Jordan und Haberer bejubeln den Union-Sieg gegen den BVB. / imago images/Contrast

Tabellenführung ausgebaut Der 1. FC Union hält der Liga den Spiegel vor

Stand: 17.10.2022 08:08 Uhr

2:0-Sieg gegen Dortmund, Union Berlin baut seine Tabellenführung aus. Aber sind die Köpenicker ein Titelkandidat? Das Team setzt in der Bundesliga derzeit den Maßstab, profitiert aber auch von Fehlern der Konkurrenz.

Von Till Oppermann

In den letzten Minuten des Spiels gegen Borussia Dortmund sangen die Unioner, was sie in den letzten Wochen immer singen. "Deutscher Meister wird nur der FCU", schallte es durch die Alte Försterei. Durch das souveräne 2:0 gegen den BVB baute der 1. FC Union Berlin die Tabellenführung in der Bundesliga weiter aus.

Nach Abpfiff des Spitzenspiels übt sich Erfolgstrainer Urs Fischer trotzdem in Bescheidenheit. Die Tabelle sei ein schöner Anblick, klar, aber doch weiterhin eine Momentaufnahme. Doppeltorschütze Janik Haberer stimmte ein. Wichtig sei, wie man nächste Woche in Bochum gegen ein Team spiele, das unten steht. "Wir wissen, wo wir herkommen."

Union-Spielern jubeln nach Tor (Quelle: IMAGO / RHR-Foto)
Tabellenführer 1. FC Union gewinnt auch Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund

Nächstes Ausrufezeichen des 1. FC Union: Die Köpenicker haben gegen Dortmund mit 2:0 gewonnen und so die Tabellenführung gefestigt. Es war ein verdienter Sieg gegen einen BVB, der sich zu viele Fehler leistete - und offensiv lange ideenlos blieb.mehr

Auf dem Weg zum Titelkandidat

40 Punkte - also der sichere Klassenerhalt - sind seit dem Aufstieg 2019 das Saisonziel der Unioner. Auch als seine Mannschaft in den beiden vergangenen Saisons überraschend um die europäischen Plätze spielte und sich am Ende jeweils qualifizierte, hielt Trainer Fischer bei jeder Nachfrage nach neuen Träumen eisern an dieser Formulierung fest.
 
In Anbetracht von 23 Zählern aus den ersten zehn Spielen wird er in dieser Saison wohl früher von seinem Mantra abweichen müssen. Längst erklären nicht mehr nur die Fans den 1. FC Union zu einem Titelkandidaten. Keinesfalls ironisch werden die Köpenicker Konkurrenz im Meisterschaftsrennen genannt.

Union bleibt sich spielerisch treu

Die souveräne Leistung gegen Dortmund gibt dieser Meinung weiteren Auftrieb. Die 22.012 Zuschauer im ausverkauften Stadion sahen zwar kein Spitzenspiel, das lag aber nicht an den Gastgebern. Union profitierte in der achten Minute von einem Schnitzer des Dortmunder Keepers Gregor Kobel, der ausrutschte, sodass Haberer den freien Ball nur noch aus kurzer Distanz ins Tor schieben musste.
 
Danach zeigte die Fischer-Elf, warum sie derzeit die Liga anführt. Das aggressive Pressing erstickte den Dortmunder Spielaufbau. Während defensiv nichts anbrannte, kam Union zu weiteren Chancen. Vor Haberers zweitem Tor in der 21. Minute gewann Andras Schäfer im Mittelfeld den Ball und setzte den schnellen Sheraldo Becker ein, der spielte direkt auf Jordan, dessen Ablage Haberer aus 20 Metern flach einschoss. Laufbereitschaft, Ballgewinne im gegnerischen Spielaufbau, direktes Spiel, Effizienz: Über diese Kategorien dominiert der FCU derzeit regelmäßig.

