Fußball | Champions League Matthias Jaissle: Der smarte Schwabe auf dem Thron von Red Bull Salzburg

Stand: 07.03.2022 18:28 Uhr

Der erst 33-jährige Matthias Jaissle hat mit Red Bull Salzburg das geschafft, was seinen Vorgängern Jesse Marsch und Marco Rose verwehrt blieb: Den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale. Nun hofft der smarte Schwabe gegen die Bayern um Julian Nagelsmann auf Historisches.

"Jungs, jetzt hört mal auf mit dem Scheiss!" Matthias Jaissle tigert in Trainingsklamotten mit Trillerpfeife über den Platz und gibt seiner jungen Truppe immer wieder wort- und gestenreich Anweisungen und Tipps. Eine gewisse Lässigkeit strahlt er dabei trotzdem aus. Ein nasskalter Wintertag im Salzburger Stadtteil Taxham gibt Einblicke, warum Weggefährten den gebürtigen Nürtinger Jaissle als extrem ehrgeizig, clever und zugänglich bezeichnen. Salzburg Sportdirektor Christoph Freund adelt den erst 33-Jährigen sogar als "eines der größten Trainertalente Europas".

2013 "Trainingsgruppe 2" in Hoffenheim - 2022 CL-Achtelfinale mit Salzburg

In der Tat ist es der wundersame Aufstieg eines extrem jungen Trainers, dessen einstige Karriere als Innenverteidiger-Talent schon mit Mitte 20 endete. Nach Kreuzbandriss und Folgeverletzungen bei der TSG Hoffenheim wollte das Comeback nicht mehr gelingen. Neun Jahre nachdem Jaissle noch der berühmten "Trainingsgruppe 2" der TSG Hoffenheim angehörte, coacht er seine Talente-Truppe im feinen Zwirn gegen den großen FC Bayern. Champions-League-Achtelfinale, mehr geht nicht.

Jaissle ist nach nur einem halben Jahr Cheftrainer in Salzburg das gelungen, was bislang jedem Trainer in Österreich verwehrt blieb: Das Erreichen der letzten 16 in der UEFA Champions League. Kneifen müsse er sich deswege nicht, "aber ich bin schon demütig genug zu wissen, dass es ein spezielles Jahr war. Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen vom Verein, denn es ist was Besonderes und macht mich ein Stück weit stolz", sagt Jaissle im Gespräch mit SWR Sport.

Im Arbeitsalltag steht dem in Neckartailfingen aufgewachsenem Schwaben ein - wie in Salzburg üblich - starker Talente-Schuppen um Stürmerstar Karim Adeyemi zur Verfügung. Durchschnittsalter: 22,5 Jahre. Einzig die Urgesteine Zlatko Junuzovic (34), sowie Andreas Ulmer (36) sowie Ersatztorwart Alexander Walke (38) sind älter als er selbst.

Matthias Jaissle profitiert vom Trainer-Domino deluxe

Den Job des Cheftrainers in Salzburg hat Matthias Jaissle auch einem kuriosen Trainer-Domino zu verdanken: Den Stein ins Rollen brachte Mainz 05, wo Anfang 2021 der entlassene Jan-Moritz Lichte von Bo Svensson ersetzt wurde, bis dahin Trainer beim Red-Bull-Kooperationsteam FC Liefering in der zweiten österreichischen Liga. Jaissle bekam das Vertrauen, nachdem er zuvor schon von 2019 an in der Salzburger Akademie Talente formte.

Im April letzten Jahres dann die nächsten Trainer-News: Bayern München gab die Verpflichtung von Julian Nagelsmann bekannt, das nächste Trainerdomino war angestoßen. So wurde Jesse Marsch noch im April als Nagelsmann-Nachfolger in Leipzig präsentiert und Christoph Freund, Salzburgs Sportdirektor, wagte den mutigen Schritt und verpflichtete "No Name" Jaissle für Salzburg - nicht ohne die ein- oder andere kritische Stimme im Umfeld. Doch Freund war sich sicher: "Seine Art und Weise und wie er als Trainer und als Mensch tickt, war ich mir sicher, dass das gut funktionieren wird," so Freund, der auch schon Stars wie Erling Haaland oder Dayot Upamecano nach Salzburg gelotst hat.

In fünf Jahren von Leipzigs U17 ins Champions-League-Achtelfinale

Vor seinem Engagement in Salzburg lehrte Jaissle zunächst im Leipziger Nachwuchs unter Sebastian Hoeneß, 2017 holt ihn Ex-VfB-Coach Alexander Zorniger als zum dänischen Bröndby IF, 2018 wurden sie fern der Heimat dänischer Pokalsieger. Zorniger bezeichnet seinen einstigen Co-Trainer als "sehr smart und 100 Prozent zuverlässig". Und sein Aussehen als seine Marotte.

