Das deutsche Davis-Cup-Team (v.l.)Tim Pütz, Kevin Krawietz, Jan-Lennard Struff, Oscar Otte und Yannick Hanfmann

NDR-Sport Tennis: Davis Cup in Hamburg - das Teamgefühl schlägt alles

Stand: 19.09.2022 10:16 Uhr

Deutschlands Tennis-Herren fahren als Gruppensieger zur Finalrunde nach Málaga. Aus der Vorrunde in Hamburg können aber einige Lehren gezogen werden - vor allem bei den Veranstaltern.

Von Marcel Stober

Während des Turniers ist es Herbst geworden in Hamburg. Fielen anfangs noch die Sonnenstrahlen durch die Eingangstore des Stadions am Rothenbaum auf den Platz, kam von dort spätestens ab Mitte der Vorrunde meist nur noch der Wind. Zum Teil spielten die Tennisprofis bei etwa 10 Grad auf dem Centre Court. Hamburg war neben Valencia, Bologna und Glasgow einer der Vorrundenorte der Davis Cup Finals.

Anders als an den übrigen Schauplätzen ist das Stadion am Rothenbaum aber eben keine Halle, sondern ein überdachter Außenplatz. Das merkte man. Und auch das könnte viele Zuschauer davon abgehalten haben, sich ein Ticket für den selbsternannten "World Cup of Tennis" zu holen.

Ticketpreise von Anfang an in der Kritik

Doch das ist nur ein Grund, warum das 10.000 Zuschauer fassende Stadion selbst bei deutschen Spielen gegen Frankreich und Belgien nicht einmal zu einem Drittel gefüllt war. An spielfreien Tagen des deutschen Teams saßen teilweise nur einige Hunderte auf den Tribünen, um die anderen Mannschaften zu sehen.

Natürlich waren die Verletzung und die darauf folgende Absage von Alexander Zverev für die Veranstalter ein schwerer Schlag. Und auch die Ticketpreise wurden schon zu Beginn der Turnierwoche stark kritisiert, zum Beispiel von Deutschlands Davis-Cup-Spieler Jan-Lennard Struff.

Wer ein deutsches Spiel sehen wollte, musste mindestens 75 Euro bezahlen, die anderen Partien waren für 65 Euro aufwärts zu haben. Zu Beginn wurden sogar nur deutlich teurere Zwei-Tages-Tickets verkauft. Das war an anderen Standorten anders. In Glasgow kostete ein Ticket für ein Duell ohne Beteiligung von Gastgeber Großbritannien umgerechnet 11,50 Euro. Spiele der Briten gab es ab etwa 28,80 Euro. Auch in Valencia waren Fans deutlich günstiger dabei. Einzig Heimspiele Italiens in Bologna lagen mit Preisen ab 82,50 Euro noch knapp über Hamburg.

Preise "gerechtfertigt" sagt Promoter

Verantwortlich für die Preise in Hamburg war die emotion-Group, ein Promoter aus Österreich. CEO Herwig Straka findet die Preise in der Größenordnung gerechtfertigt, schließlich nenne sich der Davis Cup ja auch selbst "World Cup of Tennis". Dieses Format mit der neuen Gruppenphase sei aber unter den potenziellen Ticketkäufern noch nicht angekommen, so Straka.

Die Preise wurden zu Beginn des Jahres festgelegt, als es so aussah, dass Alexander Zverev sich auf dem Weg zur Nummer eins der Welt befindet und für Deutschland antreten würde.

Er sieht auch einen Unterschied in den Regionen, die diese Gruppenphase ausrichteten. "In Hamburg ist es doch schon so, dass unter der Woche gearbeitet wird und am Wochenende geht man dann auch Tennis schauen", stellte Straka fest. Vier Gruppenspiele fanden von Dienstag bis Freitag statt, nur zwei am Wochenende - und nur das deutsche Duell gegen Australien am Sonntag.