Hertha-Trainer Sandro Schwarz (Quelle: IMAGO/Picture Point LE)
"Ich mache mir null Gedanken darüber, dass die Stimmung kippen könnte"

Obwohl Hertha BSC nach der Niederlage gegen Leipzig weiter im Tabellenkeller steht, ist die Stimmung im Verein positiv. Trainer Sandro Schwarz vertraut darauf, mit seiner Mannschaft auf dem richtigen Weg zu sein.mehr

Hohes Fitnesslevel

Aber kann Union das durchhalten? Sind die Berliner nach ihrem herausragenden Start tatsächlich ein Titelkandidat? Auch gegen Dortmund betrieb die laufstärkste Mannschaft der Liga einen enormen Aufwand und lief mit 125,2 Kilometern knapp zwölf mehr als der Gegner. Fischer schwärmt: "244 Sprints, das muss man erstmal hinbekommen." Auch wenn Dortmund in den letzten Minuten einige gute Chancen auf den Anschluss hatte, die nur der starke Frederik Rönnow vereiteln konnte, gelingt es Union in dieser Saison auch am Ende von englischen Wochen mit drei Spielen die Konzentration zu bewahren.
 
Das sah im Vorjahr anders aus, als man im Herbst an den Wochenenden nach den sechs Gruppenspielen der Conference League nur einmal gewann und mehrmals kurz vor Schluss Spiele aus der Hand gab. "Die Jungs lieben es, alle zwei Tage zu spielen", erklärt Urs Fischer. Wichtig sei eben, wie man dazwischen regeneriere. Diese Belastungssteuerung zeigt sich auch am Spieltag. Einerseits standen am Sonntag mit Jaeckel und Haraguchi zwei Startelfkandidaten nicht im Kader, um sich auszuruhen, andererseits verstehen sich die Kollegen mittlerweile darin, die eigene Intensität klug an verschiedene Spielphasen anzupassen.

Achse ist schwer zu ersetzen

Vielleicht bleibt die Mannschaft auch deshalb weitestgehend von Verletzungen verschont. Denn Fischers häufige Rotation in der Abwehr, auf den Außenbahnen und im zentralen Mittelfeld sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Säulen sehr schwer zu ersetzen sind. Gegen Dortmund zeigte sich das, als in der 67. Minute Jordan verletzt liegen blieb und Kevin Behrens eingewechselt wurde. Zwar hängte sich der Ersatzstürmer ins Zeug, aber anders als der Rekordtransfer Siebatcheu konnte er nicht mit festgemachten Bällen für Entlastung sorgen.

Zweikampf im Regionalliga-Spiel zwischen dem Chemnitzer FC und dem FSV Luckenwalde (Quelle: IMAGO/HärtelPRESS)
Tabellenführer Berliner AK fertigt Lichtenberg ab, Luckenwalde verliert

mehr

Weitere besonders schwer zu ersetzende Spieler sind Topscorer Sheraldo Becker, Abwehrchef Robin Knoche und Rani Khedira, der im Union-System gleichermaßen für die Kommandos im Pressing wie für das Schließen entstehender Lücken sorgt. "Ich bin für die Balance zuständig und habe eine sehr wichtige Position", fasst er zusammen. Würde einer dieser zentralen Spieler länger ausfallen, könnte Unions Höhenflug an natürliche Grenzen stoßen.

Unions Erfolg hängt auch an den Fehlern der Gegner

Wie die Unioner auch mit Knoche, Khedira, Becker und Jordan Probleme bekommen können, zeigten in der aktuellen Saison die Niederlagen gegen Frankfurt in der Liga und Saint-Gilles im Europapokal. Sobald sie in Rückstand geraten und das Spiel machen müssen, fehlt es an Durchschlagskraft und Kreativität, insbesondere wenn die Räume für Tiefenläufe geschlossen sind. Es bleibt abzuwarten, was passiert, wenn die Fischer-Elf mal mehrere Spiele nicht in Führung geht.

Dass es dazu überhaupt kommt, steht aber keinesfalls fest, denn kaum eine Mannschaft ist so gut darin wie Union, gegnerische Fehler zu erzwingen und zu bestrafen. Das musste Dortmund am Sonntag gleich zweimal feststellen. Ob Union noch als Tabellenführer zum Rückspiel reist, hängt also auch davon ab, wie fehlerfrei die Gegner agieren. Man könnte sagen, der Tabellenführer Union hält der Liga den Spiegel vor. Durch die lange WM-Pause hat Fischer im Winter viel Zeit, um weiter an seinem Erfolgsrezept zu feilen. Bis dahin trägt das Momentum: "Die 23 Punkte sind außergewöhnlich, das hilft uns enorm, um die nächsten vier Wochen zu überstehen", so Fischer.

Sendung: rbb24, 16.10.2022, 21:45 Uhr