Joshua Kimmich

Fußball | Nationalmannschaft Nach WM-Aus: Joshua Kimmich erst voller Sorge, jetzt kämpferisch

Stand: 03.12.2022 14:55 Uhr

Der tief enttäuschte Joshua Kimmich hatte nach dem frühen Ausscheiden bei der WM in Katar persönliche Folgen des Debakels befürchtet. Jetzt gibt er sich schon wieder kämpferisch.

Zwei Tage nach dem bitteren WM-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat sich Joshua Kimmich wieder kämpferisch gegeben. Er werde zwar Zeit brauchen, um alles zu analysieren und die richtigen Lehren daraus zu ziehen, schrieb der Schwabe bei Instagram, aber: "In spätestens vier Wochen heißt es dann wieder Attacke, denn Aufgeben ist niemals eine Option." Führungsspieler Kimmich ist zum zweiten Mal in Folge mit der DFB-Auswahl in der WM-Gruppenphase gescheitert. "Wir haben es nicht geschafft, unsere Qualität konstant auf den Platz zu bringen", so Kimmich.

Unmittelbar nach dem Ausscheiden hatte Kimmich in den Katakomben des Stadions den Vertretern der Medien Rede und Antwort gestanden. Sein Blick war konzentriert. Doch die Augen schimmerten verdächtig, wurden wässrig. Irgendwann war Joshua Kimmich ein Bild des Jammers.

Ein Sinnbild des deutschen Fußball-Jammers.  "Wir fahren wieder nach Hause. Dementsprechend habe ich ein bisschen Angst davor, echt in ein Loch zu fallen", sagte Kimmich nach dem nutzlosen 4:2 gegen Costa Rica. "Für mich ist heute der schwierigste Tag meiner Karriere", stellte Kimmich klar, in dessen Heimatort Bösingen die Fans vergeblich die Daumen drückten.

Kampf um die Reputation

Der Nationalspieler wurde mit seinen offenen Worten nach dem zweiten schmerzhaften WM-K.o. seinem Image als Klassensprecher der deutschen Fußball-Generation 1995/96 gerecht. Einer Generation, die nach insgesamt drei vermasselten Titel-Anläufen um ihre Reputation kämpfen muss. Der Schmerz war bei dem 27-Jährigen so groß, dass er Sorgen artikulierte, die im Profi-Business ungewöhnlich sind. 

Erst die Heimreise im DFB-Sonderflieger, der am Freitag gegen 19 Uhr am Flughafen in München landen wird. Dann der anstehende Urlaub, bevor es in wenigen Wochen mit dem FC Bayern ins Trainingslager geht - ausgerechnet zurück nach Katar. All das empfindet Kimmich gerade als Tortur. Der Spannungsbogen deutete fast auf eine Kurzschlusshandlung hin. Ein Ende seiner DFB-Karriere schloss Kimmich dann aber doch ein wenig verdutzt ob der direkten Frage aus. "Nein", lautete die kurze Antwort.

Makel in seiner Karriere?

Ein Makel bleibt nun aber an seiner Laufbahn haften, befürchtet Kimmich. "Das ist schon für mich nicht so einfach zu verkraften. Weil ich persönlich mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht werde", sagte er. Kimmich wird sich sammeln müssen. Er ist als Anführer jetzt mehr denn je gefragt. Egal, ob Hansi Flick Bundestrainer bleibt oder nicht. Kimmich ist der logische Kapitän für die Heim-EM im Sommer 2024. Der Finaltag, 14. Juli, Berliner Olympiastadion. Das ist das neue Fixdatum.

Kimmichs nächstes Länderspiel - frühestens im März 2023 - wird sein 75. sein. Im gescheiterten WM-Kader spielten nur Manuel Neuer (117) und Thomas Müller (120) häufiger für Deutschland. Ob sie weitermachen? Neuer will, Müller muss sich noch mit seiner Frau besprechen. Kimmich bleibt das Gesicht der nahen Zukunft. In einem Team, in dem jüngere Spieler wie Jamal Musiala (19), Youssoufa Moukoko (18) oder der bei der WM fehlende Leverkusener Florian Wirtz (19) längst bereitstehen.

"Wunde wieder aufgekratzt"

2016 war Kimmich beim EM-Halbfinal-Aus in Frankreich noch Turnier-Azubi. Es folgten nach dem verheißungsvollen Confed Cup mit einer Nachwuchself 2017 der erste Gruppen-K.o. bei einer WM in Russland 2018, das EM-Aus im Achtelfinale 2021 und nun schon wieder ein massiver sportliche Tiefschlag für den ehrgeizigen Profi. "Ich bin 2016 dazugekommen, davor war Deutschland immer im Halbfinale. Dann kommt man dazu und scheidet zweimal in der Vorrunde aus, im letzten Jahr im Achtelfinale. Das ist nichts, wofür man stehen möchte", sagte Kimmich. 

Nach dem WM-Aus sei durch das erneute Scheitern "die Wunde wieder aufgekratzt" worden. Die WM werde er nun aus München als Fernsehzuschauer nicht weiter verfolgen. "Man denkt, man könnte auch da spielen", berichtete er vom Schmerz, im TV WM-Fußball zu schauen. Bestenfalls Frankreich-Spiele werde er gucken, um den Bayern-Kollegen in der Équipe tricolore die Daumen zu drücken.