Bahnradfahrerin Emma Hinze (Bild: Imago Images/frontalvision.com)

Bahnrad-EM in Grenchen Sieben Starter und noch mehr Medaillenchancen

Stand: 06.02.2023 11:26 Uhr

Am Mittwoch beginnen in Grenchen/Schweiz die Europameisterschaften im Bahnradsport. Berlin und Brandenburg sind mit sieben Sportlerinnen und Sportlern stark vertreten – und hat mehr als sieben Medaillenchancen. Von Thomas Juschus

Bei den European Championships im August in München gewann der Bund Deutscher Radfahrer 13 Medaillen (8-4-1). Einen Großteil des Edelmetalls beim kleinen "Sommermärchen" steuerten mit Emma Hinze & Co. Sportlerinnen und Sportler aus der Region bei. Auch bei den Europameisterschaften 2023 in der Schweiz (8. bis 12. Februar) sind mit Maximilian Dörnbach, Lea Sophie Friedrich, Pauline Grabosch, Emma Hinze, Roger Kluge, Theo Reinhardt und Nik Schröter Sportler aus Brandenburg und Berlin aussichtsreich dabei. Gleichzeitig sind die Wettbewerbe Auftakt der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

Emma Hinze (RSC Cottbus)

Hinze war die Top-Fahrerin der vergangenen EM, ausgetragen im Rahmen der European Championships im Sommer 2022 in München. Die 25-Jährige siegte in Teamsprint, Sprint und Zeitfahren und wurde zur erfolgreichsten Sportlerin der Titelkämpfe. Bei der EM in Grenchen wird sich die gebürtige Hildesheimerin wohl eher auf die olympischen Disziplinen konzentrieren.
 
"Zeitfahren macht schon Spaß, der Wettbewerb ist aber nicht mein Hauptaugenmerk. Ich finde die anderen Disziplinen schon spannender. Das heißt aber nicht, dass ich nicht starte – wir haben noch nicht darüber gesprochen", sagte die sechsfache Weltmeisterin, die bei der WM in Saint-Quentin-en-Yvelines die Silbermedaille über die 500 Meter gewann. Nach der WM auf der Olympiabahn 2024 legte Hinze eine selbst verordnete Pause ein und verzichtete freiwillig auf die Titelverteidigung in der vor allem finanziell attraktiven UCI Track Champions League.
 
Im Dezember hatte die Cottbuserin mit dem RS-Virus zu tun. "Die Pause hat mir schon etwas gebracht. Ich fühle mich ganz gut, aber noch nicht da, wo ich sein möchte. Ich denke, die EM kommt ein bisschen zu früh", sagt Hinze, die bei den SixDay Berlin am vorvergangenen Wochenende erstmals wieder auf der Piste war und dort Platz zwei belegte.

Roger Kluge (RK Endspurt 1909 Cottbus)

Mit einer beeindruckenden wie absolut dominanten Fahrt gewannen Roger Kluge und sein Partner Theo Reinhardt im Rahmen der European Championships in München den EM-Titel im Madison. Nach zuvor zwei WM-Goldmedaillen (2018, 2019) und WM-Bronze (2020) sowie EM-Silber (2018) lieferten beide erneut den Beweis, zu den besten Teams im Zweier-Mannschaftsfahren zu gehören. Umso mehr wurmt noch der neunte Platz bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021.
 
Mit Grenchen beginnt für das Duo ein neuer Anlauf auf die Olympia-Medaille. Zuletzt rollten sich beide erfolgreich mit dem Sieg beim 110. Berliner Sechstagerennen ein. "Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Beine besser drehen. Es war doch sehr schmerzhaft – aber natürlich nehmen wir den Schwung mit", sagt Kluge. Für den Traum einer zweiten Olympia-Medaille nach 2008 (Silber Punktefahren) verzichtete der ehemalige Giro-Etappensieger sogar auf seine Ambitionen als Straßen-Profi und konzentriert sich künftig beim deutschen Continental-Team rad-net Oßwald vollends auf die Piste.

Bahnradfahrer Roger Kluge und Theo Reinhardt fahren nebeneinander (Bild: Imago Images/frontalvision.com)

Bahnradfahrer Roger Kluge und Theo Reinhardt

Das heißt auch, dass der 37-Jährige in Grenchen wieder das Omnium fährt – den von ihm etwas ungeliebten Mehrkampf, der aber zum Olympia-Programm gehört. "Ich muss da noch einige Punkte sammeln, um Startrecht bei den Nations Cups zu haben", sagt Kluge, der in München als Vierter im Omnium eine Medaille knapp verpasste. Dafür verzichtet der in Ludwigsfelde sesshaft gewordene Kluge sogar auf das Punktefahren. In dieser Disziplin hatte er bei der WM im Oktober 2022 Silber geholt.

