Hertha-Präsident Kay Bernstein vor der Ostkurve (Bild: IMAGO/Camera4+)

Kay Bernsteins erste 100 Tage als Hertha-Präsident Als Identifikationsfigur angekommen, als Krisenmanager gefordert

Stand: 04.10.2022 17:16 Uhr

Kay Bernsteins erste dreieinhalb Monate als Hertha-Präsident waren von viel Ruhe und Erfolg geprägt. Nun wartet in der angeblichen Anti-Gegenbauer-Kampagne von Investor Windhorst die erste brisante Herausforderung auf ihn. Ein Überblick. Von Jakob Lobach

Eigentlich war alles angerichtet für das erste große Resümee. Exakt 100 Tage nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten von Hertha BSC Ende Juni hatte Kay Bernstein für Dienstag zu einer Medienrunde geladen. Dann kamen vergangene Woche die Vorwürfe rund um Investor Lars Windhorst und dessen Kampagne gegen Werner Gegenbauer auf. Eine direkte Folge: Die Bernstein'sche Resümee-Runde, die bis dahin wohl eine sehr positive geworden wäre, wurde abgesagt. Ein Blick auf die bisherige Arbeit und das Wirken von Kay Bernstein als Hertha-Präsident lohnt sich selbstverständlich dennoch - vier Beobachtungen.

Lars Windhorst und Werner Gegenbauer auf dem Podium (picture alliance/dpa | Andreas Gora)
So könnte die Zukunft von Lars Windhorst und Hertha BSC aussehen

Hertha BSC erwartet von Lars Windhorst eine Stellungnahme. Es geht um die Vorwürfe, er habe eine Kampagne gegen den damaligen Präsidenten Gegenbauer organisiert. Gelingt es Windhorst nicht, diese auszuräumen, droht eine komplizierte Zukunft. Von Christian Dexnemehr

Kommunikator in der Krise

Nachdem er seiner neuen Arbeit bisher mit viel Ruhe und wenig Aufregung nachgehen konnte, hat sich dies mit den jüngsten Vorwürfen rund um Windhorst drastisch geändert. Erstmals ist Bernstein nun als Krisenmanager gefragt. Als ersten Schritt forderte Hertha Windhorst am Wochenende zu einer detaillierten Stellungnahme auf. "Damit wir die Sachen ordentlich bewerten können", wie Bernstein dem rbb am Wochenende sagte. Es wirkt, als bliebe der Präsident seinem Ansatz treu, nicht überstürzt zu entscheiden und zu kommunizieren.
 
Bernstein bewegt sich dabei in einem schwierigen Spannungsfeld zwischen drei Fronten. Zum einen wäre da die Hertha selbst, die aktuell allen voran um eine schnelle Aufklärung des sich andeutenden Skandals bemüht ist. Hinzu kommt Windhorst, der die Vorwürfe als "Unsinn" betitelt. Darüber hinaus kritisiert der Investor Hertha für vermeintlich ausgebliebene interne Gespräche und die Tatsache, dass die Aufforderung zur erwähnten Stellungnahme nicht nur bei ihm, sondern auch der "Bild"-Zeitung landete. Als dritte und wohl lauteste Kraft spielen auch Herthas Fans eine Schlüsselrolle in der aktuellen Affäre.
 
"Windhorst raus aus unserem Verein", forderte die Ostkurve am Wochenende nicht nur mit einem großen Plakat, sondern auch mit einem in deutlich sachlicherem Ton verfassten Handzettel. "Wir alle sind gefordert, uns diesen Umtrieben von Lars Windhorst entschlossen entgegen zu stellen", hieß es auf diesem unter anderem. Eine Handlungsaufforderung, die sicherlich auch an Kay Bernstein ging. Wie der Präsident mit dieser nun umgeht, wird spannend zu sehen sein und zukünftige Bewertungen seiner Arbeit maßgeblich mitprägen.

