Isco Alarcon (Quelle: imago images)

Glosse | Nach Bruch von Isco und Union Wie sicher ist der Fußballerberuf im digitalen Zeitalter?

Stand: 03.02.2023 06:40 Uhr

Das Schöne am Fußball? Auch wenn man keine Ahnung hat, kann man eine Meinung haben. Schließlich repräsentiert dieser Sport die Gesellschaft an sich. Wenn Fußballer also zu Inflationszeiten ohne Job dastehen, ist Information alles, findet Oliver Noffke

Sie kennen das: Ihr künftiger Arbeitgeber hat Ihnen gerade den neuen Arbeitsvertrag vorgelegt. Ihr Siegelring ist frisch poliert. Die Tinte tropft vom Federkiel. Sie überfliegen den Papyrus ein letztes Mal und denken: Hoppla, beim Kalligraphieren müssen ein paar Ziffern verrutscht sein. Hier fehlen doch 800.000 Dukaten! Da darf man auch mal bockig sein. Aber gleich die Tarifverhandlungen abbrechen?
 
Es fällt schwer, vom Zerwürfnis zwischen dem spanischen Fußballprofi Isco und dem 1. FC Union Berlin nicht ergriffen zu sein. So wird es sicher vielen Arbeitnehmer:innen gehen. Im letzten Moment vor der Vertragsunterzeichnung eskaliert die Lage. Die Gehaltsvorstellungen liegen zu weit voneinander entfernt. Die Aussicht auf eine glorreiche Zukunft gemeinsam verkehrt sich in eine Entfremdung ohne Wiederkehr. Horror.

Wie hoch ist eigentlich der Spitzensteuersatz in...

In Zeiten von hoher Inflation und düsteren Wirtschaftsprognosen schaut man ja mit erhöhter Wachsamkeit, was in anderen Branchen so vor sich geht. Im Fall von Isco und Union schweigen die Vertragsparteien zu den Abbruchgründen. Spekulationen verbieten sich natürlich. Auch wenn auffällt, dass die Verhandlungen just gescheitert sind, als es Neuigkeiten zum Soli gab.
 
Können zumindest andere Branchen oder Tarifparteien etwas von diesem Desaster lernen? Wenn schon im Profifußball - wo auch Anstand, Sauberkeit und Fairness im Finanzwesen einen Platz haben - Arbeitnehmer und Arbeitgeber so unversöhnlich verhandeln, was steht uns dann in anderen Berufsfeldern bevor?
 
Wer in der Sache David und wer Goliath ist, bleibt allerdings offen. Man kennt ja die Gründe nicht. (Wie hoch ist eigentlich der Spitzensteuersatz in Spanien? Also, jetzt, wenn man spekulieren wollte...)

Offensivspieler Isco im Trikot des FC Sevilla (imago images/Shutterstock)
Wechsel von Spanien-Star Isco zu Union platzt im letzten Moment

Ein Wechsel des ehemaligen Real-Madrid-Stars Isco zu Union Berlin ist gescheitert. Trotz bereits bestandenem Medizincheck wechselt der Spanier nicht nach Köpenick. Beide Seiten sagten, frühere Absprachen wurden nicht eingehalten.mehr

"Proletariar aller Länder, vereinigt euch!"

Einerseits möchte man dem allein kämpfenden Arbeiter Isco sofort mit Karl Marx beispringen: "Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" Ein Trauermarsch von Profis aus allen Bundesligen durchs Regierungsviertel. Die andächtige Stille lediglich unterbrochen vom geisterhaften Klackern Hunderter Stollenschuhe auf dem Asphalt. Das würde auch die Jugend wachrütteln.
 
Doch nun rächt sich (mal wieder), dass im deutschen Profifußball die Gewerkschaftsstrukturen nur schwach ausgebildet sind. Isco steht in seinem Arbeitskampf quasi ohne Unterstützer da. In den Social-Media-Stories der kickenden Mainstream-Influencer wird zu der Sache natürlich geschwiegen. Existieren Angst und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in der Bundesliga?

Der Brief an Engels? Heute schwierig.

Andererseits ist Eisern Union bisher wirklich nicht als fiese Fußball-Heuschrecke aufgefallen. In Deutschland ist der Verein die David-Inkarnation schlechthin. Überstrahlt eigentlich nur vom Halbfinal-Spiel im Maracana. Allein die Gewerkschaftsbezüge: Union im Namen, rot in den Vereinsfarben. Oft ist es ja komplizierter, als man denkt bei Gehaltsverhandlungen. Aber wenn nicht sämtliche Details bekannt sind, lässt sich dazu nur wenig...
 
Zum Marx werden die Kritiker jetzt eh wieder sagen: "Hat der nicht auch an den Engels geschrieben, 'Ich habe einen sicheren Plan entworfen, Deinem Alten Geld auszupressen'?" Da säße man heute direkt beim Human Resources. Geht gar nicht anders.
 
Arbeitsumfelder verändern sich. Das gehört auch zur Wahrheit. Heute nur noch Stürmer oder Torhüter sein zu wollen, ist vielleicht einfach nicht mehr zeitgemäß. Allrounder sein, Flexibilität, Multitasking ohne Qualitätsverluste, das sind Qualitäten, die heutzutage...
 
...einen Moment bitte... ich sehe gerade die Kommentare zu diesem Autounfall... … … da war jetzt doch schon einiges gekommen... und bei den Windkraftanlagen läuft das Postfach auch über...
 

Kamala, ein Rotes-Panda-Weibchen, präsentiert seine Kunst (Quelle: Snowfield Photography/Ralf Ibing)

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… da muss der Isco sich den neuen Arbeitswirklichkeiten eventuell auch etwas anpassen. Stichwort Digitalisierung.
 
Es geht aber natürlich auch um Schicksale. Viele Profifußballer müssen mittlerweile Instagram-Posts ohne Sponsoring absetzen. Die Inflation trifft alle. Das Vergessen viele. Für 800.000 Euro bekommen Sie aktuell nicht mal mehr, was Sie vor anderthalb Jahren für 720.000 Euro kaufen konnten. Ein Penthouse bekommen Sie damit höchsten noch in Buch. Mit Straßenblick.
 
Im Endeffekt fragt man sich, warum in der Bundesliga überhaupt so ein Bohei um Gehälter gemacht wird. Wäre hier nicht eine Gewerkschaft mal wirklich sinnvoll? Die Arbeitsbedingungen sind branchenweit vergleichbar. Es gibt eigentlich nur Festanstellungen. Klar, Schichtarbeit und Wochenende auf der einen Seite; aber Catering und Pflege sind dafür top. Wieso muss da groß ums Geld gefeilscht werden? Vom Administrativen her ist das der komplette Wahnsinn.
 
Beim Australian Rules Football gibt es zum Beispiel einheitliche Tarife. Bums, fertig. Wieso geht das nicht hier? Aber dann streiken am Ende noch die Juristen und Steuerbüros.

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