Themenwoche LGBTIQ+ | Der Profi "Als hätte ich über meine Lieblings-Kaugummisorte gesprochen"

Stand: 19.07.2021 18:52 Uhr

Als sich Benjamin Patch im vergangenen Jahr als queer outete, löste das Wirbel in der Sportwelt aus. Das überraschte ihn, wie der Spieler der BR Volleys jetzt sagt. Shea Westhoff über das Ringen eines Top-Athleten, der sein zu dürfen, der er sein will.

Natürlich fällt Benjamin Patch auf. Mit seinen Tattoos, dem Schmuck, den bunt lackierten Fingernägeln. Auch, dass der 2,03 Meter große Profi des Volleyball-Bundesligisten BR Volleys nebenbei seiner Leidenschaft für die Töpferei nachgeht und die Keramikkunst für karitative Zwecke verkauft, sorgt für Aufsehen.
 
Und dann war da der Bericht im "Tagesspiegel" [Bezahlinhalt] über ihn im Herbst des vergangenen Jahres. Dort hatte Patch erzäht, dass er queer sei. Das hatte ein enormes mediales Echo zur Folge: Patch, der erste offen queere Spieler einer deutschen Profiliga. Vielen gilt er seitdem als Vorbild, gerade in den sozialen Medien wird der US-Amerikaner teilweise gefeiert als eine Ikone der LGBTIQ+-Community.

Volleyball? In Utah eine Ausnahme

Aber Benjamin Patch, und das ist die eigentliche Geschichte, will einfach nur Benjamin Patch sein - und als Mensch akzeptiert werden, der viele Facetten hat. Eine davon ist eben, dass er ein queerer Mann ist. "Dass ich das damals gesagt habe, war für mich so normal, wie wenn ich über meine Lieblings-Kaugummisorte gesprochen hätte", sagte der 26 Jahre alte Patch nun im Gespräch mit rbb|24. "Ich hätte nicht gedacht, dass das irgendwie schockieren würde."
 
Trotzdem: Dass es teilweise ein schwieriges Ringen bedeutet, der sein zu dürfen, der man sein will, das begleitet ihn schon sein ganzes Leben - und zeigte sich unter anderem auch bei seiner Leidenschaft für den Volleyball. Patch erzählt, dass er einer der ersten Männer im konservativen, mormonisch geprägten US-Bundesstaat Utah war, der sich auf eine Karriere als Profi-Volleyballer vorbereitete. "Ich liebte das Tänzerische an dem Sport und gleichzeitig das Explosive. Volleyball fordert den ganzen Körper", sagt er.

Menschen, die anders waren - und trotzdem glücklich

Sein Erweckungs-Erlebnis hatte der junge Student Patch, als er aufbrach zu einer Missionsreise, wie sie unter vielen jungen Mormonen üblich ist. Als er in einer fremden Großstadt im Norden der USA ankam, begegnete er zum ersten Mal einer Vielfalt: "Ich traf Muslime, Juden, Christen, Menschen mit unterschiedlichster Herkunft, homosexuelle und transsexuelle Menschen - und ich sollte denen erzählen, dass deren Art zu leben und deren Religion falsch ist", erinnert sich Patch. "Warum hätte ich das tun sollen? Sie wirkten alle zufrieden. Das brachte mich zum Nachdenken."
 
Ihm wurde klar, dass er selbst derjenige gewesen ist, der in seiner Heimat gezwungen war, sich zu verbiegen und viele Facetten seiner Persönlichkeit verstecken musste.

Patch entwickelte sich weiter, persönlich wie sportlich, wechselte über die italienische Profiliga 2018 nach Deutschland zu den BR Volleys.
 
Im vergangenen Jahr dann der Bericht, in dem er sich selbst als queer bezeichnete. Dabei habe er das nicht als großes Coming-out geplant. Umso glücklicher war er über die meisten Reaktionen: "Es gab eine große Menge von positiven Rückmeldungen, seitdem sind viele gute Dinge passiert."

Keine Nominierung für Tokio

Das habe er auch seinem Verein zu verdanken. "Als ich frisch nach Berlin kam, war ich eine traurige Version meiner Selbst, es war eine harte Zeit", sagt Patch. In den darauffolgenden Jahren habe er sich vom gesamten Vereinsumfeld unterstützt gefühlt. Es dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, dass Benjamin Patch seinen Vertrag in Berlin trotz Angeboten von namhaften Clubs aus dem Ausland um drei Jahre verlängert hat. Hervorheben will Patch dabei Geschäftsführer Kaweh Nieroomand. "Mit ihm hatte ich wichtige Gespräche. Nieroomand benimmt sich nicht wie der hohe Vorgesetzte, sondern er spricht mit dir von Mensch zu Mensch."

Dabei hat der US-Amerikaner gerade einen herben Rückschlag hinnehmen müssen. Patch wurde überraschend nicht für die Olympia-Auswahl seines Landes nominiert. "Das ist sehr enttäuschend für mich, immerhin war ich in den vergangenen sechs Jahren ein fester Bestandteil des Teams", sagt er. "Das ist hart für mich, aber so ist das Leben manchmal."
 
Immerhin bleibt ihm so mehr Zeit für die Saisonvorbereitung. Und für alle anderen Hobbys.