Hertha-Präsident Kay Bernstein auf einer gemeinsamen Fahrradtour mit Fans zum Olympiastadion (imago images/Matthias Koch)
Windhorst-Affäre bereitet Hertha-Präsident Bernstein "große Sorgen"

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Identifikation und Zusammenhalt

Anders als Windhorst hat Bernstein es 100 Tage nach seiner Wahl geschafft, das Gros der Hertha-Fans von sich zu überzeugen. Auch viele derer, die seine Wahl zunächst skeptisch bis kritisch betrachtet hatten. Der Präsident hat es als einstiger Ultra geschafft, eine lange nicht mehr dagewesene Identifikation der Hertha-Fans mit ihrer Mannschaft, aber auch mit ihrem Verein herzustellen. Bernstein lebt diese Identifikation glaubhaft vor und trägt sie bis in die Spitze des Vereins hinein. Die Hertha ist so für seine Fans in den vergangenen Monaten wieder greifbarer geworden.
 
Es ist ein Prozess, mit dem auch ein größerer Zusammenhalt zwischen Fans und Mannschaft einhergegangen ist. Anders als noch in der vergangenen Saison stellten sich Herthas Anhänger in dieser Saison bislang selbst nach schwächeren Leistungen hinter ihre Schützlinge. Auch Trainer Sandro Schwarz sieht Bernstein hierfür mitverantwortlich und sagte zuletzt über den Präsidenten: "Ich finde das, was Kay darstellt, die Nähe zum Klub, zu den Angestellten, zu uns, wie er den Verein lebt und es auch kommunikativ macht, ehrlich gesagt herausragend."

Herthas neues Gesicht

Dass Bernstein in kürzester Zeit zur aktuell vielleicht größten Identifikationsfigur bei Hertha BSC geworden ist, liegt auch daran, dass er sich und der Verein ihn sehr bewusst als eine solche präsentiert und einsetzt. Der persönlich gepflanzte Apfelbaum als "Pflänzchen der blau-weißen Hoffnung", seine berühmte Trainingsjacke oder auch jüngst das gemeinsame Radeln mit Fans am Nachhaltigkeitsspieltag – Bernsteins erste Präsidentenmonate waren geprägt von viel gut inszenierter Symbolpolitik.
 
Als Gründer einer Agentur für Marketing und Kommunikation weiß Bernstein genau, wann er sich wo und wie präsentieren muss und macht sich dieses Wissen konsequent zu nutzen. Hinzukommt sein Status als ehemaliger Ultra im Präsidentenamt eines Bundesligisten, auf den Hertha ebenso konsequent baut. Inwieweit dieses zielgerichtete Profilieren und Präsentieren vom Verein oder aber von Bernstein selbst ausgeht, ist dabei zweitrangig. Fakt ist: Es hat Kay Bernstein in kürzester Zeit zum prägenden Gesicht seines Klubs gemacht.

Kay Bernstein neben dem von ihm gepflanzten Apfelbaum (Bild: IMAGO/Nordphoto)

Bernstein_Apfel

Allein geht's nicht

Auch das ist eine Erkenntnis aus Bernsteins ersten 100 Tagen im Amt: Alleine wird der 42-Jährige den angestrebten Kulturwandel bei Hertha BSC nicht vollziehen können. Bester Beweis ist das erwähnte und der "Bild"-Zeitung zugespielte Schreiben an Windhorst aus dem Präsidium. Es zeigt, dass es auch nach Bernsteins Wahl noch Personen im Klub gibt, die gewillt sind – mit welcher Motivation auch immer – Vereinsinterna in eigener Sache nach außen zu tragen.
 
Die beschriebene Kritik von Investor Windhorst an diesem Umstand bekräftigte auch Bernstein am Wochenende, indem er sagte: "Die Kommunikation hat er zurecht bemängelt, weil das ein Problem ist, das wir immer noch haben, dass da undichte Stellen vorhanden sind. Daran müssen wir weiter arbeiten und das müssen wir weiter hinkriegen, dass das nicht passiert." Insbesondere der letzte Satz kann hierbei, ähnlich wie der Handzettel der Fans, problemlos als ein Appell an den Rest der Hertha-Verantwortlichen für Bernsteins weitere Präsidentenzeit gesehen werden.

Sendung: rbb24, 04.10.2022, 18 Uhr