Fehlverhalten beim Springreiten Berliner Fünfkampf-Trainerin Raisner von Olympischen Spielen ausgeschlossen

Stand: 07.08.2021 14:05 Uhr

Das olympische Fünfkampf-Drama um Annika Schleu hat erste Folgen. Wegen ihres Verhaltens geht nun der Weltverband gegen Bundestrainerin Kim Raisner vor. Sie soll das Pferd von Reiterin Schleu mit der Faust geschlagen haben.

Nach dem Olympia-Drama um Fünfkämpferin Annika Schleu hat der Weltverband die aus Berlin stammende Bundestrainerin Kim Raisner von den Olympischen Spielen in Tokio ausgeschlossen. Grund sei ihr Verhalten beim Modernen Fünfkampf der Frauen gewesen, teilte der Verband am Samstag mit. Raisner soll das bockende Pferd der Berlinerin Schleu mit der Faust geschlagen haben.
 
Wann genau das geschehen sein soll, war zunächst unklar. Während des Springreiten-Wettbewerbs war Raisner wegen eines verbalen Kommentars in die Kritik geraten: "Hau mal richtig drauf! Hau drauf!", hatte sie - im Fernsehen deutlich hörbar - Schleu zugerufen. Die sichtlich überforderte Athletin hatte daraufhin verzweifelt mit der Gerte auf das verunsicherte und verängstigte Pferd eingeschlagen. Danach gab es heftige Kritik an der Sportlerin und an Raisner.
 
Schleu lag im Modernen Fünfkampf nach den ersten zwei Disziplinen souverän auf dem ersten Platz, doch das ihr zugeloste Leih-Pferd Saint Boy verweigerte beim Springreiten mehrfach. Die 31-Jährige blieb deshalb ohne Punkte und kam am Ende auf Rang 31.

Weitere personelle Konsequenzen unklar

Zuvor hatte bereits der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mitgeteilt, dass Raisner beim Männer-Wettbewerb am Samstag keine offizielle Aufgabe wahrnehmen werde. Sie solle "weder am Parcours noch am Abreiteplatz eine Funktion" haben, sagte der DOSB-Chef Alfons Hörmann nach einer Besprechung des Vorfalls mit Schleu, Raisner und Susanne Wiedemann, Sportdirektorin des Deutschen Verbands für Modernen Fünfkampf.
 
Das sei die "beste Lösung", um keine "weiteren Fragezeichen" rund um die Trainerin aufkommen zu lassen. Es sei eine gemeinsame und einvernehmliche Entscheidung gewesen, so Hörmann. Ob es weitere personelle Konsequenzen geben könne, ließ der DOSB-Präsident zunächst offen. Hörmann sagte, dass das internationale Regelwerk im Fünfkampf "dringend" einer Überarbeitung bedürfe, konkrete Vorschläge wollte er aber nicht machen.

Kritik äußerte auch die siebenmalige Reit-Olympiasiegerin Isabell Werth. "Fünfkampf hat nichts, aber auch gar nichts mit Reiten zu tun", sagte Werth dem Sportinformationsdienst: "Die Pferde sind ein Transportmittel, zu denen die Athleten keinerlei Bezug haben. Denen kann man genauso gut ein Fahrrad oder einen Roller geben", kritisierte die Dressurreiterin.

Shitstorm im Netz wegen "Tierquälerei"

Bereits nach dem Springreiten war wegen der verstörenden Bilder der überforderten Reiterin und des verängstigten Pferds ein regelrechter Shitstorm entbrannt. Auf Twitter und Instagram trendeten am Freitag die Hashtags "Schleu", "Fünfkampf" und "Tierquälerei". Darunter wird der Athletin nun Tierquälerei vorgeworfen und ihrer Trainerin Verantwortungslosigkeit. Die wies allerdings noch am Freitag jegliche Schuld von sich und ihrer Athletin. "Es ist nicht ihre Schuld. Das Pferd wollte immer nur zur Tür", sagte Raisner anschließend und erklärte, dass sie versucht hätten, das Pferd zu wechseln.
 
Die Regeln sehen vor, dass die Athletin das Pferd wechseln kann, wenn es zuvor vier Mal den Sprung verweigert hat. Saint Boy hatte tatsächlich auch vorher schon Probleme. Das Pferd wollte wenige Minuten zuvor bei Gulnas Gubaidullina vom Team des Russischen Olympischen Komitees nicht über die Hindernisse, verweigerte allerdings "nur" drei Mal. Ein Tierarzt erklärte das Pferd für einsatzbereit. Schleu musste auf Saint Boy. Dass sich weder Pferd noch Reiterin wohl fühlten, spielt den Regularien zufolge keine Rolle.

Déjà-vu für deutsche Modernen Fünfkämpferinnen

"Ich kann es kaum glauben, dass uns das zwei Olympische Spiele hintereinander passiert", gestand Bundestrainerin Raisner in der ARD und fing selbst an zu weinen. Ein komplett misslungener Ritt und null Punkte im Springreiten hatten 2016 auch die Träume vom zweiten Olympia-Gold nach 2008 von Lena Schöneborn beendet.
 
Es sei tragisch, sagte die grenzenlos enttäuschte Schleu: "Ich werde wohl eine Weile brauchen, um darüber hinwegzukommen."

Schleu deaktiviert Instagram-Account nach Hasskommentaren

Am Samstag reagierte Schleu auf die vielen Hasskommentare und deaktivierte ihren Instagram-Account. Es seien "teilweise Worte gewählt worden, wo Leute sich angeblich für
das Tierwohl und für Lebewesen einsetzen, aber dann in einer Art und Weise mit mir oder auch meinen Angehörigen sprechen, wo ich sage, das ist nicht ok, das geht viel zu weit", sagte die Berlinerin der Deutschen Presse-Agentur.

 
Die Vereinigung "Athleten Deutschland" sicherte Schleu bereits zuvor Unterstützung bezüglich der Beleidigungen im Netz zu. "Die Anfeindungen und der teils offene Hass, der ihr seit dem gestrigen Reit-Wettkampf in den sozialen Netzwerken entgegenschlägt, ist inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen", teilte die Organisation am Samstag mit.

Sendung: Inforadio, 07.08.2021, 10:00 Uhr