
Niederlage bei Union Berlin Gerüchte über Labbadia - VfB vergisst Herz und Hirn in der Pause
Nach der Niederlage des VfB Stuttgart bei Union Berlin tauchen Gerüchte über eine Entlassung von Bruno Labbadia auf. Die mitgereisten Fans verstummen – und schlagen doch Alarm.
Bruno Labbadia war nicht zu beneiden. Völlig durchnässt und mit zerzausten Haaren stand der Trainer des VfB Stuttgart in der Alten Försterei an der Seitenlinie, der Regen über Berlin-Köpenick prasselte auf ihn wie die Gegentore auf seine Mannschaft. Und nach 90 nicht nur wettertechnisch alles andere als heiteren Minuten war klar: Mit dem 0:3 (0:0) beim 1. FC Union erlebte der Tabellenletzte der Fußball-Bundesliga den nächsten sportlichen Tiefpunkt.
"Ich kam mir vor wie im falschen Film", sagte Labbadia, für den das Match am Samstag das 100. Bundesliga-Spiel als Trainer des VfB war – und möglicherweise auch das letzte. Unmittelbar nach dem Abpfiff tauchten übereinstimmende Medienberichte auf, wonach der 57-Jährige nur vier Monate nach seinem Amtsantritt vor der Entlassung stehen soll.
Labbadias Reaktion am ARD-Mikro: "Ich bin enttäuscht, dass wir ein Spiel, das wir gewinnen können, sogar müssen, verloren haben. Das ist das, was mich gerade bewegt. Alles andere interessiert mich jetzt gerade wenig."
Dass die Stuttgarter in Berlin überhaupt als Verlierer vom Platz gingen, ist freilich zu erklären – allerdings in der Tat nicht gerade leicht zu verstehen. Zu mutig agierten die Gäste in der ersten Halbzeit in der Vorwärtsbewegung (7:5 Torschüsse), zu selbstbewusst präsentierten sie sich im Spiel mit Ball (79 Prozent Passquote), zu viele Anteile hatten sie vor dem Pausenpfiff (58 Prozent Ballbesitz).
Pereas Treffer vom VAR einkassiert
Hinzu kamen gute Möglichkeiten wie die Kopfballchance von Dan-Axel Zagadou (29. Spielminute), das Tor von Juan Perea wurde wegen eines Handspiels des Stürmers vom VAR korrekterweise zurückgenommen (34.). Kurzum: Der VfB war 45 Minuten lang ebenbürtig und mindestens genauso eisern wie Union. Was danach passierte? Eine der zentralen Fragen dieses 26. Spieltags.
Die Antwort: Die Mannschaft von Labbadia hat Herz und Hirn während der Halbzeitpause in der Kabine vergessen. Sein Team war plötzlich weder präsent noch griffig, überließ den nun sehr effizienten Berlinern die Show. Die Treffer von Sheraldo Becker (51.) und Kevin Behrens (65.) sowie das Eigentor von Genki Haraguchi (68.) lenkten die Partie innerhalb von nicht einmal 20 Minuten in eine Richtung, die zuvor überhaupt nicht ausgeschildert war. Immerhin: Weitere Chancen von Enzo Millot (75.) und Konstantinos Mavropanos (80.). dokumentierten den Willen der angeknockten Schwaben.
"Wir hatten nahezu 60 Prozent Ballbesitz – bei einer Mannschaft, die um die Champions League spielt", analysierte Labbadia hadernd. "Das ist nicht typisch Abstiegskampf, und so geht es eigentlich die ganze Zeit bei uns. Was uns fehlt, sind Spieler, die Tore schießen können."
Dabei hatte der VfB-Coach tief in die Trickkiste greifen wollen und seine Startelf auf gleich fünf Positionen verändert. Drei Wechsel nahm er dabei im Sturm vor, beorderte unter anderem überraschend Flügelspieler Josha Vagnoman in die Offensive. Ein Experiment, das völlig daneben ging: Der 22-Jährige bereitete nicht einen einzigen Torschuss vor, er gab keine Flanke ab und gewann nur 37 Prozent seiner Zweikämpfe.
VfB-Fans: "Stellt jetzt alles infrage"
Dass eine solche Leistung die Abstiegssorgen der Stuttgarter Fans immer größer werden lässt, ließ der nach Berlin mitgereiste Anhang Team und Clubführung deutlich spüren. Im Laufe der zweiten Halbzeit hatte der Gästeblock die Unterstützung weitestgehend eingestellt und stattdessen ein Banner mit eindringlicher Botschaft entrollt: "Werdet Eurer Verantwortung gerecht – stellt jetzt alles infrage."
Dass Trainer Labbadia von der sportlichen Leitung um Sportdirektor Fabian Wohlgemuth bereits infrage gestellt wurde, scheint nach den Entwicklungen im Anschluss an das Union-Spiel nicht mehr ausgeschlossen. Schon am kommenden Mittwoch (18 Uhr) tritt der VfB im Viertelfinale des DFB-Pokals beim 1. FC Nürnberg an, in der Liga geht es am Ostersonntag (17:30 Uhr) zum VfL Bochum. Zwei Schicksalsspiele, um die in Stuttgart niemand zu beneiden ist.
Die Lage des abstiegsbedrohten VfB Stuttgart ist am Sonntagabend (02.04.2023) auch Thema in SWR Sport. Beginn der Sendung im SWR Fernsehen ist um 21:45 Uhr.