Die französische Schiedsrichterin Stéphanie Frappart bei der WM in Katar. / imago images/Xinhua

Interview | Schiedsrichterin Inka Müller-Schmäh "Der Druck wird riesengroß sein, aber sie hat gelernt, damit umzugehen"

Stand: 01.12.2022 12:21 Uhr

Stéphanie Frappart wird das Spiel der deutschen Nationalelf gegen Costa Rica leiten - als erste Schiedsrichterin bei einer Männer-WM. Ein Gespräch mit der Ex-Bundesliga-Schiedsrichterin Inka Müller-Schmäh aus Potsdam über eine besondere Premiere.

Nicht nur die deutsche Fußball-Nationalmannschaft steht am Donnerstagabend im dritten Gruppenspiel der WM in Katar unter besonderer Beobachtung, sondern auch Stéphanie Frappart. Sie ist die erste Schiedsrichterin, die ein Spiel bei einer Fußball-WM der Männer leiten darf. Sie ist 38 Jahre alt, kommt aus einem kleinen Ort nördlich von Paris - und hat schon Erfahrung im Männerfußball. Frappart war auch die erste Schiedsrichterin in der Champions League.

Die Potsdamer Schiedsrichterin Inka Müller-Schmäh im Einsatz bei einem Bundesliga-Spiel der Frauen im Jahr 2016. / imago images/Eibner

Die Potsdamer Schiedsrichterin Inka Müller-Schmäh im Einsatz bei einem Bundesliga-Spiel der Frauen im Jahr 2016.

Die Potsdamerin Inka Müller-Schmäh - im Hauptberuf Rechtsanwältin - war auch zwanzig Jahre lang Schiedsrichterin in der Frauen-Bundesliga und 16 Jahre lang Fifa-Schiedsrichter-Assistentin. Ihr sportlicher Höhepunkt war die Teilnahme an den Olympischen Spiele 2008. Bei den Männern leitete die 46-Jährige, die für Hertha Zehlendorf pfeift, Spiele bis zur viertklassigen Regionalliga.

rbb: Frau Müller-Schmäh, unter welchem Druck steht Stéphanie Frappart?
 
Inka Müller-Schmäh: Der ist sehr hoch. Das ist er aber generell bei Fifa-Turnieren - gerade bei Weltmeisterschaften. Man hat sich lange, lange darauf vorbereitet. Es ist auch für einen persönlich ein Höhepunkt. Überhaupt da zu sein, jeden Tag mit zu trainieren und dann für ein Spiel ausgewählt zu werden, ist ein langer Weg. Auf dem ist man Drucksituationen regelmäßig begegnet. Deshalb glaube ich auch, dass der Druck zwar riesengroß ist, dass sie aber auch gelernt hat, genau mit diesem zunehmenden Druck umzugehen.

Von 36 Schiedsrichtern sind bei dieser WM nur drei Frauen. Vor vier Jahren in Russland war allerdings noch gar keine Frau nominiert. Ist das nun also ein Erfolg und ein historischer Tag, den Sie feiern - oder ist es eigentlich ein Armutszeugnis, dass es nur drei Frauen sind und die Gruppenphase schon fast vorbei ist, ehe jetzt eine von ihnen eingesetzt wird?
 
Ich würde eher sagen: Es ist ein gutes Signal. Es ist gut, dass es jetzt drei sind. Es wäre natürlich schon, wenn das ein Zwischenschritt wäre auf dem Weg zu einer noch höheren Beteiligung von Frauen. Auf der anderen Seite muss man das Ganze natürlich auch einordnen. Wir haben in Deutschland je nach Landesverband zwischen zwei und fünf Prozent Schiedsrichterinnen. Der Frauenanteil ist also extrem gering und die müssen sich auch erstmal an die Spitze durchsetzen. Man muss sich überlegen: 36 Schiedsrichtergespanne aus der ganzen Welt sind jetzt in Katar - und hunderttausende vom Nachwuchs- bis zum gestandenen Schiedsrichter überhaupt irgendwann mal dabeizusein ...

rbb-Sportreporter Dirk Walsdorff schaut aus dem Hotelzimmer (rbb/Walsdorff)
In Quatarantäne

Wie läuft das eigentlich, wenn man sich in Katar mit Covid-19 infiziert? Dirk Walsdorff macht als rbb-Sportreporter bei der Weltmeisterschaft den unfreiwilligen Selbsttest. Statt aufs Fußballfeld schaut er nun auf eine Müllsammelstelle.mehr

Wie sehen denn die Entscheidungswege und Kriterien aus, die zu so einer WM-Nominierung führen?
 
Man muss sich Schritt für Schritt qualifizieren. Zunächst geht es darum, im Nationalverband ünberhaupt auf die Fifa-Liste zu kommen. Es gibt pro Land nur eine begrenzte Anzahl von Fifa-Schiedsrichtern. Der weg ist schon relativ steinig, weil man sich ja im Grunde genommen in einer Art nationalen Schiedsrichter-Mannschaft durchsetzen muss. Von dort geht es dann in den internationalen Kader, der auch wieder in mehrere Klassen eingeteilt ist. In dem muss man dann bis in die Elitegruppe kommen.

Wahnsinn, was da alles nötig ist, um auch mal dabeizusein ...
 
Ja, man braucht wirklich eine Menge Biss. Auf der anderen Seite muss man sich aber auch verdeutlichen, dass es die einzige wirklich internationale Mannschaft ist. Sie stehen morgens auf und frühstücken mit einer Südafrikanerin. Sitzen im Bus zum Training dann neben jemandem aus dem Senegal. Nach dem Training mit dem eigenen Team können Sie sich wiederum mit jemandem aus China austauschen. Beim Mittagessen teilen Sie den Tisch mit jemandem aus den USA. Es ist ein langer Weg und es ist viel Druck, aber es bereichert halt auch unheimlich.

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führten Kerstin Hermes und Julia Menger, radioeins.

Sendung: radioeins, 01.12.2022, 9:40 Uhr