Triathlet Sebastian Kienle aus Mühlacker

Champion der Herzen Sebastian Kienles letzte große Hawaii-Show

Stand: 09.10.2022 13:37 Uhr

So schnell war er noch nie auf Hawaii. Und das bei seinem letzten Auftritt im Mekka des Triathlons. In einem Rennen mit vielen besonderen Momenten zeigte Sebastian Kienle, was noch in ihm steckt.

Sebastian Kienle breitete die Arme aus, ging mit der deutschen Fahne auf die wohl verdiente Ehrenrunde und genoss die Momente in den Armen seiner Frau und des kleinen Sohnes. Überwältigt von den Gefühlen wich das zufriedene Lächeln über seine persönliche Bestzeit im Mekka des Triathlons den Tränen der Ergriffenheit.

"Emotions-Explosion" bei Sebastian Kienle

"Emotions-Explosion. Viel mehr kann man dazu nicht sagen", sagte der Athlet aus Mühlacker im Ziel von Kailua-Kona. "Ich habe ihm viel zu verdanken, insofern freue ich mich sehr für ihn", betonte Kumpel Jan Frodeno, der verletzungsbedingt nicht antreten konnte, im ZDF. 

Weltmeister der Herzen

Kienle fehlte zwar der traditionelle Kopfschmuck wie bei seinem Ironman-WM-Titel 2014, der 38-Jährige durfte sich aber als Weltmeister der Herzen fühlen. Bester Deutscher auf Platz sechs in einem mit Weltklasse-Athleten gespickten Feld der 50 Profis. Patrick Lange, der Champion der Jahre 2017 und 2018, wurde Zehnter, gebremst durch eine Fünf-Minuten-Strafe auf dem Rad. Florian Angert kam als Zwölfter ins Ziel, auch er hatte eine Zeitstrafe bekommen, offensichtlich wegen Windschattenfahrens. 

Dass die gelben Penalty-Boxen auch im Männer-Rennen deutsche Medaillenkandidaten trafen, sorgte für viel Diskussionsstoff, nachdem es am Donnerstag bei den Profi-Frauen Laura Philipp erwischt hatte. Ob Lange eine Chance auf den Sieg gehabt hätte, bleibt reine Spekulation. "Ich bin unglaublich stolz auf mich, dass ich das noch durchgezogen habe nach einer für mich fraglichen Zeitstrafe", betonte er. 

Schnellstes Rennen auf Hawaii

Im schnellsten Rennen der Hawaii-Geschichte blieb auch Lange noch unter acht Stunden, auf den siegreichen Gustav Iden fehlten dem 36-Jährigen aus Bad Wildungen aber fast 18 Minuten. Der 26-jährige Norweger eroberte die Führung rund sieben Kilometer vor dem Ziel. Seinen hoch favorisierten Landsmann Kristian Blummenfelt, der als Olympiasieger von Tokio. ITU-Weltmeister und Ironman-Champion vom Mai in St. George ebenso wie Iden zu seiner Hawaii-Premiere angereist war, hatte er zuvor nahezu stehen lassen. 

Iden beendete nicht nur die deutsche Titelserie auf Hawaii nach den Erfolgen von Kienle (2014), Frodeno (2015, 2016 und 2019) und Lange (2017 und 2018). In 7:40:24 Stunden pulverisierte er vor dem französischen Überraschungs-Zweiten Sam Laidlow und Blummenfelt auch noch den Streckenrekord von Frodeno (7:51:13) vor drei Jahren um mehr als zehn Minuten.

Kienle genoß sein letztes mal. 2012 trat er auf Hawaii zum ersten Mal an, 2013 wurde er Dritter, im Jahr darauf folgte der Sieg. 2016 musste er sich nur Frodeno geschlagen geben, 2019 kam er noch einmal auf den dritten Rang.

Kienle ist zufrieden

"Manchmal muss man seine eigene Leistung auch losgelöst von der Platzierung beurteilen und da muss ich sagen: Da steht es ganz weit oben", sagte er zu seinem letzten Hawaii-Rennen. Denn wieder einmal verlief das Jahr nicht reibungslos. Nach der WM im Mai in St. George, die als Nachhol-Rennen der auch 2021 in Hawaii wegen der Corona-Pandemie abgesagten Weltmeisterschaft stattfand, bremste eine Corona-Infektion Kienle.

Dass nun bei seinem letzten Auftritt auf Hawaii noch mal alles so laufen würde, hatten viele Kienle gewünscht. Dass er nach einem diesmal noch schwächeren Schwimmen mit Platz 46 von den 50 Startern noch mal seine Stärke auf dem Rad über die 180,2 Kilometer zeigen würde, hatten viele erhofft. Und auch beim Marathon zog Kienle durch.

Triathlon-Elite adelt Kienle

"Eine echte Legende unseres Sports", kommentierte die Vereinigung der Profi-Triathleten via Instagram. "So ein Champion", schrieb die fünfmalige Ironman-Weltmeisterin Daniela Ryf aus der Schweiz. 

Seinen Abschied am Ende des kommenden Jahres hatte Kienle, der sich nicht nur mit seinen sportlichen Erfolgen, sondern auch als meinungsstarker Sportler einen Namen machte, bereits im November 2021 angekündigt. 2023 soll sein Abschieds-Jahr werden mit Rennen, die er besonders mag oder unbedingt noch machen will. Welche, ist noch nicht bekannt. 

Zur Person

Sebastian Kienle ist 38 Jahre alt, verheiratet und Vater eines Jungen. Er gehört seit vielen Jahren zu den weltbesten Triathleten. 2014 gewann er die Ironman-WM auf Hawaii. Weitere große Erfolge feierte Kienle auf der Halbdistanz. Dieses Jahr wird er zum letzten Mal als Profi in Kailua-Kona an den Start gehen. Ende 2023 will er ganz aufhören.  

Hawaii ist es zumindest nicht mehr. Dort wollte er am Samstagabend vor allem eines: Genießen. "Um genießen zu können muss man vorher kämpfen", betonte Kienle. Und das hatte er bei Temperaturen deutlich über 30 Grad und extremer Luftfeuchtigkeit getan. Wie lange er sich da noch gut auf den Beinen halten würde, wusste er nicht. Einen Plan B hatte er aber auch dank eigener Erfahrung: "Wir haben schon gute Partys im Liegen gehabt."