Sportmedizin Sport nach Corona-Erkrankung: Wann darf ich wieder einsteigen?

Stand: 17.03.2022 11:14 Uhr

Was müssen Profis und Hobbysportler nach einer Corona-Erkrankung beachten? Wann darf man wieder loslegen und bei welchen Signalen des Körpers ist Vorsicht geboten? Ein Sportmediziner gibt Antworten.

Von Hendrik Maaßen, Anne Armbrecht

Hendrik Wagners Einsatz bei der Handball-Europameisterschaft Anfang des Jahres gegen Schweden dauerte kaum fünf Minuten. Drei, vier Angriffe und ein Tor schaffte der 24-Jährige, ehe er über Atemprobleme klagte. Das EM-Debüt war für den deutschen Rückraumspieler damit vorzeitig beendet. Er habe "keine Luft" mehr bekommen, sagte er später.

Wagner war erst kurz vorher krank gewesen. Sieben Tage hatte er wegen einer Corona-Infektion in Isolation verbracht. Kam sein Einsatz zu früh?

Wagner hatte nur "ein leichtes Kratzen im Hals"

Beim Deutschen Handball-Bund (DHB) ist man überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Das Team von Bundestrainer Alfred Gislason hatte während der EM 16 positiv getestete Spieler zu verkraften, erzählt Mannschaftsarzt Philip Lübke. Alle Verläufe seien "ausnahmslos mild" gewesen. Der DHB habe zusätzlich zu ihm als Orthopäden und Unfallchirurgen noch einen Internisten und Kardiologen ins Team geholt, um die betroffenen Spieler zu betreuen.

Wagner habe während der Infektion lediglich "ein leichtes Kratzen im Hals" gehabt, sonst aber keine Beschwerden. Nach der Freitestung seien Herzultraschall und EKG unauffällig gewesen. Deshalb habe man entschieden, "eine Belastungsprobe auch auf dem Spielfeld zu wagen".

Der DHB entsprach damit den Vorgaben des internationalen Verbands für das Turnier - nicht aber der in Deutschland gängigen Empfehlung, sagt der Sportkardiologe Martin Halle. Dem sogenannten Return-to-Sport-Protokoll nach sollten Sportler zwei Wochen warten, bis sie wieder voll ins Training einsteigen. "Man hat jetzt über die Zeit der Erfahrung gesehen, dass es wahrscheinlich schon so ist, dass man runtergehen kann von den 14 auf 10 Tage", so Halle, Ärztlicher Direktor der Präventiven Sportmedizin und Sportkardiologie der TU München.

"Dieses ganz Schnelle - Infektion, drei vier Tage später dann gleich wieder in den Hochleistungssport - halte ich für nicht richtig."
— Sportmediziner Martin Halle

Halle hat in den vergangenen zwei Jahren Pandemie viele Freizeit- und Profisportler selbst wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt. Auch wenn die Verläufe überwiegend mild blieben, zeigten sich nach der Genesung auch immer wieder Beschwerden, die von anhaltender Erschöpfung über Lungen- bis zu Herzproblemen reichten.

Corona-Erkrankung verläuft in zwei Phasen

Das Problem mit dem zu frühen Einstieg erklärt der Sportkardiologe damit, dass eine Corona-Erkrankung im Wesentlichen in zwei Phasen verläuft. "In der ersten Phase bin ich positiv getestet. Nach einer Woche ungefähr kommt es dann durch das eigene Immunsystem zu einer zweiten Reaktion. Das heißt, ich kann schon wieder negativ sein vom Test her, aber ich habe diese zweite Reaktion, und die ist auch nicht zu unterschätzen."

Mediziner raten zu Vorsicht und Geduld

Manche Veränderungen an Organen zeigten sich entsprechend der unbestimmten Entzündungsreaktion erst verzögert. Eine Herzmuskelentzündung etwa sei mitunter erst nach einigen Tagen zu sehen, sagt Halle. Eine zu frühe Untersuchung würde dann möglicherweise noch gar keine Diagnose ermöglichen.