Hier war dann auch auf den Rängen tatsächlich etwas mehr los. Außerdem hätten Städte wie Valencia oder Glasgow weniger internationale Veranstaltungen und seien "hungriger" als Hamburg, wo auch ohne Tennis viel los sei, sagte Straka.

Tennisweltverband kündigt Gespräche mit Promoter an

Der Davis Cup selbst ist ein Turnier des Tennisweltverbands ITF, das zusammen mit dem spanischen Unternehmen Kosmos Tennis ausgerichtet wird. Dessen Geschäftsführer Enric Rojas sieht allerdings die Probleme, die das Turner insbesondere in Hamburg hatte.

"Es war offensichtlich, dass das Stadion in Deutschland schwieriger zu füllen war", sagte Rojas, "wir werden mit dem Promoter sprechen". ITF-Präsident David Haggerty kündigte an, alle organisatorischen Punkte noch einmal unter die Lupe zu nehmen: "Wir wollen mehr Fans, wir wollen ein volles Stadion." Ihm geht es nicht nur um Ticketpreise, sondern auch etwa um die Unterbringung der ausländischen Fans.

Neues Davis-Cup-Format soll bleiben

Das Format des Davis Cup mit einer Qualifikationsrunde im Frühjahr, einer Gruppenphase für die 16 besten Teams und einer Finalrunde für die Top acht ist neu. Viele Fans kritisieren, dass es nun kaum noch Heim- und Auswärtsspiele gibt, was den Davis Cup ausgemacht hat. Auch die vielen Spiele unter der Woche können dafür sorgen, dass Stadien leer bleiben. Enric Rojas allerdings wertet die Gruppenphase als Erfolg: "Wir sind wirklich stolz auf das Ergebnis", sagte er auf einer Pressekonferenz in Valencia, "wir haben bewiesen, dass der neue Modus funktioniert." 113.268 Zuschauer seien an den sechs Tagen in den vier Städten in den Hallen gewesen.

Hamburg könnte auch Davis Cup 2023 austragen

Tatsächlich plant Kosmos Tennis im kommenden Jahr mit den gleichen Ausrichtern wie in diesem Jahr. Die Finalrunde findet ohnehin auch 2023 in Málaga statt, es gebe aber auch Verträge mit den Ausrichterländern der Gruppenphase, so Rojas. Nur falls sich Deutschland, Italien, Spanien oder Großbritannien nicht dafür qualifizieren, dann müsste man über einen Wechsel nachdenken: "Ein solches Format braucht eine Heim-Mannschaft."

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass der Davis Cup auch in Hamburg bleibt. Herwig Straka von der emotion-Group kündigte an: "Wir werden definitiv mit Hamburg wieder in die Überlegungen reingehen", doch die Entscheidung wird erst nach der nächsten Qualifikationsrunde im Frühjahr getroffen.

Und beim Deutschen Tennis Bund könnte man sich auch andere Austragungsstädte vorstellen. Präsident Dietloff von Arnim verwies auf die große deutsche Turnierlandschaft etwa in Berlin, Halle (Westfalen) und München: "Tennis funktioniert in Deutschland, Tennis wird auch nachgefragt in Deutschland, und das ist eine tolle Entwicklung."

Deutscher Tennis Bund zufrieden mit Gruppenphase

Sportlich lief jeder deutsche Davis-Cup-Tag gleich ab. Jan-Lennard Struff gewann das erste Einzel, Oscar Otte unterlag im zweiten und das Doppel Kevin Krawietz und Tim Pütz machte schließlich im Doppel den 2:1-Sieg perfekt. Vom Präsidenten gab es dafür großes Lob: "Die Mannschaft kann unglaublich stolz auf sich sein. Was die deutsche Mannschaft gegen Frankreich, Belgien und Australien gezeigt hat, war Weltklasse". Entscheidend sei auch das Zusammengehörigkeitsgefühl gewesen: "Das ist ein echtes Team, das haben wir lange nicht mehr so gehabt", so von Arnim, "die feuern sich gegenseitig an, die fordern sich, die fördern sich, das ist den ganzen Tag so, das ist die ganze Woche so".