"Seine Marotte ist definitiv sein Aussehen, sehr wichtig für ihn! Wenn Matthias Jaissle es - und das ist für mich keine Frage ob, sondern nur wann - in die erste Liga schafft, wird er der bestangezogenste Bundesliga-Trainer"

Quelle: Alexander Zorniger, trainierte mit Jaissle Brøndby IF

Noch immer VfB-Mitglied - Förderer Ralf Rangnick

Tatsächlich kommt der 33-jährige Schwabe sehr smart daher, als er nach dem Training zum Interview mit SWR Sport im Salzburger Stadion erscheint. Brauner Mantel, stylischer Schal, akkurate Frisur, klare und humorvolle Aussagen von Matthias Jaissle. Dass er es zum "Mann von Welt" brachte, verdankt er auch Ralf Rangnick.

Der heutige Trainer von Manchester United war in Hoffenheim damals Jaissles Trainer, als die TSG furios den Durchmarsch von der Regionalliga in die Bundesliga schaffte. "Ralf hat mir geraten, mit den jungen Mannschaften die ersten Erfahrungen zu sammeln." Matthias Jaissle ist Rangnicks, der schon als Spieler große Stücke auf ihn hielt, gefolgt.

Heute Trainer in Salzburg, ist Jaissle dennoch seiner schwäbischen Heimat noch verbunden, auch wenn er es der Distanz und des stressigen Trainerberufes wegen nicht mehr oft nach Neckartailfingen schafft. Auch zum VfB Stuttgart, wo Jaissle einst unter Thomas Tuchel in der Jugend kickte, hat er noch Bezug. "Das Herz ist natürlich noch in der Heimat, keine Frage", so der 33-Jährige. "Ich war in Stuttgart auf dem Internat und habe beim VfB meine Ausbildung genossen."

Land statt City - Jaissle genießt die Natur

In Salzburg genießt Matthias Jaissle, schon früher mit der Familie oft in Österreich im Urlaub, die Seen, die Natur und die Berge rund um die Mozart-Stadt. Wie schon früher bei der TSG Hoffenheim, wo er im Gegensatz zu den Mitspielern in Sinsheim statt im schicken Heidelberg lebte, wohnt Matthias Jaissle auch heute nicht in Salzburg, sondern etwas außerhalb. "Der Schwabe muss gucken, dass die Miete günstig ist. Heidelberg ist teuer, Salzburger ist teuer", scherzt der 33-Jährige.

2,4 Punkte pro Spiel - ein Top-Wert

Teuer verkauft hat er bislang auch sich selbst. Seine Ausbeute in Salzburg ist seit dem Amtsantritt im Juli 2021 nahezu makellos: 26 Siege, sechs Remis und nur drei Niederlagen machen einen Schnitt von 2,4 Punkten pro Spiel. Damit übertrifft er bislang sowohl seinen direkten Vorgänger bei Salzburg, Jesse Marsch (2,18 Punkte pro Spiel), als auch seinen Vor-Vorgänger Marco Rose (2,35).

Jaissles Philosophie: Hoch gepresst, smart gedressed

Und Jaissles Spielphilosophie liest sich so, als hätte die "RB-Bibel" auswendig gelernt: "Wir attackieren immer so hoch und so früh wie möglich, um den Gegner maximal zu stressen. Wir wollen dadurch Chaos erzeugen, um nach Ballgewinnen schnellstmöglich vor das gegnerische Tor zu kommen." Sportdirektor Freund verrät derweil, dass Jaissle im Vergleich zu Vorgänger Jesse Marsch aber noch etwas mehr Wert auf Ballbesitzphasen und Spielkontrolle lege.

Spielkontrolle braucht es im Idealfall auch am Dienstag in München, wenn die Salzburger dem großen Favoriten nach dem 1:1 im Hinspiel ein Bein stellen wollen. Sein rund ein Jahr älterer Trainerkollege Julian Nagelsmann ist Jaissle früher auch schon im beschaulichen Hoffenheim über den Weg gelaufen: Als Jaissle noch Spieler war, tüftelte Nagelsmann schon als Trainer im Hoffenheimer Nachwuchs. Dass sie sich rund ein Jahrzehnt später auf der großen Bühne Champions League als Trainer wieder sehen, hätten wohl beide damals kaum für möglich gehalten.

Der Champions-League-Anzug passt Matthias Jaissle bestens

Selbst wenn Salzburg das kleine Wunder nicht schaffen und das Viertelfinale der Königsklasse verpassen sollte, darf man in Zukunft noch einiges erwarten vom 33-jährigen Trainertalent. Der Champions-League-Anzug passt dem smarten Schwaben - wie kann es auch anders sein - bislang jedenfalls schon mal bestens. "Hoch gepresst, smart gedressed", so gefällt es Matthias Jaissle.