Deshalb raten Mediziner laut Halle zu dem vorsichtigen Start: mindestens sieben Tage Sportpause, dann ein leichtes Heranführen, nach 14 Tagen wieder volles Training. Wenn die Infektion ohne Probleme verlief. Dem europäischen Handball-Verband EHF reichten bei seiner von zahlreichen Corona-Fällen geprägten EM dagegen fünf Tage Isolation und zwei negative Tests, um zurückzukommen, wenn ein Spieler die ärztliche Freigabe bekam.

Druck und falscher Ehrgeiz können gefährlich werden

"Die EHF hatte zum Ziel, die Spieler möglichst schnell wieder in den Spielbetrieb zurückzubringen und damit natürlich auch Leistungsträger schnell wieder aufs Feld zu bringen", so DHB-Mannschaftsarzt Lübke. Indem man sich selbst noch zusätzliche Untersuchungen auferlegte, habe man beim Deutschen Handballbund versucht, eine "Zwischenlösung" zu finden. Ein Rückzug des Teams kam für den DHB aus wirtschaftlichen Gründen nicht infrage.

Halle kennt dieses Problem aus seinem Alltag nur zu gut. Er hat dafür auch bis zu einem gewissen Punkt Verständnis. Aber Druck und falscher Ehrgeiz könnten eben gefährlich werden, sagt er - im Fall einer Herzbeteiligung sogar lebensgefährlich. Auch eine unterschätzte Lungenerkrankung kann einen Profi wenigstens die Karriere kosten. Wer zu früh einsteigt, riskiert bleibende Schäden.

"Es ist natürlich ein Job. Es ist großer Druck vom Verein, von den Verbänden, vielleicht auch von den Sportlern selbst", sagt Halle. "Da ist eigentlich die regulierende Person der oder die Ärztin, die dort auch standhaft sein muss und sagen: Es geht halt nicht. Man muss den Patienten schützen."

Vor allem Freizeitsportler fangen zu früh an

Die meisten Sportler seien zwar verantwortungsvoll und könnten ihren Körper auch gut einschätzen. Gerade im Freizeitbereich sieht der Mediziner es aber auch immer wieder, dass Leute zu früh und mit zu hoher Intensität wieder anfangen.

Halle hält das auch deshalb für gefährlich, weil im Amateurbereich die Betreuung fehlt. Es kann sich nicht jeder nach einer Erkrankung komplett durchchecken lassen. Viele machen eine Infektion auch durch, ohne überhaupt davon zu wissen.

Kardiologe rät: Auf den Körper hören

Halle rät auch Hobbysportlern deshalb zu Achtsamkeit. "Wenn ich eine leichte Infektion hatte oder nur positiv getestet bin, würde ich sagen, kann man nach zwei Wochen wieder voll Sport machen. Also eine Woche ganz Pause, dann drei, vier Tage locker, ab dem zehnten Tag etwas intensiver. Nach zwei Wochen kann ich wieder alles machen."

Ging die Erkrankung dagegen mit mehreren Tagen Husten und damit einer Lungenbeteiligung einher, rät Halle zu einer zusätzlichen Woche Pause. Im Fall einer Herzbeteiligung gelten sogar mindestens drei Monate striktes Sportverbot.

Für den Einstieg selbst sagt Halle, sollte man unbedingt auf das Körpergefühl achten, nach Signalen wie leichtem Schwindelgefühl, Pochen des Herzens oder Druck auf dem Brustkorb spüren. Wenn man beim Laufen etwa denke: "Meine Güte, da war ich vor drei, vier Wochen wesentlich besser dran. Mein Puls schlägt nach oben oder ich habe sogar mal unregelmäßige Schläge. Das sind alles Hinweise, dass ich zum Arzt gehen sollte."

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 06.02.2022 | 22:50 Uhr