Jan-Lennard Struff mit drei Siegen

Positiv am meisten überraschte im DTB-Team Jan-Lennard Struff. Der 32-Jährige, der nach seiner Verletzung im Frühjahr seit Juni aus den Top 100 der Welt gefallen ist, nahm die Atmosphäre in Hamburg richtig auf. Unter dem Jubel des Publikums gewann er jedes Einzel. Besonders eindrucksvoll, wie er ein zwölfminütiges Aufschlagspiel gegen den Belgier Zizou Bergs am Ende für sich entscheiden und im Anschluss den Tie-Break 11:9 gewinnen konnte.

Tennis-Profi Jan-Lennard Struff

Tennis-Profi Jan-Lennard Struff

"Jedes Match war ein gutes Match", lautete das Fazit von Struff, der auch die Stimmung am Rothenbaum über alle Tage lobte. Insbesondere, wenn nach den Einzeln Krawietz/Pütz auf dem Platz standen: "Hinten raus im Doppel war es geil. Ich hab' ein paar Mal Gänsehaut gekriegt. Wir haben von der Bank auch Vollgas gegeben, geschrien."

Krawietz und Pütz beweisen ihre Weltklasse

Tatsächlich waren insbesondere Struff, Oscar Otte und Ersatzmann Yannick Hanfmann ganz vorn mit dabei, wenn es um die Stimmung ging. Sie hüpften und klatschten, ließen die La Ola rumgehen, selbst wenn das Stadion nicht voll war. Kevin Krawietz und Tim Pütz bewiesen wieder einmal, dass sie zur Weltspitze gehören. Jedes Doppel wurde gewonnen, auch wenn es gegen Frankreich und Belgien eng war. Damit bewahrten die beiden ihre weiße Weste: Noch nie haben sie im Davis Cup ein Match verloren.

Oscar Otte noch nicht bei 100 Prozent

Die Statistik von Deutschlands Nummer eins - in Abwesenheit von Alexander Zverev - sieht da anders aus. Davis-Cup-Debütant Otte musste in jedem Spiel eine Niederlage einstecken - am Ende auch gegen den nach einer Grippe noch angeschlagenen Australier Thanasi Kokkinakis. Nach seiner Knie-OP, der sich Otte nach Wimbledon unterzogen hatte, fehlten noch ein paar Prozent.

Von seinen drei Niederlagen wollte er sich aber am Ende nicht unterkriegen lassen: "Es war eine unglaubliche Woche, es macht einfach mega Spaß, ich glaube, das Team ist perfekt. Das macht dann natürlich auch Bock auf mehr und motiviert, in Málaga dabei zu sein."

Tennis-Profi Oscar Otte

Tennis-Profi Oscar Otte

In Málaga wartet Kanada im Viertelfinale

Deutschlands Weg in diesem Davis Cup ist also noch lange nicht zu Ende. Im Viertelfinale geht es nun gegen Kanada - inklusive Top-15-Spieler Félix Auger-Aliassime. Dieser fügte noch in der Gruppenphase dem frisch gekürten US-Open-Sieger Carlos Alcaraz in einem fast dreistündigen Match gleich die erste Niederlage als Nummer eins der Welt zu.

Gespielt wird am Donnerstag, den 24. November in Málaga. "Gegen die Kanadier sind wir sicherlich nicht Favoriten, aber wir sind gut gerüstet, und das Team wird sich reinhängen", kündigt DTB-Präsident Dietloff von Arnim an. Die wohl größte Frage rund um die Finalrunde, kann aber aktuell noch niemand beantworten: Wie lange Alexander Zverev noch verletzt bleibt - und ob Deutschland mit ihm Ende November antreten kann?

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hamburg Journal | 19.09.2022 | 19:30 Uhr