Theo Reinhardt (SC Berlin)

Während sich Partner Roger Kluge als zweite Disziplin auf das Omnium konzentriert, steht für Theo Reinhardt neben dem Madison die Mannschaftsverfolgung wieder mehr denn je im Fokus, denn über diese Disziplin läuft die Qualifikation für Paris.
 
In München unterlagen Reinhardt & Co. im kleinen Finale und wurden Vierter – eine Platzierung, die sie im Velodrome Suisse nur zu gern wiederholen würden. "Wir wollen in Grenchen wieder um die Top vier mitfahren, wenn möglich besser als Vierter abschneiden - desto mehr Zähler gibt es für das Olympia-Ranking", sagte der 32-Jährige, der seit Jahren fester Bestandteil der Mannschaft ist.
 
Wichtig wäre auch, den zuletzt größer gewordenen Abstand zu den Top-Teams aus Italien, Dänemark oder Großbritannien wieder einzudämmen. Eine realistischere Medaillenchance haben Reinhardt und Kluge zusammen im Madison, zumal seit dem Ende der Straßen-Karriere Kluges beide mehr denn je zusammen trainieren. "Früher haben wir uns auf Zuruf für die Wettkämpfe arrangiert. Von daher ist das schon ein großer Vorteil, dass ich nun tagtäglich mit Roger zusammenarbeiten kann", sagt Reinhardt, der mit dem Sixdays-Sieg in Berlin ein bisschen Selbstvertrauen tanken konnte.
 
Auf einen Start im Ausscheidungsfahren verzichtet der Berliner – in München war nur der Italiener Elia Viviani schneller, Lohn war Silber. Aber diese Disziplin ist eben nicht olympisch.

Bahnradfahrerin Lea Sophie Friedrich streckt ihren Arm zum Publikum aus (Bild: Imago images/SW Pix)

Bahnradfahrerin Lea Sophie Friedrich

Lea Sophie Friedrich (RSC Cottbus)

EM-Gold 2021 und 2022, dazu WM-Gold 2021 und 2022: Die 23-Jährige ist die Keirin-Königin der beiden vergangenen Jahre. "Den Titel will ich auf jeden Fall behalten, alles andere wäre gelogen", sagt Friedrich vor der Abreise aus dem Trainingslager in Frankfurt (Oder).
 
Doch auch im Teamsprint (WM-Gold 2020, 2021, 2022), Sprint (WM-Silber 2021, 2022) und Zeitfahren (WM-Gold 2020, 2021) gehört die gebürtige Lübeckerin bei jedem Großereignis inzwischen zu den Top-Titelanwärterinnen. Nachdem Friedrich im November die UCI Track Champions League nach der zweiten Runde in Berlin erkrankt aufgeben musste, ist die Bundespolizistin inzwischen wieder komplett fit. Der Sieg bei den SixDay Berlin war ein erster Fingerzeig. "Mir geht es wieder gut. Das Trainingslager im Januar in Kapstadt hat uns allen mit dem guten Wetter sehr gutgetan. Bis jetzt läuft es sehr gut", sagt Friedrich.
 
In der Vergangenheit war die sehr robuste Friedrich Viel-Starterin, also oft in allen vier Frauen-Kurzzeitdisziplinen dabei. "Ich würde wieder gern alle Disziplinen fahren – aber ich muss sehen, wie ich mit dem Pensum klarkomme", sagt Friedrich. Hauptaugenmerk liegt neben dem Keirin auf dem Teamsprint, da hierüber die Olympia-Qualifikation läuft. Friedrich: "Wir wollen auf jeden Fall gut performen und unseren Platz absichern."

Bahnradfahrerin Pauline Grabosch winkt (Bild: Imago Images/frontalvision.com)

Bahnradfahrerin Pauline Grabosch

Pauline Grabosch (RSC Cottbus)

Die viermalige Teamsprint-Weltmeisterin und EM-Titelverteidigerin ist vor allem als Anfahrerin in ihrer Spezialdisziplin gefordert. "Es ist für jeden schwer, so früh im Jahr schnell zu fahren mit dem Wissen im Hinterkopf, dass wir auch im August bei der Weltmeisterschaft noch schnell fahren sollen. Wenn man an den Start geht, will man natürlich auch gut fahren. WM-Form habe ich sicher noch nicht", sagt die 25-Jährige, die seit dem Sommer 2022 ebenfalls in Cottbus lebt und trainiert.

