
Randsportarten Hockeyspieler Timur Oruz: Kampf um mehr Aufmerksamkeit und Geld
Timur Oruz hat im Hockey viel erreicht. Trotzdem geht es ihm wie vielen Spitzensportlern von Randsportarten: Aufmerksamkeit und Geld sind knapp. Der 28-Jährige möchte das ändern.
Es war das wichtigste Spiel im internationalen Vereinshockey: das Finale der Euro Hockey League in der vergangenen Woche. Und mit Rot-Weiss Köln stand ein deutsches Team im Endspiel. Doch interessiert hat die 0:1-Final-Niederlage der Kölner gegen den niederländischen Titelverteidiger HC Bloemendaal kaum jemanden. "Die sogenannten Randsportarten haben einfach große Probleme in Deutschland Aufmerksamkeit zu bekommen", erzählt Hockeyspieler Timur Oruz, der beim Finale für Köln auf dem Platz stand.
Spitzensport gegen Amateurbezahlung
Wenig Aufmerksamkeit bedeute oft auch wenig Geld. Als Spitzensportler einer Randsportart müsse man sparsam leben, fleißig trainieren und erfolgreich sein, damit das Geld reiche. "Wir haben oft sechs, sieben, acht Quellen, wo wir Gelder herbekommen. Das sind dann zum Beispiel 200 Euro Spritkosten, eine Aufwandsentschädigung oder eine Trainerpauschale", erklärt Oruz. Momentan könne er von seinen Einkünften als Sportler leben – auch weil er durch Erfolge wie den WM-Titel in diesem Jahr mehr Geld von der Sportförderung bekomme. "Aber im Durchschnitt reicht das vorn und hinten nicht", so Oruz mit Blick auf viele andere olympische Athleten.
Timur Oruz hat nach eigenen Angaben eine 40-Stunden-Woche. "Ich komme problemlos auf 14 Trainingseinheiten die Woche", sagt er. Dazu kommen Hockeyspiele am Wochenende, internationale Vereinsturniere und auch Reisen mit der Nationalmannschaft. Zeit für einen Job bleibt kaum.

Hockeyspieler Timur Oruz bei der WM 2023
Gründung des Verbundes Kölner Athleten
Timur Oruz hat sich entschieden, etwas gegen dieses Problem zu tun und hat im vergangenen Jahr den Verbund Kölner Athleten gegründet. Mittlerweile gehören 25 Athletinnen und Athleten zum Verbund. "Ich habe das Rad nicht neu erfunden, sondern einfach nur nach links und rechts geschaut", sagt er. "Meine Schwester spielt zum Beispiel auch erfolgreich Hockey – nicht in Köln, sondern in Düsseldorf. Und dort genießt sie seit vielen Jahren die Unterstützung der Sportstadt Düsseldorf."
Spitzensportler in Düsseldorf erhalten neben den üblichen Förderungen eine weitere Unterstützung der Stadt Düsseldorf. Oruz Schwester bekomme einige hundert Euro pro Monat, außerdem werde ihr ein Auto gestellt. "So etwas gibt es in Köln nicht. Das war für mich sehr schwer zu verstehen", so Oruz. Er nahm Kontakt mit der Stadt Köln auf, aber: "Nach ein paar Gesprächen kamen wir zum Schluss: Wir müssen das selber in die Hand nehmen, sonst passiert da nichts. Und so haben wir dann einen Verein gegründet."
Großer Sport-Tag geplant
Das Ziel sei ein Netzwerk nach Düsseldorfer Vorbild. Die Athletinnen und Athleten im Verbund sollen von Sponsoren wie zum Beispiel Kölner Unternehmen monatlich eine finanzielle Unterstützung von einigen hundert Euro bekommen. Im Gegenzug möchten sie dafür etwas zurückgeben. "Wir möchten zu den Unternehmen gehen, Keynotes halten, Unternehmens-Sport anbieten, für die Gesellschaft und die Menschen in Köln sichtbarer werden", erklärt Oruz.
Eine Idee sei zum Beispiel ein großer Sport-Tag in Köln im nächsten Jahr. "Kinder sollen sehen, dass es den 1. FC Köln gibt. Aber sie sollen auch sehen, dass es den Judo-Klub, den Hockey-Club und den Fechtverein gibt. Wir möchten als Vorbilder fungieren und die Vielfalt des Sports abbilden."
Alle Mitglieder - Verbund Kölner Athleten
Judo
Alexander Wieczerzak
Anna-Maria Wagner
Alina Böhm
Miriam Butkereit
Martyna Trajdos
Jasmin Grabowski
Hockey
Christopher Rühr
Mats Grambusch
Tom Grambusch
Thies Prinz
Johannes Große
Jean Danneberg
Timur Oruz
Pia Maertens
Nike Lorenz
Julia Sonntag
Weitere
Lukas Schiwy (Sitzvolleyball)
Nelvie Tiafack (Boxen)
Stefanie von Berge (Boxen)
Andreas Mies (Tennis)
Felix Streng (Para Leichtathletik)
Joshua Hartmann (Leichtathletik)
Leonie Fiebig (Bobfahren)
Matyas Szabo (Fechten)
Sarah Voss (Turnen)

Hockeyspieler Timur Oruz
Zurückhaltung von Stadt und Olympiastützpunkt
Eine Idee, die laut Oruz nicht nur Zuspruch bekommt. "Wir haben das Projekt aus Athleten-Perspektive gestartet und merken, dass das ein steiniger Weg ist", so Oruz. "Wir waren doch sehr überrascht, wie viel Gegenwind von den etablierten Institutionen kam." Kritik komme zum Beispiel von der Stadtpolitik und vom Olympiastützpunkt Rheinland. Eigentlich habe man dasselbe Ziel, so Oruz: die olympischen Athleten fördern. Aber: "Die sehen uns jetzt als Konkurrenten an. Das ist alles sehr merkwürdig. Und das raubt natürlich Zeit und Kraft."
Die Stadt Köln teilt auf WDR-Anfrage mit, dass sie "im Austausch mit dem Verbund Kölner Athleten" stehe. Den Bedarf einer zusätzlichen Förderung der Spitzensportler sieht die Stadt Köln aber offenbar nicht: Sie verweist auf die etablierte Förderung des Spitzensports durch Bund und Olympiastützpunkte. Zudem betont sie, dass sie den Olympiastützpunkt Rheinland unterstütze und Trainingsstätten bereitstelle.
Der Landessportbund NRW (LSB) ist Träger des Olympiastützpunktes Rheinland. Er teilt auf WDR-Anfrage mit, dass er das Engagement des Verbundes interessiert verfolge und dass ein grundsätzliches Engagement dazu beitragen könne, "die verdiente Wertschätzung und öffentliche Wahrnehmung dieser Sportler*innen zu verbessern." Der Ruf nach mehr Geld sei zudem legitim. Der LSB verweist aber auch darauf, dass die Athleten bei ihnen in "besten Händen" seien und man für das "erfolgreiche Gesamtpaket" zuständig sei.
Rettig und Reschke dabei
Während Stadt Köln und Olympiastützpunkt das Engagement eher mit Zurückhaltung beobachten, gibt es von anderer Seite Zuspruch. "Wir haben mittlerweile namhafte Unterstützer an unserer Seite, auch aus dem Fußball, mit Andreas Rettig und Michael Reschke", erklärt Oruz. "Das sind Leute, die über sehr gute Netzwerke verfügen, die begeistert sind von unserer Idee und uns unterstützen. Seitdem die mit an Bord sind, bewegt sich richtig was."