Leichtathletik Schäfer "fliegt" im Weitsprung zu Paralympics-Silber

Stand: 28.08.2021 17:36 Uhr

Leon Schäfer ist im Paralympics-Finale der oberschenkelamputierten Weitspringer an Gold vorbeigeflogen. Der Weltrekordler blieb fünf Zentimeter hinter dem Südafrikaner Ntando Mahlangu zurück und holte Silber. Ali Lacin belegte Platz fünf.

Der favorisierte Schäfer fand am Samstag (28.08.2021) lange nicht richtig in den Wettkampf und drohte zwischenzeitlich sogar leer auszugehen. Doch dann gelang ihm im sechsten und letzten Versuch mit 7,12 Meter sein weitester Satz. Doch der paralympische Rekord in der T63-Klasse reichte nicht, um Mahlangu zu verdrängen. Der Südafrikaner gewann den Wettbewerb mit 7,17 Meter - Weltrekord in der Klasse T61.

Schäfer hadert mit sich

Schäfer konnte sich über seine erste Paralympics-Medaille zunächst nicht richtig freuen. "Es war ein sehr, sehr starker Wettkampf - nur von mir leider nicht", sagte der 24-Jährige. "Ich hatte mir etwas anderes vorgenommen und brauche noch Zeit, das zu reflektieren." Er sei vor dem Wettkampf sehr entspannt gewesen. "Vielleicht zu entspannt?", fragte er sich selbst. Zugleich staunte er über den hochklassigen Schlagabtausch in der Weitsprung-Grube: "Drei Springer über sieben Meter - das gab es noch nie!"

Lacins Rekordsprung reicht nicht

Der Berliner Ali Lacin wurde bei seiner Paralympics-Premiere trotz eines zwischenzeitlichen Klassen-Weltrekords von 6,70 Meter Fünfter. Er trat als doppelt Amputierter gemeinsam mit den einseitig Amputierten in einer Konkurrenz an. Den Weltrekord entriss ihm Mahlangu mit 7,02 Meter kurz darauf wieder und erhöhte ihn im letzten Versuch sogar. Lacins Sprung bleibt immerhin als Europarekord bestehen. Der 33-Jährige startet am Freitag noch über 200 Meter und steckt sich hohe Ziele: "Da sollte ich eine Medaille mit nach Berlin nehmen", sagte er.

Mit derselben Prothese schon Weltrekord gesprungen

Schäfers Weltrekord liegt bei 7,24 Metern, er ist zudem amtierender Weltmeister. Das Geheimnis hinter seinem Erfolg ist die Prothese, mit der der gebürtige Hannoveraner im vergangenen Jahr seinen Weltrekord gesprungen war. "Eigentlich hatte er schon eine neue Prothese, das gleiche Modell", weiß Heinrich Popow, selbst Paralympics-Sieger und als sportlicher Ziehvater und Techniker für Schäfer im Einsatz.

"Irgendwann wird das Material müde", erklärt Popow. "Leon reizt den Moment aus, bis die Prothese kaputt gehen könnte. Immerhin konnte ich ihn davon überzeugen, diesmal eine Ersatzprothese mitzunehmen. Das macht er sonst nicht."

Stemmtechnik sorgt immer wieder für Materialschäden

Dabei braucht gerade Schäfer bei seinem Sprungstil Ersatzteile. Anders als Para-Superstar Markus Rehm, der bei seinen Sprüngen seine Geschwindigkeit in Weite umsetzt, setzt Schäfer auf die sogenannte Stemmtechnik. Popow erklärt: "Leon stemmt die Prothese - als einziger Athlet - mit sehr großer Kraft auf den Boden und lädt somit die Feder zum Absprung auf. Das ist eine extrem aggressive Technik, bei der schon Metall- und auch Carbon-Teile gebrochen sind. Wir mussten seine Prothesen schon mehrfach verstärken."

Popow: "Leon ist viel lockerer als ich"

Popow und Schäfer bilden auf den ersten Blick ein sehr unterschiedliches Gespann. Auf der einen Seite der eher introvertierte Sonnyboy, auf der anderen der ehemalige Lautsprecher. "Ich habe immer alles rausposaunt, wenn ich was zu sagen hatte", unterstreicht Popow lachend. "Leon ist viel lockerer. Ich musste früher alles unter Kontrolle haben, Leon verlässt sich bei seiner Prothese komplett auf mich - und zieht die Schrauben manchmal sogar nur mit der Hand nach."

Zwei sehr unterschiedliche Wege, die zum gleichen Ziel führen sollen - den Paralympics-Sieg. Popow hatte 2012 in London zunächst Gold über die 100 m gewonnen. Vier Jahre später sprang er mit 6,70 m zu paralympischen Rekord und zu seiner zweiten Gold-Medaille. Nun hat Schäfer mit Silber seine erste Medaille bei Sommerspielen gewonnen. Es soll noch nicht das Ende seiner Paralympics-Geschichte gewesen sein.

Dieses Thema im Programm:
Das Erste | Paralympics Tokio 2020 | 29.08.2021 | 09:00 Uhr