2018 war die gebürtige Magdeburgerin zwar schon WM-Dritte im Sprint, derzeit muss sie aber ihre eigenen Ambitionen in den Einzeldisziplinen hintenanstellen. "In Paris 2024 haben wir nur zwei Startplätze. Ich bin halt in der Situation, dass im Sprint die WM-Zweite (Anm. d. Red.: Friedrich) und die WM-Dritte (Hinze) meine Teamkolleginnen sind – das ist Glück und Unglück zugleich", sagt Grabosch.
 
Die Konzentration gilt deshalb dem Teamsprint "Ich muss noch um einiges schneller fahren – die Konkurrenz schläft nicht. Es geht um Kleinigkeiten, wie die Starttechnik oder das Ein- und Ausfahren in die Kurven", so die Studentin der Psychologie. Eine Einzelmedaille ist aber auch im Zeitfahren drin, hier war Grabosch schon dreimal EM-Zweite – zuletzt 2021, ebenfalls in Grenchen.

Maximilian Dörnbach (RSC Cottbus)

Der 27-Jährige hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich entwickelt, was auch seine Silber- (Keirin) und Bronzemedaille (Zeitfahren) bei der EM 2022 belegen – auch wenn da einige der absoluten Top-Athleten nicht am Start waren. Über den Kilometer knackte Dörnbach zuletzt mehrfach die 60-Sekunden-Marke und wurde bei der WM im Oktober guter Vierter.
 
"Aktuell sind meine Chancen sicher wieder am größten für eine Medaille über die 1.000 Meter. Ich denke, die Form ist soweit gut. Ich mache mir aber keinen Druck, weil ich weiß, dass es erst der Saisoneinstieg ist", sagt Dörnbach. Mit seinen Leistungen über den Kilometer ist er derzeit auch gesetzt als Schlussmann im Teamsprint-Trio. "Meine Zeiten haben mir Selbstvertrauen für meine Position gegeben", sagt Dörnbach, für den wie alle Sprinterinnen und Sprinter zunächst das Hauptaugenmerk auf dem Teamwettbewerb liegt, da über diesen die Startplätze für die Olympischen Spiele 2024 in Paris vergeben werden.

Bahnradfahrer Maximilian Dörnbach blickt nach oben (Bild: Imago Images/Future Image)

Bahnradfahrer Maximilian Dörnbach

Im Sprint und Keirin muss sich der gebürtige Thüringer weiter entwickeln, um auch international eine Rolle spielen zu können. "Mein Hauptaugenmerk liegt auf dem Teamsprint. Wir sind aus der WM mit einer guten Zeit rausgegangen. Ich denke aber, wir werden noch nicht in Top-Form am Start stehen, weil wir die Form auch noch bei den folgenden Weltcups benötigen", so Dörnbach.

Nik Schröter (RSC Cottbus)

Der Cottbuser ist wieder als Spezialist für den Teamsprint auf Position eins gesetzt und gefordert. Nach WM-Bronze Ende 2021 verpasste er 2022 als 5. (EM) und 4. (WM) seine zweite internationale Medaille, konnte sich persönlich aber weiter Stück für Stück steigern.

Bahnradfahrer Nik Schröter trinkt (Bild:  Imago Images/frontalvision.com)

Bahnradfahrer Nik Schröter

"Meine Vorbereitung verlief ganz gut, Kapstadt war ein gutes Trainingslager zur Kraftentfaltung. Aktuell fehlt mir noch etwas die Spritzigkeit, was aber auch nicht schlimm ist, da wir nicht nur die EM, sondern auch noch drei Nations Cups im Anschluss haben", sagt der 24-Jährige, der aus Finsterwalde stammt. Allerdings muss Bundestrainer Jan van Eijden seine stärkste Formation umbauen. Der Chemnitzer Ex-Weltmeister Stefan Bötticher fällt aus, für ihn rückt der Erfurter Marc Jurczyk nach und bildet mit Schröter und Dörnbach das Team.
 
"Wir wollen unsere bestmögliche Leistung abrufen und schauen dann, was rauskommt. Wir sind dennoch optimistisch, gerade auch, weil Max Dörnbach in Super-Form ist. Wir wissen aber nicht, auf welchem Level die anderen Nationen sind", sagt Schröter. Die Mannschaft reiste am Sonntag in die Schweiz. Nach dem Training am Montag und Dienstag beginnen am Mittwoch die Europameisterschaften.

Sendung: rbb24, 06.02.2023, 18 Uhr