit gewährt werden", an Turnieren teilzunehmen, forderte die PTPA, die im August 2020 unter anderem von Djokovic gegründet wurde und in Konkurrenz zum bestehenden Spielerrat der Herren-Organisation ATP steht.

Djokovics Haltung zur Corona-Impfung

"Ich persönlich bin gegen eine Impfung und möchte nicht von jemandem gezwungen werden, einen Impfstoff zu nehmen, um reisen zu können", sagte Djokovic in einem Live-Facebook-Chat im April 2020 mit mehreren serbischen Athleten.

Im vergangenen Juni hatten sich der Serbe und seine Frau Jelena bei seiner selbst organisierten und umstrittenen Adria-Tour mit dem Coronavirus Infiziert, er hatte aber einen milden Verlauf ohne Symptome. Bei der Veranstaltung wurden Grigor Dimitrov und dessen Trainer, Djokovics Fitnesstrainer und Borna Coric, Viktor Troicki und seine damals hochschwangere Frau Aleksandra positiv getestet.

Des Weiteren sollen über 100 Menschen in Quarantäne versetzt worden sein. Darunter auch der Bürgermeister von Zadar sowie zahlreiche Kinder, die während der Adria Tour gemeinsam mit Djokovic trainierten. "Es tut mir unfassbar leid für jeden einzelnen Infektionsfall. Ich hoffe, dass dies die Gesundheitssituation von niemandem erschwert und dass es allen gut geht", sagte Djokovic damals.