VfB Stuttgart | Meinung VfB Stuttgart: Egal ob Klassenerhalt oder Abstieg – jetzt hilft nur noch Geduld

Stand: 24.01.2022 15:30 Uhr

Der VfB Stuttgart sieht sich wieder mal mit dem Thema Abstieg konfrontiert. Jetzt helfen keine Hektik oder die üblichen Personalwechsel, meint SWR Sportreporter Günther Schroth.

Fußball sei keine Raketenwissenschaft – so hört man das immer mal wieder. Soll heißen, dass man Fußball auch ohne höhere Mathematik ziemlich gut kapieren kann. Eine Rakete auf den Mond zu fliegen ist ungleich schwerer, als zum Beispiel einen Ball ins Tor zu befördern. Auch wenn man dieser These beim Verein für Bewegungsspiele nicht so ohne weiteres zustimmen würde.

Denn die Stuttgarter haben jetzt auch im fünften Spiel in Folge den Ball nicht ins Tor befördert. Sie stehen jetzt auf Rang 17. Und das trotz eines talentierten Trainers, der als Mathematiker Flugbahnen berechnen kann, sowohl die von Raketen als auch die von Bällen. Man muss sich das zwischendurch übrigens immer mal wieder vor Augen führen: Pellegrino Matarazzo hat auf einer sehr guten Universität in New York Mathematik studiert. Ohne die lästige Liebe zum europäischen Fußball könnte er jetzt an der New Yorker Börse seine erste Milliarde verdient haben.

Matarazzo bleibt für den VfB Stuttgart ein Glücksfall

Aber Matarazzo ging zum Kicken nach Deutschland und muss jetzt als Bundesliga-Trainer sein Auskommen fristen. Bevor jetzt gleich jemand denkt, dass das hier in Häme ausarten soll – für den VfB Stuttgart bleibt Matarazzo ein Glücksfall. Er ist ein ausgewiesener Talente-Entwickler. Und bevor demnächst die üblichen Reflexe greifen und irgendwann die ersten Trainer-Raus-Rufe laut werden, kann ich nur fragen: Was hilft denn ein neuer Trainer? Hat Florian Kohfeldt in Wolfsburg geholfen? Adi Hütter in Mönchengladbach? Ich wage es mal, beide Fragen glatt mit Nein zu beantworten. Kohfeldts Wolfsburg und Hütters Mönchengladbach verlieren munter weiter vor sich hin.

Schaut man auf den VfB, dann kann sich der Raketenwissenschaftler dasselbe ausrechnen wie der Drittklässler: Der VfB kann aus den ausstehenden 14 Spielen realistisch noch 15 Punkte holen. Wenn es gut läuft und man gegen Augsburg, Bielefeld und Bochum gewinnt. Wenn… Die Rechnung bleibt unter Matarazzo so plausibel wie unter irgendjemand anderem. Das könnte dann letztlich mit 33 Punkten knapp für den Relegationsrang reichen, vielleicht sogar für Platz 15.

Der VfB Stuttgart braucht mehr Kontinuität

An dieser Stelle sei deswegen auf den SC Freiburg verwiesen: Die Freiburger haben seit zehn Jahren denselben Trainer: Christian Streich, kein Mathematiker, aber ein Seelenstreichler, ist mit der Mannschaft abgestiegen und wieder aufgestiegen. Noch 2018 war das Team Tabellenfünfzehnter, entging da nur knapp der Relegation. Man hat sich dort mit angemessener Bescheidenheit die Meinung zu eigen gemacht, dass es auch ein Erfolg ist, eine der 25 besten Mannschaften Deutschlands zu sein. Und jetzt lobt die gesamte Republik die Freiburger für ihre Geduld und Kontinuität. Für die Entwicklung einer Mannschaft, die Streich in seiner langen Dienstzeit aus vorwiegend eher durchschnittlichen Spielern geformt hat. Freiburg gilt als Erfolgsmodell, weil man dort Geduld hatte.

Jetzt, wo Sven Mislintat einen Stall voll vielversprechender Talente nach Stuttgart geholt hat, sollte man sich auch beim VfB Geduld gönnen. Wer zählen kann, kommt auf die Zahl fünfzehn, wenn er all die Trainer addiert, die sich in den vergangenen zehn Jahren in Stuttgart versuchen durften. Ein Christian Streich in Freiburg, 15 Trainer beim VfB. Geholfen hat’s nicht. Das waren allesamt keine Raketenwissenschaftler oder Mathematiker. Jetzt, wo man mit Matarazzo mal einen hat, sollte man ihn auch machen lassen. Und das, siehe Freiburg, auch möglichst lange.