Lucas Kochan vom SC Cottbus Turnen bei der WM-Qualifikation im Geräteturnen in Rüsselsheim(Bild: imago images/Eibner)

SC Cottbus in der Deutschen Turn Liga Das Ende einer Durststrecke

Stand: 09.11.2022 11:18 Uhr

Seit 2010 wartet der SC Cottbus Turnen auf die zehnte deutsche Meisterschaft. In diesem Jahr haben die Lausitzer eine glänzende erste Saisonhälfte hingelegt und der Titel ist machbar. Von Thomas Juschus

Was haben der FC Bayern München, der THW Kiel und der SC Cottbus gemeinsam? Alle Mannschaften sind deutsche Rekordmeister in ihrer Sportart – im Fußball, Handball und Turnen. Doch während die Bayern und die Norddeutschen seit Jahren das Niveau in der Bundesliga weiter bestimmen, liegt der letzte Mannschaftserfolg der Lausitzer inzwischen schon zwölf Jahre zurück. 2010 sicherte sich die Mannschaft aus Brandenburg den neunten und letzten Titel. In dieser Saison ist die Chance so groß wie lange nicht mehr, dass die Erfolgsgeschichte um einen Eintrag erweitert werden kann.

Glänzende Ausgangsposition

Vor dem Start in die zweite Saisonhälfte der Deutschen Turn-Liga (DTL) liegt der SC Cottbus nach drei Siegen und einer Niederlage auf dem zweiten Tabellenplatz. Den will die Riege in den verbleibenden drei Runden beim TSV Pfuhl (12. November), im Heimwettkampf gegen die KTV Straubenhardt (19. November) und zum Abschluss beim Siegerländer KV (26. November) unbedingt verteidigen, um am 3. Dezember in das große Finale um Gold in Neu-Ulm einzuziehen. "Zu Saisonbeginn war eine Medaille unser Ziel – jetzt ist das große Finale das Ziel. Wir haben keine Lust, am Ende möglicherweise als Vierter ohne Medaille dazustehen", sagt Teamkapitän Devin Woitalla selbstbewusst.
 
In den 2000er Jahren war der SC Cottbus ständiger Gast in den Finalrunden. Eigengewächse wie Ronny Ziesmer, Robert Juckel, Steve Woitalla und vor allem Philipp Boy drückten der Liga ihren Stempel auf. Nach 2010 und dem Rücktritt des zweimaligen Mehrkampf-Vize-Weltmeisters Boy im Jahr 2012 verlor der SC Cottbus seine Ausnahmestellung. Die DTL wurde zudem stärker und ausgeglichener, die Mannschaften rückten leistungsmässig zusammen. In den vergangenen vier Jahren gab es vier verschiedene Meister – zuletzt 2021 den TuS Vinnhorst um den Olympia-Zweiten und aktuellen Vize-Weltmeister von Liverpool, Lukas Dauser.

Eigener Nachwuchs drängt nach vorn

"Wir haben immer nur mit Turnern aus unserem eigenen Nachwuchs geturnt. Klar, wir hatten eine Durststrecke, haben aber immer gute Nachwuchsarbeit gemacht." Jetzt sei der Nachwuchs wieder da und man könne vom Finale träumen, sagt Woitalla und denkt dabei vor allem an Lucas Kochan. Der 22-Jährige aus Lauchhammer legte im Sommer ein viel beachtetes Debüt in der Nationalmannschaft bei den Europameisterschaften in München hin. Auch für die Weltmeisterschaft war er qualifiziert, ehe ihn Corona stoppte. Tom Schultze (21 Jahre) aus Drebkau überzeugte im Frühjahr mit einem fünften Platz beim Weltcup in Baku. Und Leonard Prügel (24) – der "Mr. Zuverlässig" aus Cottbus - ist der aktuelle Top-Scorer in der DTL.
 
"Es wäre für unsere Sportart in der Region einfach sehr wichtig, wieder einen Titel zu holen", sagt Devin Woitalla. Noch in der vergangenen Saison hing die Bundesliga-Zugehörigkeit am seidenen Faden. Erst am letzten Wettkampftag sicherte sich der Rekordmeister eine weitere DTL-Saison. Dieses Jahr kann es sogar eine Medaille geben – vielleicht mehr. "Für uns als Verein ist es super, wieder vorn mitzumischen. Darauf haben wir sehr lange hin gearbeitet", ergänzt Kochan, der sinnbildlich für den Aufschwung steht. Der Sportsoldat ist nach überstandener Corona-Infektion zurück im Training, muss aber in den nächsten Wochen parallel eine Fortbildung bei der Bundeswehr in Sonthofen absolvieren. "Die Doppelbelastung ist schon hart – ich muss sehen, wie viele Geräte ich machen kann. Aber ich freu mich auf die DTL", sagt Kochan.

Leonard Prügel vom SC Cottbus Turnen bei der WM-Qualifikation Turnen in Rüsselsheim(Bild: imago images/Jan Huebner)

Leonard Prügel vom SC Cottbus bei der WM-Qualifikation in Rüsselsheim

Traditionell gute Verbindungen in die Ukraine

Ganz ohne Verstärkung geht es aber auch in Cottbus nicht. Fast schon traditionell sind die Verbindungen des Vereins in die Ukraine. Grigori Misjutin, Alexander Svetlichni, Oleksandr Suprun und Roman Zozulja stabilisierten seit Anfang der 90er Jahre mit ihren Leistungen die SCC-Riege. Suprun und Zozulja arbeiten heute als Trainer in Cottbus. Seit inzwischen sechs Jahren turnt Igor Radivilov für die Lausitzer. Am vergangenen Wochenende gewann der 30-Jährige bei den Weltmeisterschaften in Liverpool die Bronzemedaille im Sprung. Nach einem kurzen Besuch in seinem vom Krieg geschundenen Heimatland soll Radivilov am Samstag rechtzeitig für den Wettkampf gegen den TSV Pfuhl zum SCC stoßen.
 
Vor seinem Bundesliga-Debüt (Samstag, 18 Uhr, Schulzentrum Pfuhl, Neu-Ulm) steht Radivilovs Landsmann Radomir Stelmakh. Der 17-Jährige kam infolge des Kriegs gegen die Ukraine im Februar zum Training nach Cottbus. Stelmakh gilt als großes Talent, gewann im Juli bei den Olympischen Jugend-Spielen in der Slowakei den Mehrkampf-Titel. "Wir wollen ihn am Boden einsetzen", erklärt Teamkapitän Woitalla. Dritter Gaststarter aus dem Ausland ist Francisco Baretta Junior aus Brasilien.

Start in zweite Saisonhälfte beim TSV Pfuhl

Ein Erfolg zum Start der zweiten Saisonhälfte bei Aufsteiger TSV Pfuhl wäre für den SCC die halbe Miete auf dem Weg zur Medaille. "Ich habe ein bisschen Angst, dass wir beim Aufsteiger ein bisschen leichtsinnig sind. Das darf uns nicht passieren", warnt Devin Woitalla. Eine Woche später soll in eigener Halle gegen die KTV Straubenhardt der Final-Einzug perfekt gemacht werden. Anfang Dezember dann im Idealfall die zehnte Meisterschaft folgen und die Erfolgsgeschichte ähnlich wie beim FC Bayern München oder dem THW Kiel fortgeschrieben werden. Lucas Kochan: "Der Titel wäre eine riesen Belohnung und würde unserem Verein einen großen Aufschwung verleihen."

Sendung: Inforadio, 09. November 2022, 11:14 Uhr